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    Reigoldswil: Eine anthropologische Untersuchung zweier Gräberfelder aus dem 7.-13. Jh

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    Die Gemeinde Reigoldswil liegt im nordwestlichen Jurabogen der Nordwestschweiz auf einer Höhe von 420–545 m. ü. M. Diese mittleren Höhenlagen wurden nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches erst wieder ab dem 7. Jh. besiedelt. Umso erstaunlicher ist es, dass in Reigoldswil gleich zwei Gräberfelder dieser Zeitstellung angelegt worden sind, die auch archäologisch untersucht werden konnten. Zur anthropologischen Analyse gelangten aus dem Gräberfeld Bergli 97 Individuen und aus dem Gräberfeld Kilchli 198 Individuen aus insgesamt 156 Gräbern. Die Radiokarbondatierung (n = 46) erlaubt eine zeitliche Eingrenzung zwischen dem 7. und 13. Jh. für den Grossteil der Gräber, wobei im Kilchli die Bestatteten in zwei Gruppen (A und B) eingeteilt werden konnten, die sich aus Bestattungen vor und nach 1000 n. Chr. zusammensetzen. Das Gräberfeld Bergli wurde nach 900 n. Chr. wohl nicht mehr als Bestattungsplatz genutzt. Die Untersuchung der menschlichen Reste erfolgte morphologisch mit Hilfe etablierter Methoden (Grupe et al., 2015). Die Geschlechts- und Sterbealtersbestimmung, die Körperhöhen sowie allfällige krankhafte Veränderungen an den Knochen wurden aufgenommen. Gleichzeitig wurden 171 Knochen für die Analyse der stabilen Isotopenverhältnisse von Kohlenstoff, Stickstoff, Schwefel und Wasserstoff beprobt. Die Kollagenextraktion erfolgte nach den Methoden von Longin und Ambrose (Longin, 1971; Ambrose, 1990). Anhand der morphologischen Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass in beiden Gräberfeldern doppelt so viele Männer bestattet wurden wie Frauen. Die Altersverteilung der verstorbenen Individuen unterschied sich sehr stark zwischen den Gräberfeldern. Im Kilchli konnte für die beiden Stichproben A und B ein hoher Anteil an Kinderbestattungen, insbesondere an Säuglings- und Kleinkinderbestattungen belegt werden. Die Frauen und Männer dieser Fundstelle wurden tendenziell auch älter als im Bergli. Die Körperhöhen der Individuen aus der Teilgruppe Kilchli A zählten zu den höchsten in Reigoldswil, sowohl für die Frauen wie auch für die Männer. Die Stressmarker Cribra orbitalia und porotische Hyperostose wurden gleich häufig an den Kindern der Stichproben A und B angetroffen wohingengen periostale Reaktionen vor allem an den Langknochen aus der Teilgruppe B festgestellt wurden. Die Gelenkbelastungen der Männer aus dem Bergli und Kilchli A waren sich sehr ähnlich und seitlich ausgewogen, wohingegen die Männer aus dem Kilchli B ein einseitiges Belastungsmuster zeigten. Das Gelenkbelastungsmuster der Bergli-Frauen ähnelte demjenigen der Frauen aus Kilchli B. Somit übten die Frauen der Gruppe Kilchli A andersartige Bewegungsabläufe aus. In allen drei Stichproben der Frauen waren einseitige Belastungen feststellbar. Die Kariesintensität war relativ hoch, wobei die Bergli-Individuen am geringsten und diejenigen der Teilgruppe Kilchli B am höchsten betroffen waren. Die Individuen aus dem Gräberfeld Bergli wiesen doppelt so viele periapikale Prozesse auf. Die Ernährungsstrategien konnten über die Analyse der Kohlenstoff- und Stickstoffisotopenverhältnisse untersucht werden. Die Unterschiede zwischen den erwachsenen Individuen beider Fundstellen und zwischen den Teilgruppen waren minim und wenig signifikant ausgebildet. Der Trophiestufeneffekt musste für alle drei Stichproben als gering angesprochen werden. Unterschiede in den Schwefelisotopenverhältnissen zwischen den Männern und Frauen wie auch den Kindern waren signifikant in den Testgruppen Kilchli A und B. Die Wasserstoffisotope aller Individuen deckten ein grosses Spektrum ab und wiesen einem Teil der Individuen beider Gräberfelder eine Herkunft rheinabwärts aus dem Oberen Rheingraben zu. Die Untersuchung des menschlichen Skelettmaterials lieferte einige Hinweise darauf, dass im Kilchli während des 8. Jh., wie von der Archäologie postuliert, eine neue Welle der Besiedlung stattfand. Zwei der frühesten Bestattungen zeigen hier noch lokale Wasserstoffisotopenverhältnisse, die bei den später datierten Individuen nicht mehr angetroffen werden konnten. Die These, dass sich im Kilchli vor der Jahrtausendwende eine wohlhabende Familie niederliess, konnte aufgrund der anthropologischen Untersuchung nicht verworfen werden. Einige Unterschiede zwischen den beiden Gruppen Bergli und Kilchli A, wie in der Körperhöhe oder im Gesundheitszustand, könnten für eine soziale Differenzierung sprechen. Sie sind aber statistisch nicht signifikant. In der geographischen Herkunft scheinen sich die Individuen beider Gräberfelder kaum zu unterscheiden

    A Possible Case of Möller-Barlow Disease in Northwestern Switzerland (7th Century)

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    The excavation site Reigoldswil is located at 550 m above sea level on the Jura chain hillside in north-western Switzerland. The mountains divide the Rhine valley from an agriculturally rich region. The origin of the village lies in the early medieval time. Until now the skeletons of one cemetery have been morphologically studied. Around 216 individuals were excavated from under the foundation walls of a church and in the open field. They date to the 7/8th up to the 10th century. The striking part is the high amount of subadult (0-18 years) individuals with 58% (n=126). One of these children, an approximately 1.5 year old toddler from the 7th century, was buried in a stone cist. Its bones show morphological traces like porotic lesions of the greater wings of the sphenoidale, the squama, the mandibule and the scapula as new bone formation on both femora and tibiae. These signs could be an indicator for Möller-Barlow disease (Ortner 2003, Brickley and Ives 2008, Stark in press). As scurvy is associated with an insufficient intake of vitamin C, malnutrition must be assumed. A reason might be the geographic location or/and a harsh climat with crop failure and famine the first settler had to face. Besides the morphological diagnose amino acids of the bone collagen have been analyzed (Kramis et. al.). Further examinations, such as radiocarbon dating and stable isotope ratios (C, N, O, S) to specify nutrition, are planned

    „Extra locos sepulturae“ – Literaturreview zu römerzeitlichen Perinatenfunden auf dem Gebiet der heutigen Schweiz

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    Finds of remains of newborns inside Roman settlements are a widespread phenomenon in the Imperium Romanum, including presentday Switzerland. Since the publication of the last review article (Berger 1993) numerous new finds have been made. Therefore it seems important to summarize archaeological and anthropological parameters again, and to re-assess them collectively. During a literature review a total of 262 cases were collected. Similarities as well as differences in the funerary practices become evident. A combination of inhumation, single deposit/grave, and absence of grave goods is the least common denominator in the funerary treatment of individuals who died around the time of birth. However, methods of classical physical anthropology are limited. Histological and biochemical methods are promising and may allow further statements in the future, e.g. with regard to the differentiation between live and still births. In order to evaluate possible correlations between archaeological and anthropological parameters, findings from settlements and cemeteries that are documented in situ as well as a sustainable theoretical framework are required.Überreste von im perinaten Alter verstorbenen Kindern aus römerzeitlichen Siedlungskontexten sind ein weitverbreitetes Phänomen im Imperium Romanum. Dies gilt auch für das Gebiet der heutigen Schweiz. Seit Erscheinen der letzten Forschungsübersicht (Berger 1993) sind zahlreiche Nachweise hinzugekommen. Es erscheint daher wichtig, archäologische und anthropologische Parameter erneut übersichtlich zusammenzufassen und gemeinsam zu bewerten. Im Rahmen einer Literaturrecherche konnten 262 Nachweise zusammengetragen werden. Es zeigen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Totenbehandlung. Als kleinster gemeinsamer Nenner für den Umgang mit perinat verstorbenen Kindern gelten die Kombination aus Inhumation, Einzeldeponierung/-grab und Beigabenlosigkeit. Methoden der klassischen physischen Anthropologie sind essentiell aber begrenzt. Zukünftig versprechen histologische und biochemische Analysenmethoden weiterführende Aussagemöglichkeiten, etwa hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Lebend- und Totgeburt. Voraussetzung für die Prüfung möglicher Korrelationen zwischen archäologischen und anthropologischen Parametern bilden am ehesten in situ dokumentierte Befunde sowohl aus Siedlungskontexten als auch aus Friedhöfen sowie tragfähige Theoriegerüste

    Einzelgräber und Skelettfunde aus Vindonissa: Archäologie, Anthropologie, Aufbewahrung

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    Bei Ausgrabungen in Vindonissa fand und findet man immer wieder menschliche Skelette oder Skelettteile, einzeln oder in kleinen Gruppen. Viele von ihnen waren mangels Beifunden bislang nicht datiert. Für vorliegenden Aufsatz wurden zahlreiche Skelette im Sammlungsbestand ermittelt, erstmals C14-datiert und anthropologisch untersucht. Das zeitliche Spektrum beginnt in der Spätlatènezeit und hat einen deutlichen Schwerpunkt in der mittleren und späten römischen Kaiserzeit. Ein 1985 entdecktes Massengrab lässt sich nun sicher dieser Zeitspanne zuordnen. Skelettfunde aus der Neuzeit könnten mit den Koalitionskriegen der napoleonischen Zeit zusammenhängen
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