48 research outputs found

    Die Verflechtung von Filme-Machen und Filme-Sehen in LOLA + BILIDIKID (1998) und Tiger – Die Kralle von Kreuzberg (2006)

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    Der Aufsatz widmet sich zunĂ€chst dem Forschungsstand zum deutsch-tĂŒrkischen Kino und identifiziert zwei grundsĂ€tzliche Schwierigkeiten: 1. Im gegenwĂ€rtigen Forschungsdiskurs herrscht ein reprĂ€sentationales VerstĂ€ndnis des filmischen Bildes vor. Dieses VerstĂ€ndnis produziert KurzschlĂŒsse bezĂŒglich des VerhĂ€ltnisses filmischer Bilder zur sozialen Wirklichkeit. 2. Das deutsch-tĂŒrkische Kino ist in der Forschung ĂŒberwiegend als Genre behandelt worden, ohne dass diese Konzeptualisierung theoretisch problematisiert oder fundiert worden wĂ€re. Von diesen zwei Ansatzpunkten ausgehend wird eine konzeptuelle Perspektive entworfen, welche darauf abzielt, das VerhĂ€ltnis zwischen Migrationsdiskurs und audiovisueller Medienproduktion theoretisch neu zu justieren. Dieses Vorhaben wird anhand zweier Fluchtlinien entwickelt: die eine ist methodologischer Natur und zielt auf eine detaillierte Analyse filmischer Form mit Blick auf ihre expressive Dimension. Die andere ist theoretischer Natur und begreift filmische Bilder als Aneignungen global zirkulierender Formen und Muster. Diese Dimension audiovisueller DiskursivitĂ€t ist an den Bildern zu rekonstruieren, bevor man sie als Verhandlungen kultureller IdentitĂ€t lesen kann

    Affektpoetiken des New Hollywood

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    How do spectators become emotionally involved in cinema? Starting from this question, the book suggests an original view about a critical period in United States film history. In a detailed analysis of individual films, an image emerges of a complex interplay between three affective modes – suspense, paranoia, and melancholy – which draw the spectators to reflect in unique ways about contradictions in their own feelings

    Affektpoetiken des New Hollywood

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    Early volumetric changes of hippocampus and medial prefrontal cortex following medial temporal lobe resection

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    Previous studies have shown that cognitive demands and physical exercise stimulate adult neurogenesis in the dentate gyrus and hippocampus. Recent observations in healthy humans and patients with mild cognitive impairment moreover suggest that training-induced increases in hippocampal volume may be associated with improved memory performance. The corresponding plasticity processes in hippocampal volume may occur on timescales of months to years. For patients with focal lesions in this region, previous functional imaging studies suggest that increased recruitment of the contralateral hippocampus and extratemporal regions may be an important part of the reorganization of episodic memory. However, it is currently unclear whether focal damage to the medial temporal lobe (MTL) induces gray matter (GM) volume changes in the intact contralateral hippocampus and in connected network regions on a shorter timescale. We therefore investigated whether unilateral resection of the MTL, including the hippocampus, induces measurable volumetric changes in the contralateral hippocampus and in the default mode network (DMN). We recruited 31 patients with unilateral left (N = 19) or right (N = 12) hippocampal sclerosis undergoing MTL resection for treatment of drug-resistant epilepsy. Structural MRI was acquired immediately before and 3 months after surgery. Longitudinal voxel-based morphometry (VBM) analysis revealed a significant increase of right hippocampal volume following resection of the left anterior MTL. Furthermore, this patient group showed GM volume increases in the DMN. These results demonstrate significant structural plasticity of the contralateral hippocampus, even in patients with a long-standing unilateral hippocampal dysfunction and structural reorganization processes extending to distant, but functionally connected brain regions

    Division of labor by dual feedback regulators controls JAK2/STAT5 signaling over broad ligand range

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    Quantitative analysis of time-resolved data in primary erythroid progenitor cells reveals that a dual negative transcriptional feedback mechanism underlies the ability of STAT5 to respond to the broad spectrum of physiologically relevant Epo concentrations

    Ömer Alkın: Die visuelle Kultur der Migration. Geschichte, Ästhetik und Polyzentrierung des Migrationskinos.: Bielefeld: Transcript 2020. ISBN: 978-3-8376-5036-5. 628 Seiten, Preis: € 59,99.

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    AllmĂ€hlich kommt Bewegung in die Forschungslage zum sogenannten "deutsch-tĂŒrkischen Kino". Nachdem jahrelang nur drei SammelbĂ€nde und einige verstreute AufsĂ€tze zum Thema vorlagen, hat die Debatte in letzter Zeit mit Monografien etwa von Nanna Heidenreich (2015), Gözde Naiboğlu (2018) und Muriel Schindler (2021) sowie zwei weiteren SammelbĂ€nden (vgl. Alkın 2017, Bayrak u.a. 2020) deutlich an Dynamik gewonnen. Gemein ist den meisten dieser Publikationen der dezidierte Anspruch, das so lange brachliegende Forschungsfeld neu zu konturieren und den Forschungsstand einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Diese Kritik richtet sich vornehmlich auf die medien- bzw. filmtheoretische UnterkomplexitĂ€t, mit der das deutsch-tĂŒrkische Kino lange angegangen wurde – speziell im Hinblick auf die Frage der ReprĂ€sentation (also die Frage, inwieweit filmische Bilder als Abbilder gesellschaftlicher RealitĂ€t verstanden werden). In diesen Kontext ist auch Die visuelle Kultur der Migration von Ömer Alkın einzuordnen. Was seine Monografie (zugleich seine Dissertation) auszeichnet, ist, dass er nicht nur theoretisch ambitioniert vorgeht, sondern vor allem in historischer Hinsicht eine ForschungslĂŒcke schließt, indem er den sogenannten "tĂŒrkischen Emigrationsfilm" als komplementĂ€re Formation zu den in Deutschland produzierten Filmen in den Blick rĂŒckt. Alkın baut seine (ĂŒber 600 Seiten lange) Arbeit in zwei große Teile auf. Der erste Teil widmet sich ausfĂŒhrlich dem Forschungsstand, den theoretischen und methodischen VorĂŒberlegungen (etwa zur Abgrenzung des Gegenstands oder zur eigenen Arbeitsweise mit bewegten Bildern) sowie einer Rekapitulation der historischen Kontexte zum Thema Migration sowohl der Filmproduktionen aus Deutschland wie derjenigen aus der TĂŒrkei. Die Filme des im konventionellen Sinne "deutsch-tĂŒrkischen Kinos" (also Produktionen aus Deutschland, die von Menschen mit tĂŒrkischem Migrationshintergrund inszeniert werden bzw. von solchen Menschen handeln) spielen allerdings im weiteren Verlauf der Arbeit keine nennenswerte Rolle mehr. Dies wirft sogleich die Frage nach dem Erkenntnisgewinn von Alkıns Ansatz auf, beide Formationen zusammenzudenken – könnte sich dieser Gewinn doch erst dort mit voller Überzeugungskraft einstellen, wo man die Filme in vergleichender Analyse aufeinander bezieht. Migration wird von Alkın als "Motiv" in den Filmen, bzw. als "epistemisches Ding" (S. 36f.) verstanden. Das Ziel seiner Arbeit besteht darin, nachzuverfolgen, wie sich dieses Motiv der Migration in den Filmen des Kinos der TĂŒrkei, speziell des YeƟilçam-Kinos der 1970er-Jahre, visuell konstituiert. Alkın orientiert sich an Theorien visueller Kultur, bezieht aber auch eine ganze Reihe anderer AnsĂ€tze mit ein (Medienphilosophie, Psychoanalyse, Raumtheorie, Erkenntnistheorie, PhĂ€nomenologie, Science and Technology Studies), um die Schwierigkeiten der Eingrenzung und Verortung dieses Filmmotivs angemessen zu reflektieren. Über der Vielzahl der Perspektiven verliert sich allerdings gelegentlich die klare Ausrichtung der Argumentation. Der zweite Teil konzentriert sich auf die Analyse der Beispiele, wobei immer wieder theoretische und historische Exkurse eingestreut werden. (Eine Anmerkung zur Form: ein grĂŒndlicheres Lektorat hĂ€tte dem Buch gutgetan und seine Lesbarkeit deutlich erhöht.) Besonders die historischen Exkurse erweisen sich dabei als wichtig fĂŒr die Einbettung der Filmanalysen. Alkın nimmt zu Beginn die heuristische Setzung einer "Ereignisstruktur von Emigration" (S. 209) vor, zu deren Status und theoretischer Kontextualisierung man gerne mehr erfahren hĂ€tte – etwa mit Blick auf die Frage, inwiefern es sich bei dem untersuchten Korpus um ein Genre handelt, oder wie sein Zusammenhang jenseits einer Gemeinsamkeit von Motiven zu denken ist. Alkın identifiziert vier Elemente dieser Ereignisstruktur: Abwesenheit, Anreise, Ankunft und Anwesenheit, die er anhand der Untersuchung von entsprechenden Szenen herausarbeitet. Insgesamt bleibt in der HinfĂŒhrung auf die konkreten Analysen eher vage, wie der theoretische Zugriff auf die Filme gedacht wird. Alkın spricht sich dafĂŒr aus, "den Fokus auf die filmĂ€sthetischen Besonderheiten der Filme nicht durch eine prĂ€determinierte filmtheoretische Überlegung einzugrenzen, sondern den materiell unversieglichen Überschuss des Filmischen gegenĂŒber eines schriftlichen Beschreibungssystems [sic], das auch die vorliegende wissenschaftliche Arbeit ist, anzuerkennen und an ihm zu arbeiten" (S. 204). Wie aber kann man am "Überschuss des Filmischen gegenĂŒber eines schriftlichen Beschreibungssystems" arbeiten ohne konsistenten filmtheoretischen Zugang? Hier gibt es einen Bruch zwischen dem theoretischen Anspruch des Buches und der Einlösung dieses Anspruchs in den Analysen – einen Bruch, der ĂŒbrigens durchaus typisch ist fĂŒr die akademische Diskussion zu dem Thema. Die ausfĂŒhrlichen Analysen operieren denn auch keineswegs theoriebefreit. Dort, wo sie auf einer kohĂ€renten theoretischen Basis aufbauen – etwa in der Analyse der Anfangssequenz von Davaro (R: Kartal Tibet, TR 1981) – machen sie die stĂ€rksten Abschnitte des Buches aus. Dort gelingt es Alkın auf eindrucksvolle Weise, die audiovisuelle Entfaltung des filmischen Bildraums als Entstehungsprozess einer Vorstellung von SozialitĂ€t nachzuzeichnen, fĂŒr die das VerhĂ€ltnis zwischen Emigrant und Dorfgemeinschaft zum Ordnungsproblem wird (vgl. S. 224-238). Ein anderes Beispiel ist die detailliert kontextualisierte Analyse einiger Sequenzen aus Memleketim (R: YĂŒcel Çakmaklı, TR 1975), in der das komplexe Zusammenspiel von ProduktionsumstĂ€nden, politischen Diskursen, sozialen Kontexten, medialen Konfigurationen und kĂŒnstlerischen Poetiken voll zur Geltung kommt und nachvollziehbar gemacht wird (vgl. S. 445-479). Hingegen entstehen immer dann Probleme, wenn von einer vermeintlich stabilen, ahistorischen Charakteristik von Migration auf die Filme zurĂŒckgeschlossen wird, anstatt auf die generischen ZusammenhĂ€nge einzugehen, in denen die formalen Verfahren und Ă€sthetischen Figurationen in ihrer HistorizitĂ€t erkennbar werden könnten (siehe beispielsweise S. 297, wo es heißt, Migration sei gekennzeichnet durch "das binĂ€re Modell einer MedialitĂ€t von An- und Abwesenheit", und darin liege die "Wesensverwandtschaft zur MedialitĂ€t des Filmischen"). Ähnlich irritierend wirkt es, wenn am Beispiel einer Szene, in der betont flash zooms eingesetzt werden, nicht etwa auf die entsprechenden historisch verortbaren Konventionen verwiesen wird (etwa jene des  Hollywood-Kinos der 1970er Jahre und sicher auch im damaligen Kino der TĂŒrkei), sondern ein allgemeiner Exkurs zum VerhĂ€ltnis von technischen Medien und menschlicher WahrnehmungsfĂ€higkeit erfolgt (vgl. S. 410f.). Vor diesem Hintergrund ist möglicherweise die letzte Drehung in Alkıns Argumentation zu verstehen, wenn er direkt vor dem kurzen Schlusskapitel die Möglichkeit einer affekttheoretisch basierten Filmanalyse andeutet, die die dauerprĂ€sente Frage der ReprĂ€sentationslogik noch einmal von einer anderen Seite beleuchtet. So scheinen bis zuletzt leise Zweifel daran angebracht, wie sinnvoll es ist, Migration tatsĂ€chlich als "epistemisches Ding" zu abstrahieren. Denn auch der von Alkın betriebene hohe theoretische Aufwand Ă€ndert nichts daran, dass der Akt, auf das filmische Bild zu zeigen und festzustellen: "Dies ist Migration", bzw. "dies ist ein Migrant" selbst ein politischer Akt ist: nĂ€mlich ein Akt, der IdentitĂ€t zuschreibt und politische Kategorien – in welcher medialen Vermittlung auch immer – auf die Beschreibung audiovisueller Bilder ĂŒbertrĂ€gt. Wenn man daher mit W. J. T. Mitchell von einer visuellen Kultur der Migration spricht, kommt man nicht darum herum, diese Kultur auch historisch zu situieren: als Ergebnis oder Ausdruck eines Prozesses politischer und kultureller Vergemeinschaftung, der sich durch eine spezifische Sinnlichkeit auszeichnet, zugleich aber unweigerlich Ein- und AusschlĂŒsse produziert. Die visuelle Konstruktion von Migration ließe sich dann nur im Wechselspiel zwischen den Bildern und den Diskursen rekonstruieren, auf die die Bilder sich beziehen. Schließlich drĂ€ngt sich diesbezĂŒglich noch eine Frage zum theoretisch-analytischen Ansatz der Arbeit auf: Wieso ist darin eigentlich nur von visueller, nicht aber von audiovisueller Kultur die Rede? Schließlich spielt doch die Musik nicht nur, aber gerade auch in den Arabesk-Filmen – dem "tĂŒrkischen Migrationsgenre schlechthin" (S. 394) – eine zentrale Rolle. Hier scheint ein blinder Fleck der Untersuchung zu liegen; denn es ginge dann letztlich nicht nur um die Sichtbarmachung von Migration (verstanden als epistemisches Problem), sondern um die politische, gesellschaftliche und kulturelle Funktion der Filme, die sich auf den Migrationsdiskurs beziehen. Das Wandern des Arabesk-Modus' von einer kulturellen Formation (verbunden mit der Binnenmigration in der TĂŒrkei) in ein musikalisches Genre, von dort ins Kino und von dort wiederum in einen umfassenden Lifestyle ist dafĂŒr tatsĂ€chlich beispielhaft. Erst als audiovisuelle Figurationen, das heißt, als raumzeitliche Kompositionen mit einer bestimmten Dauer, die auf eine bestimmte Weise mit ihrem Publikum interagieren, werden die Filme in dieser Hinsicht lesbar und analysierbar. Alkıns Buch stellt eine dringend benötigte Erweiterung der Forschung zum Zusammenhang von Kino und Migration zwischen der TĂŒrkei und Deutschland dar. Die Ă€ußerst ambitionierte Arbeit stĂ¶ĂŸt dabei trotz einiger Probleme eine Vielzahl von Fragen an, die ĂŒber das Feststellen von ForschungslĂŒcken hinausgehen: unter anderem solche nach dem Film als Form audiovisueller DiskursivitĂ€t, nach der Bedeutung von Genres fĂŒr ein Denken der historischen Dimensionierung Ă€sthetischer Erfahrung, nach der Art und Weise, wie sich der Zusammenhang zwischen Film und Gesellschaft jenseits von ReprĂ€sentationslogiken denken lĂ€sst und danach, auf welche Weise die Filmwissenschaft der interdisziplinĂ€ren BeschĂ€ftigung mit filmischen Bildern eine möglichst anschlussfĂ€hige methodische Grundlage bereitstellen kann. In Bezug auf diese und mehr Fragen erweist sich Alkıns Buch als ĂŒberaus anregende LektĂŒre. Literatur: Alkın, Ömer (Hg.): Deutsch-TĂŒrkische Filmkultur im Migrationskontext. Verlag: Wiesbaden 2017. Bayrak, Deniz/Dinç, Enis/Ekinci, YĂŒksel/Reininghaus, Sarah (Hg.): Der deutsch-tĂŒrkische Film. Neue kulturwissenschaftliche Perspektiven. Bielefeld: Transcript 2020. Heidenreich, Nanna: V/Erkennungsdienste, das Kino und die Perspektive der Migration. Bielefeld: Transcript 2015. Naiboğlu, Gözde: Post-Unification Turkish German Cinema. Work, Globalisation and Politics Beyond Representation. London: Palgrave Macmillan 2018. Schindler, Muriel: 'Deutsch-tĂŒrkisches Kino'. Eine Kategorie wird gemacht. Marburg: SchĂŒren 2021

    Samir Gandesha/Johan F. Hartle (Hg.): Aesthetic Marx.: London u. a.: Bloomsbury Academic 2017. ISBN: 978-1-350-07471-2. 342 S., 35 s/w Abb., Preis: € 24,85.

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    Wenn sich eine ĂŒbergreifende Tendenz in den geisteswissenschaftlichen Debatten der letzten zwei Jahrzehnte beobachten lĂ€sst, so besteht diese in dem BemĂŒhen, die politische Relevanz von Kunst und Ă€sthetischer Erfahrung auf neue, den zeitgeschichtlichen Entwicklungen angemessene Weise zu denken. Die dazu in Anschlag gebrachten Modelle gehen in verschiedene Richtungen und treten miteinander durchaus in Konflikt. Ein Zeichen fĂŒr die enorme Strahlkraft dieser Hinwendung zum Politischen ist das Erscheinen von Aesthetic Marx, eines Bandes, der antritt, die Theoreme eines vermeintlich so erschöpfend behandelten Denkers wie Karl Marx fĂŒr die aktuelle Diskussion fruchtbar zu machen. Gleichzeitig markiert der Band nicht nur die Insistenz der gegenwĂ€rtigen Problemstellungen; vielmehr dient er auch als Testfall fĂŒr die TragfĂ€higkeit jener AnsĂ€tze, die sich deren BewĂ€ltigung oder doch mindestens Beschreibung zur Aufgabe gemacht haben. So scheint es ja keineswegs selbstverstĂ€ndlich, in diesem Zusammenhang ausgerechnet auf Marx zurĂŒckzugreifen, auch wenn niemand bestreiten wird, dass der Kapitalismus "Ă€sthetisch geworden" ist – so die Diagnose, mit der die Herausgeber ihre ambitionierte und zuweilen dichte Einleitung beginnen (S. x). Ebenso unbestreitbar verbindet sich mit der Chiffre 'Marx' noch immer eine Art utopischer Überschuss, den es jedoch – auf welche Weise auch immer – einzulösen gilt. Auf Grundlage dieser Diagnose zielt die Einleitung daher darauf ab, historisch herzuleiten, wie sich das marxsche Werk auf durchaus vielfĂ€ltige Weise auf jene AnsĂ€tze beziehen lĂ€sst, die diese Ă€sthetische Dimension als Frage nach dem Politischen konzeptualisieren. Diese Herleitung greift weit aus und verortet Marx nicht nur in historischer Langzeitperspektive, sondern auch mit Blick auf geistesgeschichtlich zentrale Denker wie Aristoteles, Machiavelli, Nietzsche oder Kant – zusĂ€tzlich zu denjenigen, die sich ihrerseits auf Marx beziehen (LukĂĄcs, Gramsci, Marcuse, Benjamin, Jameson, Derrida, etc.). Sie liefert dadurch eine hervorragende Grundlage nicht nur fĂŒr die im Band versammelten BeitrĂ€ge, sondern auch fĂŒr zukĂŒnftige Arbeiten in dieser Richtung. Ein zentrales Manöver ist dabei, den Unterschied zwischen "Ästhetik" ("aesthetics") als philosophische Disziplin und dem "Ästhetischen" ("the aesthetic") als historische Organisation der Sinne hervorzuheben (S. xii). Diese Operation erinnert unmittelbar an die Unterscheidung zwischen 'Politik' und dem 'Politischen', die unter anderem in der jĂŒngeren Rezeption Jacques RanciĂšres in der politischen Philosophie und den Kulturwissenschaften enorm wirkmĂ€chtig geworden ist – eine Parallele, die hier jedoch (trotz ausfĂŒhrlicher und durchaus kontroverser Auseinandersetzung mit RanciĂšre) nicht explizit gemacht wird. Wenig ĂŒberraschend ist es die zweite Bedeutungsdimension des Ästhetischen, die fĂŒr das "meta-Ă€sthetische" (S. xiii) Projekt des Buches besonders produktiv wird – ist es doch in der aktuellen Diskussion speziell diese Perspektive, in der sich die Verfahren der KĂŒnste in ihrer theoriebildenden und politisch intervenierenden Kraft nachvollziehbar machen lassen. Die vielfĂ€ltigen Facetten dieser Debatte bezieht die Einleitung aufeinander und bereitet so den Zusammenhang der einzelnen BeitrĂ€ge vor, die in drei Sektionen gegliedert sind: "Aesthetics/Emancipations", "Style and Performativity in Marx" und "Modes of Artistic Production". Jede Sektion setzt sich aus vier AufsĂ€tzen zusammen. Der erste Abschnitt versammelt BeitrĂ€ge, die sich dem inhĂ€renten Zusammenhang zwischen den marxschen Thesen und Axiomen Ă€sthetischer Theoriebildung widmen. So stellt Samir Gandesha in seinem Aufsatz zu "drei Logiken des Ästhetischen bei Marx" die vielleicht nicht erstaunliche, jedoch weitreichende These auf, dass Marx' Begriff des Ästhetischen mit der Entwicklung seines Konzepts des Materialismus eng korrespondiert, wobei beide ĂŒber das Prinzip der "Sinnlichkeit" miteinander in Beziehung treten (S. 5). Auf diese Weise avanciert die GesetzmĂ€ĂŸigkeit historischen Fortschreitens zu einer Ă€sthetischen Logik. Im Zuge der Ausarbeitung dieser Logik entgeht der Autor nicht immer der Gefahr, sich in 'marxologischen' Spezialdiskussionen zu verlieren, anstatt die Begriffe fĂŒr ĂŒbergeordnete Fragestellungen produktiv zu machen. Henry Pickford hinterfragt in seinem Aufsatz die hergebrachte Dichotomie zwischen 'poiesis' (Herstellen) und 'praxis' (Handeln), indem er eine dritte Spielart des produktiven Denkens einfĂŒhrt: 'energeia'. Zur eigentlichen These seines Aufsatzes gelangt Pickford allerdings erst nach zehn Seiten Vorbereitung – das gibt einen kleinen Eindruck in die KomplexitĂ€t (und lange Geschichte) der in diesem Band aufgegriffenen Diskurse. Er hat dort seine stĂ€rksten Momente, wo die Autoren den Mut zur Spekulation entwickeln, z. B., wenn Pickford am Ende seines Aufsatzes die Möglichkeit eines spezifisch marxistischen Begriffs Ă€sthetischer Erfahrung erörtert. In diesem Sinne stellt der Beitrag von Sami Khatib ein Musterbeispiel dar: Er geht vom Faszinosum der eigentĂŒmlichen Seinsweise der Warenform – der Realabstraktion – aus und verfolgt die Facetten dieses PhĂ€nomens in ihren vielfĂ€ltigen Verzweigungen, sei es in Theorien der Linguistik oder in paradigmatischen Figurationen der Moderne. Ein Aspekt dieser Seinsweise ist, dass sich Realabstraktion nicht objektivieren lĂ€sst; vielmehr bezeichnet sie ein WahrnehmungsverhĂ€ltnis, das jede Position der Analyse einfasst, einschließlich Marx' eigener. In der Konsequenz enthĂŒllt der "Modus der PrĂ€sentation die Struktur des Untersuchungsgegenstands" (S. 52): Das Problem zeigt sich in der Sprache selbst, es ist sinnlich und ĂŒbersinnlich zugleich. Formen des Denkens spielen auch fĂŒr den letzten Aufsatz der ersten Sektion eine wesentliche Rolle: John F. Hartle geht dem Prinzip der "freien Assoziation" bei Marx und Sigmund Freud nach – das eine Mal als Plan sozialer Ordnung, das andere Mal als Verfahren, Zugang zu den "elementaren KrĂ€ften unbewusster WĂŒnsche" (S. 73) zu erhalten. Angesichts der theoriegeschichtlich Ă€ußerst einflussreichen Kopplung psychoanalytischer und marxistischer ErklĂ€rungsmodelle stellt der Aufsatz einen höchst instruktiven Versuch dar, Verwandtschaften und Unterschiede zwischen ihnen freizulegen – Begriffsarbeit im besten Sinne, die die von RanciĂšre so prĂ€gnant markierten Verbindungen zwischen dem Ästhetischen und dem Politischen aus ungewohnter Perspektive beleuchtet. Die zweite Sektion legt einen stĂ€rkeren Akzent auf die konkrete historische Verortung des marxschen Werkes. EingelĂ€utet wird dieser Abschnitt von Anna-Katharina Gisbertz. In ihrem Beitrag rekonstruiert sie, wie Marx seine Überlegungen ins VerhĂ€ltnis zum dominanten Ă€sthetischen Diskurs seiner Zeit setzt. Das von ihr gezeichnete Bild zeigt dabei einerseits einen Marx, der konservativer daherkommt, als es manchmal den Anschein hat. Andererseits wird so erst verstĂ€ndlich, worin die innovative und transformative Kraft seines Denkens in Bezug auf sein historisches Umfeld gelegen haben mag. In Hayden Whites (hier wiederabgedrucktem) Aufsatz wird Geschichte dann selbst zum Gegenstand des Denkens, das emphatisch selbst historisch verortet ist. White erlĂ€utert zu Beginn, dass er Marx' historiografisches Schreiben eher als kĂŒnstlerische denn als wissenschaftliche TĂ€tigkeit versteht – eine Unterscheidung, die White selbst allerdings mehr als einmal in Zweifel gezogen hat. Im vorliegenden Text demonstriert er an Marx' Schriften spezifische Modi geschichtlichen Denkens: den der Synekdoche und den der Metonymie. Aus dem Zusammenspiel dieser Modi lĂ€sst sich das VerhĂ€ltnis zwischen gesetzmĂ€ĂŸig konstanten ökonomischen Strukturen und ebenso gesetzmĂ€ĂŸig dynamischer langzeithistorischer Entfaltung ableiten. Die Intention des marxschen Vorgehens erkennt White darin, Geschichte in ihrer VerĂ€nderbarkeit erfahrbar zu machen und dadurch seinen Leser auf die Möglichkeit der Entscheidung zurĂŒckzuwerfen. Auf ganz andere Weise (und auch im Tonfall sich deutlich vom Rest des Sammelbands unterscheidend) wird Geschichte im Beitrag von Terrell Carver in Anschlag gebracht: Carver erklĂ€rt, die marxschen Schriften, so weit möglich, vor ihrer Kanonisierung und in ihrer zeitgenössischen Ausrichtung zu lesen und auf ihr politisches Potential befragen zu wollen – was u. a. die Frage aufwirft, wie die intervenierende Funktion polemischen Schreibens theoretisch zu rekonstruieren wĂ€re. Es folgt eine scharfsichtige LektĂŒre des 18. Brumaire, die Carvers rhetorischen Aufwand jedoch nur bedingt zu rechtfertigen vermag. Die produktive Kraft historischer GegenĂŒberstellungen demonstriert Daniel Hartley in seinem Essay, der mit Hilfe von Schillers Briefen Über die Ă€sthetische Erziehung des Menschen einen "Strang Ă€sthetischer Logik" (S. 165) in Marx' politischer Theorie sichtbar zu machen sucht, wĂ€hrend seinerseits Schiller dabei auf neue Weise lesbar wird. Ähnlich wie die (offensichtlichere) Paarung von Marx und Freud setzt eine solche Konfrontation einen imaginativen Überschuss frei, der als stĂ€rkstes Argument fĂŒr die anhaltende Relevanz des marxschen Denkens gelten mag. Wenn von Geschichte die Rede ist, ist im Übrigen positiv hervorzuheben, dass die BeitrĂ€ge des Buches insgesamt sich nicht weiter mit Fragen der periodischen Einteilung (etwa in einen 'frĂŒhen' oder 'spĂ€ten' Marx) aufhalten, sondern ganz auf die Bindekraft der in den AufsĂ€tzen entworfenen gedanklichen Kontexte vertrauen. Die letzte Sektion des Buches widmet sich der kĂŒnstlerischen Reflexion von Marx' Werk, Leben und Wirken. Den Anfang macht ein Aufsatz von Boris Groys. Diesem geht es nun nicht (mehr) um die VerĂ€stelungen der Theorie, sondern darum, den Abstand zwischen der kommunistischen 'Idee' und den historischen Manifestationen dieser Idee auszumessen. In der Kunst, so Groys, realisiere sich der utopische, d. h. der intermediĂ€re Status des kommunistischen Projekts – und zwar nicht nur in ihrer Ă€sthetischen Dimension, sondern eben auch in den Bedingungen ihrer Produktion und Distribution. Die paradigmatische Form, in der sich diese Bedingungen reflektiert finden, ist Groys zufolge die Installation (woraus sich ein Spiel mit der Idee des Bauens am kommunistischen Projekt ergibt). Nach diesen eher grundsĂ€tzlichen ErwĂ€gungen steuert Robin Greeley eine historische Fallstudie bei, welche die Entwicklungen in der mexikanischen Konzeptkunst nach der Niederschlagung der Studentenproteste 1968 untersucht. Auf schlagende Weise, fast wie ein Gegengewicht, macht der Beitrag nicht nur den kulturellen, sondern auch historischen Abstand zwischen der aktuellen Situation und den Debatten sichtbar, die den Großteil des Sammelbandes beschĂ€ftigen. '1968' fungiert dabei wie ein Brennglas, in dem sich diese Diskurse auf eine Weise gebĂŒndelt haben, die uns heute, gerade einmal 50 Jahre spĂ€ter, ihrerseits in höchstem Maße erklĂ€rungsbedĂŒrftig erscheint. Damit ist nicht etwa das Scheitern des Buches diagnostiziert; aber es wird vielleicht deutlich, dass mit diesem Buch vor allem ein Anfang gemacht ist. Erste Schritte, die diesen Abstand adressieren, erfolgen in den letzten beiden AufsĂ€tzen. Der Text von Sven LĂŒtticken befasst sich mit filmischen Auseinandersetzungen mit dem marxschen Werk und dessen Folgen – angesichts der Stellung des Kinos nicht nur in der frĂŒhen Sowjetunion (man denke an Eisensteins Kapital-Projekt) ein zentraler Aspekt des hier verhandelten Themas. Der Fokus des Aufsatzes ist jedoch weder ein filmanalytischer noch ein filmtheoretischer. Dies stellt m. E. ein VersĂ€umnis dar, hat doch die Filmtheorie in zahlreichen AnsĂ€tzen (von Eisenstein ĂŒber Baudry bis Jameson) das VerhĂ€ltnis zwischen dem Ästhetischen und dem Politischen, bzw. der Ökonomie zu formulieren versucht und böte ein entsprechendes Reservoir an Begriffen. Stattdessen ruft LĂŒtticken aktuelle ökonomische Theorien auf, vertreten durch Namen (Negri/Hardt, Boltanski/Chiapello), die im ĂŒbrigen Buch wiederum geradezu auffĂ€llig abwesend bleiben. So wichtig es von einem Marx-Standpunkt aus ist, die ProduktionsĂ€sthetik zu betonen, scheint hier eine Chance vergeben worden zu sein. Den Abschluss macht ein zweiter Aufsatz von Johan F. Hartle, der die Zirkulation und Modulation von 'Marx' in der Kunst verfolgt. Der Name, bzw. 'das' Bild (denn es ist im Wesentlichen nur 'ein' Bild, das wieder und wieder reproduziert wird) hat lĂ€ngst eine Funktion als Chiffre angenommen, die in gewisser Weise im Cover-Design des Sammelbandes wieder aufgegriffen wird, dessen Titel in leuchtenden Neon-Buchstaben eben jene Spannung zwischen radikalem VerĂ€nderungsanspruch und prompter Kommodifizierung auf den Punkt bringt, um die es Hartle geht, und die den Kern des Ă€sthetisch-politischen Paradigmas markiert. So dient der Aufsatz zugleich als passende Zusammenfassung des ganzen Bandes, der sich auf höchst anregende Weise an der Erneuerung dieses Paradigmas versucht – bei aller zuweilen herausfordernden Dichte und auch angesichts des seltsamen Effekts, der sich fĂŒr den deutschsprachigen Leser ergibt, wenn er die ursprĂŒnglich weitgehend auf Deutsch gefĂŒhrten Debatten (von Schiller ĂŒber Freud bis Habermas) in englischer Übersetzung rezipiert. Diese MĂŒhe ist das Buch allemal wert

    Brian Massumi: Politics of Affect.: Cambridge/Malden: Polity 2015. ISBN: 978-0-7456-8982-1. 232 Seiten. € 20,90.

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    Der sogenannte affective turn, der in Medien- und Kulturwissenschaften bereits seit lĂ€ngerem zu verzeichnen ist und mittlerweile auch die Sozialwissenschaften erreicht hat, besitzt ganz offensichtlich politische Implikationen – insbesondere, aber nicht nur, fĂŒr eine Kritik des Neoliberalismus. Diese sind auch von zahlreichen Forschern aufgegriffen und ausformuliert worden, etwa durch Michael Hardt und Antonio Negri, Lauren Berlant, Sara Ahmed oder Nigel Thrift. Der vorliegende Band, eine Sammlung von Interviews mit dem Philosophen und Affekttheoretiker Brian Massumi, verspricht zumindest in seinem Titel, diese Verbindung von Politik und Affekt auf eine systematische Grundlage zu stellen. Massumi gilt als Vorreiter eines vor allem von Deleuze und Spinoza inspirierten Strangs jĂŒngerer Affekttheorie, der vornehmlich ontologisch argumentiert. In dieser Position ist er breit rezipiert und auch vielfach kritisiert worden. Die Interview-Sammlung dient dazu, seinen Ansatz ausfĂŒhrlich und gleichzeitig verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig leicht zugĂ€nglich darzustellen. Die Form des Interviews begĂŒnstigt gewisse Vereinfachungen und tendiert zu einer PlakativitĂ€t von Beispielen und Argumenten; gleichzeitig bĂŒrgt sie aber fĂŒr eine Lebhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit jenseits der MĂŒhen der Ebene. Insofern kommt diese Form dem persuasiven, seinerseits deutlich auf Affizierung angelegten Stil Massumis entgegen. Wie konzeptualisiert Massumi nun das VerhĂ€ltnis zwischen AffektivitĂ€t und Politik? Diese Frage erweist sich schon zu Beginn als falsch gestellt, insofern Massumi zufolge dem Affekt die politische Dimension von vornherein inhĂ€rent ist: In beiden FĂ€llen gehe es um Wandel und VerĂ€nderung – es gelte lediglich, diese Dimension zum Vorschein zu bringen (vgl. S. ix). GrundsĂ€tzlich ist das Programm sehr ambitioniert: Affekt wird einerseits als ontologisches BegrĂŒndungskonzept eingefĂŒhrt, das in letzter Konsequenz an die Stelle sowohl einer Medientheorie als auch einer Theorie des Politischen zu treten vermag – und zielt andererseits klar auf menschliche Erfahrung, die sich in GefĂŒhlen wie Furcht und Stolz manifestiert. Was dabei als politisch verstanden wird, bleibt zunĂ€chst vage: es gehe um "the arena of social order and reorderings, of settlement and resistance, of clampdowns and uprisings" (S. viii–ix). Bestimmungen der jĂŒngeren politischen Philosophie, etwa die Unterscheidung zwischen Politik und dem Politischen, spielen demzufolge kaum eine Rolle. Vielmehr leitet sich aus dieser AufzĂ€hlung eine Tendenz ab, Politik als Feld von IntensitĂ€ten und Energien und politisches Handeln als Aktivismus zu begreifen – eine Tendenz, die schon in der Verwendung des Affektbegriffs angelegt ist: "[
] I use the concept of 'affect' as a way of talking about that margin of manoeuvrability, the 'where we might be able to go and what we might be able to do' in every present situation." (S. 3) Die relationale VerschrĂ€nkung von Körpern in Situationen, nicht das fĂŒhlende und denkende Individuum wird daher als primĂ€r gesetzt – Emotion sei dabei jener begrenzte Anteil affektiver Erfahrung, der aus persönlicher Perspektive Sinn ergibt. Damit legt Massumi eine einerseits elegante und andererseits etwas glatt erscheinende BegrĂŒndung des Politischen vor: Die verkörperte Weise menschlichen Existierens "is never entirely personal [
] it's not just about us, in isolation. In affect, we are never alone." (S. 6) Mit Körpern sind dabei im wesentlichen menschliche Körper gemeint – eine Fokussierung, die so weder bei Spinoza noch bei Deleuze zu finden ist, und die aus medientheoretischer Sicht nicht unmittelbar eingĂ€ngig erscheint. TatsĂ€chlich bringt Massumi seinen Ansatz explizit gegen Theorien medialer Vermittlung in Stellung (denen er vorwirft, den cartesianischen Dualismus zwischen Geist und Körper nur zu ĂŒberbrĂŒcken, nicht aber aufzuheben; vgl. auch den Begriff der Immediation, S. 146–176). Daraus ergibt sich zwangslĂ€ufig die Frage nach der 'NatĂŒrlichkeit' des Affekts und nach dem VerhĂ€ltnis zu Sprache und Diskurs. Hier weicht Massumi aus: "[Affect] includes very elaborated functions like language. There's an affect associated with every functioning of the body, from moving your foot to take a step to moving your lips to make words. Affect is simply a body movement looked at from the point of view of its potential [
]." (S. 7) Man mag diese These als Versuch lesen, Medien- durch Affekttheorie zu ersetzen oder neu zu schreiben – und natĂŒrlich könnte man den Spieß umdrehen und kurzerhand Affekt als Medium konzipieren. Es erscheint jedoch nicht ausreichend, Sprache auf die Produktion von Wörtern, bzw. die Wortproduktion auf die Bewegung der Lippen zu reduzieren. Man ignoriert dabei zumindest eine historische Dimension der Bedeutungskonstitution, die nicht einfach aus der Akkumulation von Körperbewegungen besteht, sondern eine Dynamik eigenen Rechts entfaltet. Diese Blindheit auf dem Auge der Geschichte wird in der Auseinandersetzung mit medialen PhĂ€nomenen besonders deutlich. So eröffnet sich an einigen Stellen die ĂŒberaus interessante Perspektive, das Konzept einer Politik des Affekts mit Jacques RanciĂšres Konzept einer Politik des Ästhetischen zu verknĂŒpfen (z.B. S. 36). Allerdings scheinen sowohl der Politikbegriff als auch jener des Ästhetischen zu eng – und diese enge Konzeption verbaut den Blick auf die historische Tiefendimension, etwa, wenn Massumi das Auftauchen der affektiven Kraft der Medien, bzw. ihres politischen Einflusses, an die Reifephase des Fernsehens bindet (vgl. S. 33) – als hĂ€tten Zeitungen, Kino und Theater stets nur sachliche AufklĂ€rung betrieben, bzw. sich nicht in die Politik eingemischt. Der Sprung von der Ontologie in konkrete Beispiele wird an solchen Stellen nicht genĂŒgend durch Analyse vermittelt – so kann der grundlegende Zusammenhang zwischen Ästhetik und Politik nicht erkannt werden, sondern wird als Anomalie, bzw. als besondere aktivistische Haltung behandelt. Zudem wird die betonte Kontrastierung von Affekttheorie und kritischer Theorie (vgl. S. 14f.) durch die Kritik an der Rolle der Medien im gegenwĂ€rtigen Kapitalismus konterkariert. Andererseits finden sich erhellende Stellen und produktive DenkanstĂ¶ĂŸe; so eröffnet z.B. Massumis Vorschlag, Sprache weniger als KorrespondenzverhĂ€ltnis zwischen Signifikant und Signifikat zu verstehen, sondern eher als Weg, den Bedeutungsexzess affektiver Erfahrung ins Bewusstsein zu heben (vgl. S. 13), zahlreiche Anschlussmöglichkeiten an Ă€sthetische Theorien, die diese historische Dimension betonen. Sprache hĂ€tte demnach die Doppelfunktion, Erfahrung sowohl zu erfassen als auch freizusetzen. Die Fokussierung des menschlichen Körpers gegenĂŒber Körpern anderer Art wirft noch weitere Fragen auf: so erweckt die Rede vom Affekt als "Potential" an vielen Stellen den Anschein, als stehe es den Menschen frei, wie sehr sie dieses Potential zu nutzen gedenken: "Our degree of freedom at any one time corresponds to how much of our experiential depth we can access towards a next step – how intensely we are living and moving." (S. 6) Im Umkehrschluss heißt das: einige leben freier als andere. Und mehr noch: der politische Begriff der Freiheit lĂ€uft in dieser Bestimmung Gefahr, zum Merkmal eines privilegierten, weil irgendwie "intensiveren" LebensgefĂŒhls zu verkĂŒmmern. Das auf das politische Gemeinwesen gerichtete Vermögen des Affekts zur VerĂ€nderung bliebe so zugunsten einer affirmativen Selbstfeier auf der Strecke – egal, wie sehr dieses Selbst sich mit anderen ĂŒberschneidet ("Freedom always comes out of active embeddedness in a complex relational field [
]", S. 161). Sobald Massumi die ontologische Ebene verlĂ€sst um konkret zu werden, gerĂ€t die Verbindung zwischen AffektivitĂ€t und dem Politischen ins Wanken. So vermag z.B. seine Analyse des zeitgenössischen Kapitalismus (Anfang der 2000er formuliert) heute nicht mehr recht ĂŒberzeugen – zu sehr bleibt sie den "buzzwords" (S. 22) der damaligen Zeit verpflichtet. Die von ihm diagnostizierte Tendenz des Warenverkehrs zum Immateriellen, einhergehend mit einem Verlust direkten zwischenmenschlichen Kontakts (vgl. S. 113) passt zwar sehr gut zu seiner theoretischen Agenda, ist jedoch mittlerweile ihrerseits als teleologisches Modell kritisiert worden. Immerhin ist diese diskursive Bewegung symptomatisch dafĂŒr, wie sehr ein Denken des Politischen unter dem Vorzeichen des Affekts zur ökonomischen Analyse wird (und vielleicht werden muss). In diesem Zusammenhang opfert Massumi gelegentlich theoretische PrĂ€zision zugunsten einer zu reibungslos anmutenden Beschreibung affektiver Ökonomien, etwa bezĂŒglich des Ineinandergreifens von Patriotismus und Kapitalismus rund um 9/11 – hier wird nicht klar, wie die "affektive Umformung" ("affective conversion", S. 32) von Furcht vor Terror in Stolz auf das eigene Land vor sich gehen soll. Möglicherweise wird Massumis Projekt eher produktiv, wenn man es als Utopie begreift – Affekt als ĂŒberschĂŒssiges Potential selbst rigide kontrollierter Situationen (S. 58). Entsprechend mĂŒsste man Begriffe wie Mikropolitik (S. 47–82) als Grenzbegriffe verstehen, die sich zwar zeitphilosophisch herleiten, sich aber eben nicht ohne weiteres auf jene PhĂ€nomene ĂŒbertragen lassen, die im AlltagsverstĂ€ndnis 'politisch' sind – etwa auf den Alarmismus der Bush-Regierung nach 9/11. Die Logik der Übertragung operiert hier kumulativ, im Sinne der Formung von Gewohnheiten und Tendenzen. Ein Ereignis ist jedoch mehr als die Summe einzelner Affizierungsakte; es unterbricht den linearen Verlauf der Zeit und öffnet die Sicht auf historische ZusammenhĂ€nge. Damit setzt es kritisches Potential frei, wobei 'kritisch' nicht zufĂ€llig auf den Konnex zwischen Krise und Kritik hinweist. Die pauschale Abgrenzung gegen die kritische Theorie, der Massumi vorwirft, sie objektiviere und fixiere ihren Gegenstand auf unzulĂ€ssige Weise, erscheint so als fatale Beschneidung des affekttheoretischen Ansatzes. Massumi verkennt, dass wahre Kritik, wie etwa Jean-Luc Nancy betont, stets aus der Notlage, aus der Krise heraus operiert und sich daher den Standpunkt immer erst erarbeiten muss, von dem aus geurteilt werden kann. Ein solcher fester Standpunkt trĂ€gt fĂŒr Massumi den Namen der Moral und vor allem den der Emotion, die als Gegenbegriff zum Affekt aufgebaut wird. Sie lenke die Energie des Affekts in konventionelle Bahnen, lasse das mit ihm verbundene Potential verkĂŒmmern. Hierin liegt schließlich die affekttheoretische Crux von Massumis Politikbegriff: ohne eine Instanz, die aus dem Affektgeschehen Sinn extrahiert, sich positioniert und zustimmt oder ablehnt, ist nicht ersichtlich, wie eine Intervention in die reibungslosen KreislĂ€ufe der Affektökonomien – und damit politisches Handeln – möglich sein soll. Eine solche Instanz muss dazu mit dem Diskurs in Beziehung treten, ohne dass sie zwangslĂ€ufig rationalisierend wirken mĂŒsste (vgl. S. 115). Das transformative Potential des Affekts braucht Akte der Aneignung, braucht den Widerstand eines Urteils, soll es politisch wirksam werden. Keineswegs wĂ€re es dazu erforderlich, das psychologische Individuum primĂ€r zu setzen. Erforderlich wĂ€re aber eine Analyse der Handlungsweisen unter dem Gesichtspunkt der Hervorbringung des Neuen und der Konstitution historischer ErfahrungsrĂ€ume. Massumis detaillierte Beschreibungen affektiver VollzĂŒge sind dazu ein erster Schritt. Der Wert des Buches bestĂŒnde, so gesehen, nicht darin, dass Massumi fertige Rezepte fĂŒr die Formulierung einer Theorie des Politischen lieferte – darin liegt auch gewiss nicht seine Absicht. Ihre ProduktivitĂ€t entfalten könnten seine Überlegungen als radikaler Grenzanspruch, der beispielsweise keine simple Abgrenzung einer 'SphĂ€re' des Politischen oder der Öffentlichkeit mehr erlauben wĂŒrde. Obwohl also der "turn to affect" keineswegs eine neue Erscheinung ist, und obwohl das vorliegende Buch Massumis durchaus kontroversen Ansatz erschöpfend zu behandeln scheint, wĂ€re damit eher ein Anfang gemacht als das letzte Wort in Sachen "Politik des Affekts" gesprochen

    How Does Arriving Feel? Modulating a Cinematic Sense of Commonality

    No full text
    The essay begins by identifying basic problems in current research on so-called “Turkish-German cinema.” It argues that current research is dominated by a representational understanding of the cinematic image which produces false conclusions regarding the relation between cinematic images and social reality, and that “Turkish-German cinema” has primarily been treated as a separate genre without due problematizing or concrete grounding in theory. Proceeding from this diagnosis, the essay develops a conceptual perspective which aims at theoretically realigning the relation between migration discourses and audiovisual media production. This project works along two lines: the methodological line aims at closely analyzing cinematic form with regard to its expressive dimension, while the theoretical line understands cinematic images as appropriations of globally circulating forms and patterns. This dimension of audiovisual discursivity has to be reconstructed analytically before films can be read as negotiations of cultural identity. These methodological and theoretical considerations are applied through the close analysis of the film Almanya – Welcome to Germany
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