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Morphometrische und molekularbiologische Erfassung und Untersuchung von Wildpflanzenpopulationen in Nordrhein-Westfalen als pflanzengenetische Ressourcen
Zur Beurteilung der Variabilität von Wildpflanzenpopulationen in Nordrhein-Westfalen – als Grundlage für die Erstellung eines Schutzkonzeptes zur In-situ-Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen – wurden exemplarisch drei Arten untersucht: Echter Feldsalat (Valeriaella locusta (L.)LATERR.), Wiesen-Kümmel (Carum carvi L.) und Hopfen (Humulus lupulus L.). Um nach Möglichkeit zu generalisierbaren Aussagen zu kommen, wurden Arten mit unterschiedlichen Fortpflanzungstypen und Lebensformen ausgewählt. Während Valerianella einjährig und nahezu ausschließlich selbstbefruchtend ist, handelt es sich bei Carum und Humulus um Fremdbefruchter, die zweijährig bzw. ausdauernd sind. Die Fundorte aller ausgewählten Vorkommen wurden punktgenau lokalisiert und standörtlich dokumentiert. Zur Beurteilung der innerartlichen Variabilität der verschiedenen Pflanzenarten wurden sowohl morphometrische als auch molekulargenetische (RAPD-PCR) Untersuchungen durchgeführt. Zur Bewertung ihrer Eignung als genetische Ressource für die Pflanzenzüchtung wurden die Arten zudem - in Kooperation mit Züchtern - auf relevante Inhaltsstoffe und auf ihr Verhalten gegenüber Pathogenen geprüft. Um das Verhältnis zwischen den natürlichen Populationen und Kultursorten zu klären, wurden von jeder Art auch zehn derzeit im Anbau befindliche Sorten untersucht. Die Untersuchungen zur morphologischen Diversität wurden in situ und ex situ durchgeführt. Bei allen erhobenen Merkmalen ließ sich Diversität sowohl hinsichtlich der morphologischen und genetischen Merkmale als auch hinsichtlich der züchterischen Qualitäten feststellen. Die größte Variabilität fand sich dabei i.d.R. zwischen den Populationen, während die Individuen innerhalb einer Population meist einander relativ ähnlich waren. Während bei den drei untersuchten Arten die 'Variabilität insgesamt' beim Kümmel am größten und beim Feldsalat am geringsten war, war der 'Anteil der Variabilität' zwischen den Populationen beim selbstbefruchtenden Feldsalat am größten, während der zweijährige, fremdbefruchtende Kümmel eine etwa gleich große Variabilität zwischen den Populationen wie innerhalb von ihnen aufwies. Die Ergebnisse aus beiden Disziplinen – Morphologie und Genetik - ermöglichten eine Unterscheidung der verschiedenen Populationen. Bei den morphologischen Untersuchungen war dafür jedoch ein Anbau unter gleichartigen Bedingungen erforderlich, da standortbedingte Merkmalsausprägungen (Modifikationen) die trennenden Eigenschaften – meist Kombinationen mehrerer Merkmale - i.d.R. verdeckten. Eindeutige Korrelationen zwischen genetischer Distanz und geographischer Distanz konnten nicht nachgewiesen werden. Gleiches gilt für Korrelationen zwischen genetischer und morphologischer Ähnlichkeit und der Zugehörigkeit zu bestimmten Großlandschaften oder zu bestimmten Standortfaktoren. Die genetischen und die morphologischen Ergebnisse stimmten bezüglich der meisten Aussagen gut überein. Dies zeigt, daß molekulargenetische Untersuchungen zur Variabilität von Pflanzen – wenngleich überwiegend im nicht kodierenden Teil des Genoms lokalisiert – Aussagen zur Variabilität des Phänotyps liefern.Hinsichtlich züchterisch relevanter Eigenschaften zeigten alle drei Arten interessante Ergebnisse: Die Inhaltsstoffanalysen bei Kümmel und Hopfen ergaben für viele der Wild-Populationen ähnlich gute Werte wie die der Kultursorten. Die Tests zum Verhalten der Wildvorkommen gegenüber Pathogenen zeigten, daß es auch hier bei allen drei Arten Populationen gibt, die ähnlich gute Eigenschaften wie die Sorten aufweisen. Beim Hopfen konnte darüber hinaus eine bislang unbekannte Resistenz gegen ein wichtiges artspezifisches Pathogen gefunden werden. Der genetische Vergleich der natürlichen Populationen mit den Kultursorten ergab für die drei Arten ein differenziertes Bild: Bei Valerianella und Carum wiesen die Kultursorten kaum eigene Eigenschaften auf, die die natürlichen Populationen nicht auch zeigten. Andererseits fehlten den Sorten eine ganze Reihe von Markern (bins), die bei den natürlichen Populationen vorkamen. Die Variabilität der Sorten war somit insgesamt geringer als die der natürlichen Populationen und stellte nur eine relativ kleine Teilmenge des untersuchten Genpools dar (der wiederum auch nur ein kleiner Teil des Gesamtgenpools der jeweiligen Art ist). Die Ergebnisse beim Hopfen spiegeln die längere und intensivere Züchtung bei dieser Art wider. So umfassen die Sorten auch hier nur einen geringen Teil des insgesamt vorhandenen Genpools, doch war die genetische Distanz zwischen den Sorten größer, und es zeigten sich zudem eine Reihe sortenspezifischer Eigenschaften. Im Gegensatz zu den beiden anderen Arten steht daher die Gruppe der Hopfensorten genetisch deutlich abseits der natürlichen Populationen. Aus den Ergebnissen lassen sich verschiedene Konsequenzen für den Naturschutz ableiten. Da die größte genetische Diversität zwischen den Populationen der betreffenden Arten ermittelt wurde, sollte die Populationsebene in modernen Schutzkonzepten verstärkt Berücksichtigung finden. Einzelne Populationen repräsentieren jeweils unabhängig von ihrem Standort – naturnah oder ruderal – nur einen Teil des gesamten Genpools einer Art. Neue Konzeptionen zur Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen sollten deshalb auch bisher nicht oder wenig beachtete Biotoptypen berücksichtigen. Von Bedeutung für die züchterische Praxis ist, daß die auf allen Ebenen ermittelte Diversität auch züchterisch relevante Eigenschaften betrifft. Die Existenz solcher Daten ermöglicht es, bei der Einkreuzung von Wildmaterial in Kultursorten auf genetisch und morphologisch charakterisierte Accessionen bekannter Herkunft zurückzugreifen und gezielter vorzugehen zu können