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MultilokalitÀt als Normalisierungspraxis und synchrone Raumintegrationsleistung bei Fernpendelnden in der Erdöl- und Erdgasindustrie in Russlands Arktis
Fernpendeln ist insbesondere in entlegenen Regionen verbreitet, zum Beispiel in der arktischen Erdöl- und Erdgasindustrie, wo Arbeiterinnen und Arbeiter fĂŒr einmonatige oder halbmonatige Schichten ein- und auspendeln. Die theoretischen Betrachtungen eines mobilen und multilokalen Lebens basieren auf ethnographischer Forschung im polaren Westsibirien, die der Frage nach BewĂ€ltigungsstrategien dieser LebensfĂŒhrung nachgeht. Es gibt zwei wesentliche HĂŒrden, die es fĂŒr die Herstellung von Lebenszufriedenheit zu nehmen gilt: die Trennung der relevanten sozialen RĂ€ume (zu Hause und auf Schicht) sowie die Zuschreibung von sozialer Devianz dieses Lebensstils. Der Beitrag beschreibt zwei Prozesse, die bei Arbeiterinnen und Arbeitern mit positiver BewĂ€ltigungsleistung vorliegen: (1) Raumintegrationsleistung, die durch gleichzeitiges Verbinden und Trennen einen erweiterten, fĂŒr das Leben bedeutungsvollen Raum entstehen lĂ€sst und (2) flexible Normalisierung, die die von auĂen zugeschriebenen Devianzen in Potenziale umwandelt.Long-distance commuting (also called fly-in/fly-out or FIFO) is a system of labour-force provision for industrial operations in remote regions; e. g., at oil and gas extraction sites in the Russian Arctic. Employees there commute on a rotational shift basis of 14 days in and 14 days out (14/14) or on a 30/30 roster. This chapter is based on longterm ethnographic research in the northwestern Siberian Arctic. The theoretical considerations relate to coping strategies for the two main constraints inherent to this way of life: the separation of meaningful social spheres (home and on duty) and the ascription of deviance to this lifestyle. People who cope well with this multilocal and mobile way of life pursue two strategies: (1) the conscious integration of space through the simultaneous connecting and separation of the spheres in order to constitute an integrated, enlarged and meaningful social and geographical space and (2) a flexible process of normalisation which turns the ascription of deviance into potential
Systeme von Ungleichheiten
âIch möchte einfach leben wie ein Mensch, ein ganz normales Leben haben, eine glĂŒckliche Familie grĂŒnden und ein bisschen Wohlstandâ, erzĂ€hlt Lena. Sveta will nach Moskau ziehen, weil sie dort Designerin werden möchte: âIch komme vom Land. Hast du schon eine Designerin am Land gesehen? SelbstverstĂ€ndlich will ich in Moskau wohnen, hier ist das Leben einfach viel interessanter und das Dorf kann mir ohnehin keinen Job bietenâ. Jevgenij meint dass es ganz egal wĂ€re, wenn er mit seiner Spezialausbildung fĂŒr Erdölmanagement in dieser Branche - in der die Eltern Karriere fĂŒr die Kinder machen, wie seine Studienkollegin Katja einwirft - keinen Job bekommen kann. Er weiĂ, dass er mit seinem UniversitĂ€tsdiplom mit Sicherheit sehr gute Chancen in vielen Bereichen der Privatwirtschaft haben wird. Er und seine StudienkollegInnen brauchen diese Chancen auch dringend, weil ohne Geld eine Heirat und eine eigene Wohnung, welche sie sich wĂŒnschen, nicht denkbar wĂ€ren. Moskau konnte sich zu einem prosperierenden Wirtschaftszentrum entwickeln und wĂ€hrend monoindustrielle StĂ€dte in den Regionen mit Massenarbeitslosigkeit durch BetriebsschlieĂungen kĂ€mpfen, sind lĂ€ndliche Gebiete mit sehr niedrigem Lohnniveau und einer unzulĂ€nglichen Infrastruktur in den Bereichen der medizinischen Versorgung oder der Bildung konfrontiert. Das EinkommensgefĂ€lle verschĂ€rfte sich in den letzen fĂŒnfzehn Jahren. Das Durchschnittseinkommen liegt abgesehen von den unterschiedlichen offiziellen Angaben bei etwa 200 US Dollar (alle Daten Stand 2004). Das Existenzminimum betrĂ€gt keine 70 US Dollar und etwa 31 Millionen Menschen in Russland mĂŒssen mit weniger Geld als diesem Existenzminimum auskommen. Russland konnte im Jahr 2003 ein Wirtschaftswachstum von 7 % verzeichnen, was den aufsteigenden Trend der letzten drei Jahre fortsetzte. Davon profitieren vor allem die Zentren Moskau und St. Petersburg, welche zum beliebten Migrationsziel der abwandernden Bevölkerung aus der Provinz werden. Wachsende Branchen wie Public Relations, Marketing oder Informationstechnologie bieten hochqualifizierten AbsolventInnen von Hochschuleinrichtungen lukrative ArbeitsplĂ€tze. Der Bildungssektor, ein wichtiger Arbeitsmarkt fĂŒr UniversitĂ€tsabsolventInnen, wird aufgrund des niedrigen Lohnniveaus zusehends uninteressanter, und bleibt aber fĂŒr AbsolventInnen von wirtschaftlich weniger gefragten Studienrichtungen oft die einzige Berufschance. Nur die gleichzeitige BeschĂ€ftigung bei mehreren Arbeitgebern kann das Ăberleben sichern. Andererseits sind IT SpezialistInnen international gefragt, was die Abwanderung ins Ausland fĂŒr Hochqualifizierte interessant macht. Die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt durch die Segregation in weniger prestigereiche Jobs fĂŒr Frauen und besser bezahlte Berufsfelder fĂŒr MĂ€nner, paart sich mit der Doppelbelastung von Frauen, weil sie neben der BerufstĂ€tigkeit noch fĂŒr die HaushaltsfĂŒhrung und die Kinderbetreuung zustĂ€ndig sind. Die EinfĂŒhrung von StudiengebĂŒhren und die informellen ZugangsbeschrĂ€nkungen zu Hochschuleinrichtungen durch das etablierte Bestechungs- und Beziehungssystem, machen die UniversitĂ€tsausbildung zu einem Luxusgut. Die postsowjetischen Transformationsprozesse in Russland sind mitunter dafĂŒr ausschlaggebend, dass Moskau oder das Ausland zu bevorzugten Wohnorten und Migrationsszielen fĂŒr junge, angehende AkademikerInnen werden. Die Ablöse der Planwirtschaft durch die EinfĂŒhrung der Marktwirtschaft war ein erklĂ€rtes Ziel der neu formierten Russischen Föderation, und Demokratie sollte die Geschichte des autoritĂ€ren sowjetischen Regimes ablösen. Den politischen Intentionen und den wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Konzepten einer linearen Transition - von einem als ausgedient begriffenen System zur einem neuen System - stehen die unterschiedlichen Pfade dieses gesellschaftlichen Wandels gegenĂŒber, sowie die ungleichen Auswirkungen der ReformmaĂnahmen auf die verschiedenen Bevölkerungs- und Altersgruppen in Russland. Genauso steht der Annahme einer linearen Transition die RealitĂ€t von kulturellen und sozialen Erscheinungen gegenĂŒber, die sich aus Elementen der Vergangenheit und den Möglichkeiten der neuen wirtschaftlichen und politischen UmstĂ€nde heraus entwickelt haben. Deshalb kann dieser postsowjetische Wandlungsprozess vielmehr als Transformation mit offenem Ausgang, denn als lineare Transition, verstanden werden (vgl. Verdery 1996; Hann 2002; Ledeneva 1998).
Die vorliegende Diplomarbeit bezieht sich auf Forschungsfelder wie Lebenslaufforschung, Gender Studies, Ungleichheitsforschung und Postsozialismusforschung. Es werden Fragen nach Inklusion und Exklusion in jene gesellschaftlichen SphĂ€ren gestellt, die ohne prestigereiche UniversitĂ€tsdiplome nicht möglich wĂ€ren. Korruption und informelle Netzwerke bilden eine der Ausgangsbasen zur Bestandsaufnahme von Potentialen sozialer MobilitĂ€t der in Moskau geborenen StudentInnen und jenen, die aus den russischen Provinzen an Moskauer UniverstĂ€ten kommen. Damit werden BezĂŒge zu Migrationsverhalten und -möglichkeiten sowie zu den Umsetzungsvorstellungen der erzĂ€hlten LebensentwĂŒrfe hergestellt. Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse der subjektiven Lebensplanung und der Handlungsstrategien von weiblichen und mĂ€nnlichen Studierenden in Moskau, die aus der Hauptstadt oder aus der Provinz stammen und sich der russischen oder einer der anderen Ethnien der Russischen Föderation zuzĂ€hlen. Die untersuchte Gruppe studiert technische, geisteswissenschaftliche, wirtschaftliche und naturwissenschaftliche Disziplinen an staatlichen und privaten UniversitĂ€ten in Moska
Mapping hierarchies of mobility in the Baikal Amur Mainline region : a quantitative account of needs and expectations relating to railroad usage
The construction of railroad infrastructure in East Siberia and the Russian Far East was a key aspect of Soviet industrialization during the 1970s and 1980s. Although built primarily for freight transportation, the Baikal-Amur Mainline (BAM) and the Amur-Yakutsk Mainline (AYaM) have also been used for passenger transport and have thus contributed to increased mobility and heightened local expectations about future mobility. This article presents the results of an extensive survey carried out in the BAM/AYaM region, which maps experiences of individual mobility, including usage-related needs, practices, and expectations. The findings show low levels of satisfaction differing across the regionâs social and spatial diversity. The paper argues that hierarchies of mobility prevail at two related levels in the BAM/AYaM region: 1) the stateâs regional development policies favor industrial development, focusing on freight transportation while neglecting local passengersâ needs for improved individual mobility; and 2) intersectional structural conditions along lines of diversity, such as gender, age, ethnicity, and place of residence, result in mobility disadvantage and lower mobility satisfaction. These hierarchies are embedded in the broader social and spatial inequality structures in the Russian Federation.Peer reviewe
Toward global citizenship? People (de)bordering their lives during COVID-19 in Latin America and Europe
The COVID-19 pandemic highlighted global interdependencies, accompanied by widespread calls for worldwide cooperation against a virus that knows no borders, but responses were led largely separately by national governments. In this tension between aspiration and reality, people began to grapple with how their own lives were affected by the global nature of the pandemic. In this article, based on 493 qualitative interviews conducted between 2020 and 2021, we explore how people in Argentina, Austria, Bolivia, Ecuador, Ireland, Italy and Mexico experienced, coped with and navigated the global nature of the pandemic. In dialogue with debates about the parameters of the âglobalâ in global health, we focus on what we call people's everyday (de)bordering practices to examine how they negotiated (dis)connections between âusâ and âthemâ during the pandemic. Our intervieweesâ reactions moved from national containment to an increasing focus on people's unequal socio-spatial situatedness. Eventually, they began to (de)border their lives beyond national lines of division and to describe a new normal: a growing awareness of global connectedness and a desire for global citizenship. This newfound sense of global interrelatedness could signal support for and encourage transnational political action in times of crises
Improving the relationships between Indigenous rights holders and researchers in the Arctic: an invitation for change in funding and collaboration
Truly transdisciplinary approaches are needed to tackle the complex problems that the Arctic is
facing at the moment. Collaboration between Indigenous rights holders and researchers through
co-creative research approaches can result in high-quality research outcomes, but crucially also
address colonial legacies and power imbalances, enhance mutual trust, and respect the rights of
Indigenous Peoples. However, to be successful, collaborative research projects have specific
requirements regarding research designs, timeframes, and dissemination of results, which often do
not fit into the frameworks of academic calendars and funding guidelines. Funding agencies in
particular play an important role in enabling (or disabling) meaningful collaboration between
Indigenous rights holders and researchers. There is an urgent need to re-think existing
funding-structures. This article will propose a new paradigm for the financing of Arctic research,
which centres around the inclusion of Indigenous partners, researchers, and institutions from the
initial planning stages of funding programmes to the final stages of research projects. These
findings and recommendations have been contextualized based on critical reflections of the
co-authors, a group of Indigenous and non-Indigenous partners, who have practiced their own
collaborative work process, the challenges encountered, and lessons learned
Shaping Arcticâs Tomorrow through Indigenous Knowledge Engagement and Knowledge Co-Production
This perspective presents a statement of the 10th International Congress of Arctic Social Sciences Indigenous Knowledge and knowledge co-production panel and discussion group, 20 July 2021. The statement is designed to serve as a characterization of the state-of-the-art and guidance for further advancement of Indigenous Knowledge and knowledge co-production in the Arctic. It identifies existing challenges and provides specific recommendations for researchers, Indigenous communities, and funding agencies on meaningful recognition and engagement of Indigenous Knowledge systems
Democratic research: Setting up a research commons for a qualitative, comparative, longitudinal interview study during the COVID-19 pandemic
The sudden and dramatic advent of the COVID-19 pandemic led to urgent demands for timely, relevant, yet rigorous research. This paper discusses the origin, design, and execution of the SolPan research commons, a large-scale, international, comparative, qualitative research project that sought to respond to the need for knowledge among researchers and policymakers in times of crisis. The form of organization as a research commons is characterized by an underlying solidaristic attitude of its members and its intrinsic organizational features in which research data and knowledge in the study is shared and jointly owned. As such, the project is peer-governed, rooted in (idealist) social values of academia, and aims at providing tools and benefits for its members. In this paper, we discuss challenges and solutions for qualitative studies that seek to operate as research commons
Rootedness along the way: meaningful sociality in petroleum and mining mobile worker camps
Rotational shift work, long-distance commuting (LDC) and y-in/ y-out (FIFO) have become increasingly prevalent forms of labour force provision in the resource extraction sector worldwide over the last few decades. This entails the workforce being on the move, with cycles of long shifts on site and extended periods back home. This article draws on ethnographic eld work carried out in Arctic Russia and Subarctic Canada among petroleum and mining workers. It focusses on sociality processes in workersâ camps. I employ the notion of âmeaningful socialityâ among camp inhabitants, which comes about when workers experience ârootedness along the wayâ. Both notions are basic elements of a long-term and satisfactory mobile and multilocal lifestyle. This article shows how the quality of rootedness, job satisfaction and wellbeing in such a labour setting are highly depen- dent on intersectional conditions of equality at interpersonal and politico- economic scales. Corporations are called upon to actively facilitate the necessary material and a ective camp conditions to enable meaningful sociality and provide an equity-based atmosphere for people to become rooted along their way
"To you, to us, to oil and gas" â The symbolic and socio-economic attachment of the workforce to oil, gas and its spaces of extraction in the Yamal-Nenets and Khanty-Mansi Autonomous Districts in Russia
This article examines ways in which workers and the people around them become enmeshed with oil and gas resources, the extractive industry and the social and geographical space of the Russian Far North: in particular, the Yamal-Nenets and the Khanty-Mansi Autonomous Districts (YNAO and KMAO). It highlights how both the local workforce and the long-distance commuters who travel back and forth from all over Russia develop strong attachments to the social and economic meaning and symbolism of oil and gas. New labour conditions and a new configuration of the labour market have emerged in the context of privatization and out-sourcing in the last two decades. These changes have created new certainties and uncertainties for the future in a region that until now has been conceived as harsh, but stable, and as conferring both prosperity and privilege on those who can cope with the extreme conditions. This study is based on ethnographic long-term fieldwork in YNAO and KMAO