Musiktheorie als Metatheorie

Die Frage, wie Musiktheorien unterschiedlicher Provenienz und Charakteristik auf eine Weise miteinander verknüpft werden können, die ebenso aus fachwissenschaftlicher wie aus wissenschaftstheoretischer Perspektive akzeptabel erscheint, gewinnt für die zunehmend ausdifferenzierte Musiktheorie der Gegenwart mehr und mehr an Bedeutung. Der Beitrag geht dieser Frage nach, indem er erstens diverse Strategien des Umgangs mit theoretischer Diversität in der Analyse referiert und kritisiert, zweitens auf das Inkommensurabilitätsproblem verweist, das sich im Rahmen von Theorierezeption stellt, drittens fünf Thesen zur modifizierenden Theorierezeption diskutiert und viertens Metatheorie als Instrument eines unabschließbaren Prozesses der Selbstreflexion von Theorie konzeptualisiert.The question of how theories of different origin and characteristics can be combined in a way that seems acceptable for music theorists as well as for philosophers of science is gaining more and more importance for the increasingly differentiated music theory of the present day. The article examines this question first by describing and criticizing various strategies of dealing with theoretical diversity in analysis; second, by referring to the incommensurability problem arising in the context of theory reception; third, by discussing five theses on modified theory reception; and finally, by conceptualizing metatheory as an interminable process of selfreflection of theory

Prozess und Struktur im 2. Satz des Klavierkonzerts A-Dur KV 488 von Wolfgang Amadeus Mozart

Das Thema dieses langsamen Satzes ist asymmetrisch: Sein Nachsatz ist doppelt so lang wie sein Vordersatz. Eine genetisch-rekonstruktive Analyse zeigt den Nachsatz als Auskomponierung einer Mittelgrundstruktur, die auch in auskomponiertem Zustand nicht mehr als vier Takte zu messen bräuchte. Diese Deutung allerdings besagt nichts über die innerkompositorischen Gründe der besagten Asymmetrie – eine explanatorische Lücke, die der vorliegende Beitrag durch eine quasi Schönberg’sche Deutung des strukturanalytischen Befundes zu füllen sucht: Der Vordersatz des Mozart’schen Themas enthält einen verborgenen dreistimmigen Kanon. Eine Stimme dieses Kanons bricht vorzeitig ab. Der erste Melodieton des Nachsatzes reagiert auf diese Störung, indem er die letzte stehengelassene Tonhöhe dieser Stimme aufgreift. Dies aber erzeugt eine neuerliche Störung, die hinreichend auszubalancieren voller acht Takte bedarf.The theme of this slow movement is asymmetrical: its consequent is twice as long as its antecedent. A genetic-reconstructive analysis reveals the consequent to be a composing-out of a middle-ground structure that would need not measure more than four bars when fully composed. This interpretation, however, says nothing about the true compositional reasons for the asymmetry in question. The present contribution attempts to fill this explanatory gap using a quasi-Schoenbergian interpretation of the analyzed structure: the opening movement of Mozart's theme contains a hidden three-part canon, except that one voice of this canon breaks off prematurely. The first melody tone of the consequent reacts to this disturbance by picking up where the other voice left off. This, however, creates a new disturbance that requires eight bars to be sufficiently balanced

23. Die Strafbarkeit der vorschriftswidrigen Entwertung von Versicherungsmarken.

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Prozess und Struktur im 2. Satz des Klavierkonzerts A-Dur KV 488 von Wolfgang Amadeus Mozart

Das Thema dieses langsamen Satzes ist asymmetrisch: Sein Nachsatz ist doppelt so lang wie sein Vordersatz. Eine genetisch-rekonstruktive Analyse zeigt den Nachsatz als Auskomponierung einer Mittelgrundstruktur, die auch in auskomponiertem Zustand nicht mehr als vier Takte zu messen bräuchte. Diese Deutung allerdings besagt nichts über die innerkompositorischen Gründe der besagten Asymmetrie – eine explanatorische Lücke, die der vorliegende Beitrag durch eine quasi Schönberg’sche Deutung des strukturanalytischen Befundes zu füllen sucht: Der Vordersatz des Mozart’schen Themas enthält einen verborgenen dreistimmigen Kanon. Eine Stimme dieses Kanons bricht vorzeitig ab. Der erste Melodieton des Nachsatzes reagiert auf diese Störung, indem er die letzte stehengelassene Tonhöhe dieser Stimme aufgreift. Dies aber erzeugt eine neuerliche Störung, die hinreichend auszubalancieren voller acht Takte bedarf.The theme of this slow movement is asymmetrical: its consequent is twice as long as its antecedent. A genetic-reconstructive analysis reveals the consequent to be a composing-out of a middle-ground structure that would need not measure more than four bars when fully composed. This interpretation, however, says nothing about the true compositional reasons for the asymmetry in question. The present contribution attempts to fill this explanatory gap using a quasi-Schoenbergian interpretation of the analyzed structure: the opening movement of Mozart's theme contains a hidden three-part canon, except that one voice of this canon breaks off prematurely. The first melody tone of the consequent reacts to this disturbance by picking up where the other voice left off. This, however, creates a new disturbance that requires eight bars to be sufficiently balanced

Musiktheorie als Metatheorie

Die Frage, wie Musiktheorien unterschiedlicher Provenienz und Charakteristik auf eine Weise miteinander verknüpft werden können, die ebenso aus fachwissenschaftlicher wie aus wissenschaftstheoretischer Perspektive akzeptabel erscheint, gewinnt für die zunehmend ausdifferenzierte Musiktheorie der Gegenwart mehr und mehr an Bedeutung. Der Beitrag geht dieser Frage nach, indem er erstens diverse Strategien des Umgangs mit theoretischer Diversität in der Analyse referiert und kritisiert, zweitens auf das Inkommensurabilitätsproblem verweist, das sich im Rahmen von Theorierezeption stellt, drittens fünf Thesen zur modifizierenden Theorierezeption diskutiert und viertens Metatheorie als Instrument eines unabschließbaren Prozesses der Selbstreflexion von Theorie konzeptualisiert.The question of how theories of different origin and characteristics can be combined in a way that seems acceptable for music theorists as well as for philosophers of science is gaining more and more importance for the increasingly differentiated music theory of the present day. The article examines this question first by describing and criticizing various strategies of dealing with theoretical diversity in analysis; second, by referring to the incommensurability problem arising in the context of theory reception; third, by discussing five theses on modified theory reception; and finally, by conceptualizing metatheory as an interminable process of selfreflection of theory

Musiktheorie als Metatheorie

Die Frage, wie Musiktheorien unterschiedlicher Provenienz und Charakteristik auf eine Weise miteinander verknüpft werden können, die ebenso aus fachwissenschaftlicher wie aus wissenschaftstheoretischer Perspektive akzeptabel erscheint, gewinnt für die zunehmend ausdifferenzierte Musiktheorie der Gegenwart mehr und mehr an Bedeutung. Der Beitrag geht dieser Frage nach, indem er erstens diverse Strategien des Umgangs mit theoretischer Diversität in der Analyse referiert und kritisiert, zweitens auf das Inkommensurabilitätsproblem verweist, das sich im Rahmen von Theorierezeption stellt, drittens fünf Thesen zur modifizierenden Theorierezeption diskutiert und viertens Metatheorie als Instrument eines unabschließbaren Prozesses der Selbstreflexion von Theorie konzeptualisiert.The question of how theories of different origin and characteristics can be combined in a way that seems acceptable for music theorists as well as for philosophers of science is gaining more and more importance for the increasingly differentiated music theory of the present day. The article examines this question first by describing and criticizing various strategies of dealing with theoretical diversity in analysis; second, by referring to the incommensurability problem arising in the context of theory reception; third, by discussing five theses on modified theory reception; and finally, by conceptualizing metatheory as an interminable process of selfreflection of theory

Prozess und Struktur im 2. Satz des Klavierkonzerts A-Dur KV 488 von Wolfgang Amadeus Mozart

Das Thema dieses langsamen Satzes ist asymmetrisch: Sein Nachsatz ist doppelt so lang wie sein Vordersatz. Eine genetisch-rekonstruktive Analyse zeigt den Nachsatz als Auskomponierung einer Mittelgrundstruktur, die auch in auskomponiertem Zustand nicht mehr als vier Takte zu messen bräuchte. Diese Deutung allerdings besagt nichts über die innerkompositorischen Gründe der besagten Asymmetrie – eine explanatorische Lücke, die der vorliegende Beitrag durch eine quasi Schönberg’sche Deutung des strukturanalytischen Befundes zu füllen sucht: Der Vordersatz des Mozart’schen Themas enthält einen verborgenen dreistimmigen Kanon. Eine Stimme dieses Kanons bricht vorzeitig ab. Der erste Melodieton des Nachsatzes reagiert auf diese Störung, indem er die letzte stehengelassene Tonhöhe dieser Stimme aufgreift. Dies aber erzeugt eine neuerliche Störung, die hinreichend auszubalancieren voller acht Takte bedarf.The theme of this slow movement is asymmetrical: its consequent is twice as long as its antecedent. A genetic-reconstructive analysis reveals the consequent to be a composing-out of a middle-ground structure that would need not measure more than four bars when fully composed. This interpretation, however, says nothing about the true compositional reasons for the asymmetry in question. The present contribution attempts to fill this explanatory gap using a quasi-Schoenbergian interpretation of the analyzed structure: the opening movement of Mozart's theme contains a hidden three-part canon, except that one voice of this canon breaks off prematurely. The first melody tone of the consequent reacts to this disturbance by picking up where the other voice left off. This, however, creates a new disturbance that requires eight bars to be sufficiently balanced