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    Medizin als Wissenschaft - eine wissenschaftstheoretische Analyse

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    Gegenstand dieses Beitrags ist eine Auseinandersetzung mit der Wissenschaftlichkeit der Medizin. Den Leitfaden der Analyse bildet dabei ein jüngerer Ansatz in der analytischen Wissenschaftstheorie, wonach Systematizität als zentrales Kriterium von Wissenschaft anzusehen ist (Hoyningen-Huene 2013). Ich werde im Detail zeigen, dass die Medizin dieses mehrdimensionale Kriterium insgesamt erfüllt, dass aus der Wissenschaftlichkeit der Medizin aber gleichwohl normative Konsequenzen folgen, die beispielsweise zur Abgrenzung von der Homöopathie und einer kritischen Bewertung des biopsychosozialen Modells führen. Zudem resultieren der Anwendungscharakter der Medizin und die zentrale Bedeutung des Arzt-Patienten-Verhältnisses nicht in einer Schwächung des Anspruchs der Medizin als Wissenschaft

    Datengetriebene Identifikation von immunologischen und ernährungsbezogenen Expositionsmustern für atopische Erkrankungen im Kindesalter mittels latenter Klassenanalysen.

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    Die latente Klassenanalyse (LCA) ist ein statistisches, datengetrieben-exploratives Clusterverfahren für die integrative Betrachtung komplexer, latenter Phänomene hinter messbaren Variablen und impliziert verschiedene Vorteile gegenüber hypothesengetriebenen Subgruppenanalysen. Somit ist sie auf dem Gebiet der Asthma- und Allergieforschung prädestiniert, um jenseits etablierter Taxonomien neue oder präzisere (Expositions-) muster oder klinisch relevante Phänotypen zu eruieren, die in der medizinischen Praxis und im Public Health-Kontext für ein tieferes ätiologisches Verständnis des Krankheitsbildes, und darauf aufbauend für die Entwicklung maßgeschneiderter Präventions- und Therapieansätze, Bedeutung gewinnen könnten. Im ersten Teil dieser Arbeit wird auf zwei Studien eingegangen, die mittels einer LCA versuchten, Atopie im Vorschulter zu phänotypisieren. Atopie ist eine übersteigerte IgE-vermittelte Immunantwort und atopisches Asthma im Kindesalter eine der häufigsten Erkrankungen mit hoher Krankheitslast, trotzdem bleibt die Wechselbeziehung beider Phänomene unklar, möglicherweise, weil beide Zustände aus einer Vielzahl von individuellen Pathologien mit komplexen Interferenzen resultieren können. Die Integration der Dimensionen Stärke, Spezifität, und Verlauf atopischer Sensibilisierung erbrachte in vier unabhängigen Populationen quantitativ und qualitativ vergleichbare, genuine Klassen. In Bezug auf das Risiko damit assoziierter allergischer Erkrankungen waren dies gutartige, symptomatische und schwere Atopie-Phänotypen, die auch eine spezifischere Risiko-Stratifikation als klinisch etablierte Einteilungen zeigten. Der schwere Phänotyp („severe atopy“) trat als latenter Zustand mit Anzeichen einer dysbalancierten Immunantwort hervor. Das sehr hohe Risiko für Asthma und weitere atopische Erkrankungen wurde vermittelt durch übermäßige sIgE-Produktion und sehr hohe Gesamt- und spezifische IgE-Werte im Alter von 5 bzw. 6 Jahren, insbesondere auf saisonale Allergene. Zudem erklärte dieser Phänotyp direkt, und nicht das mit diesem stark assoziierte Asthma, die eingeschränkte Lungenfunktion betroffener Kinder. Als anfällig für Umweltfaktoren erwies sich der inhalativ-symptomatische Phänotyp, dessen Größe mitbestimmend für unterschiedliche Prävalenzen atopischer Erkrankungen in ungleich entwickelten Ländern war. Die differentiellen Assoziationen der latenten Klassen mit atopischen Erkrankungen und genetischer T1D-Anfälligkeit könnten auf unterschiedliche immunologische Mechanismen hinweisen, die die verschiedenen Formen der Atopie mit Allergie und Autoimmunität verbinden. Mögliche Ansätze in Richtung Früherkennung und Therapie könnten dabei etwa ein frühes Screening des inkrementellen IgE-Anstieges, als auch den frühen gezielten und spezifischen Einsatz von Anti-IgE-Therapien umfassen. Im zweiten Teil dieser Arbeit wird eine Studie vorgestellt, in der wir durch die systematische Beurteilung der Fütterungsmuster im ersten Lebensjahr mittels einer LCA eine Konstellation von übermäßigem Fleischkonsum auf Kosten anderer Proteinquellen („unbalanced meat consumption“/UMC) in zwei unabhängigen Geburtskohorten entdeckten, die durch ein wesentlich erhöhtes Asthmarisiko im Schulalter gekennzeichnet war und sich auch auf objektive Lungenfunktionsparameter auswirkte. Mit Hilfe von Mikrobiomanalysen identifizierten wir den bakteriellen Eisenstoffwechsel als wahrscheinlichen Faktor für das gesundheitsschädliche Phänomen. Das Zusammenspiel zwischen aus der Nahrung zugeführtem Eisen und übermäßigem Wachstum potenziell nachteiliger Bakterien auf der einen Seite und Abwehrmechanismen, die möglicherweise durch aus dem Nahrungsmittel Milch gewonnene Proteine auf der anderen Seite unterstützt werden, könnte die nachgewiesene Wechselwirkung von Fleisch- und Milchaufnahme (UMC) für das Asthmarisiko erklären. Somit liefert diese Studie neue Denk- und Forschungsansätze für die das menschliche Mikrobiom miteinbeziehende Ernährungswissenschaft. Zusammengenommen haben wir in zwei Studien den Ansatz der latenten Klassenanalyse verwendet, um unvoreingenommen die komplexen, latenten Phänomene „Atopie im Vorschulalter“ und „Stile der Nahrungsmitteleinführung im ersten Lebensjahr“ zu analysieren. Die so mögliche Integration verschiedener Dimensionen dieser Konstrukte unter Einbeziehung möglicher Interaktionen höherer Ordnung erbrachte jeweils genuine Muster bzw. Phänotypen aus dem immunologischen und ernährungswissenschaftlichen Gebiet, die von hoher klinischer und gesundheitswissenschaftlicher Bedeutsamkeit für Asthma und andere atopische Erkrankungen sind

    Longitudinale in vivo Charakterisierung patientenabgeleiteter Kolonkarzinom-Modelle mittels PET und die Evaluierung von Seneszenz-spezifischen Tracern

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    Bei der Bekämpfung von Krebs hält die sogenannte „personalisierte Medizin“ immer mehr Einzug in die klinischen Anwendungen. Dabei ist die Individualität jedes einzelnen Tumors die wichtigste Erkenntnis. Als nichtinvasives, molekulares und funktionales, bildgebendes Verfahren spielt Positronenemissionstomographie (PET) hinsichtlich der personalisierten Medizin eine große Rolle. Mittels zielgerichteter Tracer lassen sich bestimmte Eigenschaften einzelner Tumore visualisieren. Dadurch können die Therapien möglichst effektiv und individuell angepasst werden. Eine dieser Eigenschaften ist der heutzutage anerkannte therapeutische Endpunkt der Tumorseneszenz. Zwei neue Seneszenz-spezifische [18F]α-Fuc- und [18F]β-Gal-Tracer wurden anhand von jeweils zwei in vitro und in vivo Seneszenz-Modellen im Rahmen dieser Dissertation evaluiert. Mit Hilfe von in vivo PET-Daten und verschiedenen ex vivo Experimenten wie Autoradiographie, SA-β-Gal-Assay und H&E-Färbung, kristallisierte sich vor allem [18F]β-Gal als ein vielversprechender Seneszenz-Tracer heraus. Eine weitere wichtige Rolle in der personalisierten Medizin spielen Tiermodelle, die direkt aus humanen Tumoren abgeleitet werden. Dabei ist der Ort der Tumorplatzierung am Versuchstier nicht zu vernachlässigen, denn nicht jede Lokalisation spiegelt die natürliche Mikroumgebung des ursprünglichen Entstehungsortes der Tumoren in Patienten wieder. Ein BRAF(V600E)-mutiertes CR-LRB-018P-Tumormodell des kolorektalen Karzinoms des Unternehmens Oncodesign wurde im Rahmen dieser Dissertation für die longitudinale Untersuchung der Tumorentwicklung an zwei verschieden Implantationsorten (orthotop und subkutan) verwendet. Mittels nichtinvasiver bildgebender Verfahren wie PET und Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) sowie unterschiedlicher Analyseverfahren und ex vivo Experimenten konnte ein entscheidender Unterschied in der Entwicklung der Nekrose zwischen den orthotop und subkutan platzierten Tumoren bewiesen werden. Dabei weist ein orthotop platzierter Tumor ein ähnliches Tumorverhalten wie beim Patienten auf und stellt somit ein klinisch relevanteres Modell dar, als das meist verwendete subkutane Tumormodell

    Metaanalyse zur genetischen Prädisposition bei Harnblasenkarzinomen anhand von Polymorphismen

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    Das Harnblasenkarzinom ist eine maligne Tumorerkrankung, die in den meisten Fällen von den Urothelzellen der Harnblase ausgeht. Männer sind von dieser Krebsart häufiger betroffen als Frauen. In Deutschland ist es die vierthäufigste Tumorlokalisation beim Mann und auf Platz 14 in der Krebsstatistik der Frau. Das relative 5-Jahres-Überleben beträgt bei Männern 77 % und bei Frauen 72 % (2013). Das Urothelkarzinom ist eine Erkrankung mit multifaktorieller Genese. Der Hauptrisikofaktor für Blasenkrebs ist Tabakkonsum mit einem signifikanten Einfluss auf Entstehung, Progression und Mortalität. Etwa 50–65 % der männlichen und 20–30 % der weiblichen Fälle sind auf Tabakkonsum zurückzuführen. Einen weiteren Risikofaktor stellt die Exposition gegenüber aromatischen Aminen und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen dar, die zwischen 7,1 % und 20 % der Erkrankungsfälle bedingen. Außerdem werden etwa 31 % der Blasentumoren durch genetische Risikofaktoren erklärt. In zahlreichen Studien wurde der Einfluss von Einzelnukleotid-Polymorphismen auf das Erkrankungsrisiko für das Harnblasenkarzinom untersucht. Dabei kam es teils zu widersprüchlichen Ergebnissen. Im Rahmen dieser Dissertation wurde daher eine qualitative Auswertung aller bis zum 07.04.2020 auf PubMed veröffentlichten Fall-Kontroll-Studien durchgeführt. Anschließend wurden die Arbeiten zu XRCC1 Arg399Gln (rs25487), ERCC2/XPD Lys751Gln (rs13181), TP53 Arg72Pro (rs1042522), XRCC1 Arg194Trp (rs1799782), XRCC3 Thr241Met (rs861539) und GSTP1 Ile105Val (rs1695) näher beleuchtet und deren Ergebnisse quantitativ in einer Metaanalyse zusammengefasst. Zusätzlich wurden Subgruppenanalysen nach Ethnie und Art der Kontrollpopulation durchgeführt, um die Vergleichbarkeit der Studien zu steigern. Es wurde jeweils die Odds Ratio und das 95 %-Konfidenzintervall berechnet. Für GSTP1 Ile105Val wurde im rezessiven Modell eine Odds Ratio von 1,340 mit einem 95 %-Konfidenzintervall von 1,038–1,730 berechnet. Weiterhin konnte in den Sensitivitätsanalysen und verschiedenen Subgruppen bei den Polymorphismen XRCC1 Arg399Gln, TP53 Arg72Pro und XRCC1 Arg194Trp teilweise statistische Signifikanz erreicht werden. Jedoch besteht diese Signifikanz nur für einzelne Ethnien oder Studiendesigns und lässt keine generelle Aussage über die genetische Prädisposition zu. Für ERCC2/XPD Lys751Gln und XRCC3 Thr241Met zeigte sich in keinem der berechneten Modelle ein statistisch signifikantes Ergebnis. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Träger des GGGenotyps (Val105) ein erhöhtes Risiko besitzen, an einem Harnblasenkarzinom zu erkranken. Die Ergebnisse verdeutlichen die komplexe Ätiologie des Harnblasenkarzinoms als multifaktorielle Erkrankung im Hinblick auf dessen genetische Prädisposition und Interaktion mit zahlreichen Umweltfaktoren.Bladder cancer is a malignant tumour disease, which primarily originates from the urothelial cells of the bladder. Men are more frequently affected by this type of cancer than women, but the latter have a worse prognosis. In Germany it is the fourth most common tumour location in men and 14th in the cancer statistics for women. The relative 5-year survival rate is 77 % for men and 72 % for women (2013). Urinary bladder cancer is a disease with a multifactorial genesis. Tobacco consumption is the main risk factor for bladder cancer with a significant impact on its development, progression and mortality. About 50–65 % of male and 20–30 % of female cases are caused by smoking. The exposition to aromatic amines and polycyclic aromatic hydrocarbons represents another risk factor, which causes between 7,1 % and 20 % of cases. Furthermore, approximately 31 % of bladder tumours are explained by genetic risk factors. Numerous studies have investigated the influence of different single nucleotide polymorphisms on bladder cancer risk, with sometimes contradicting results. Therefore, a qualitative analysis of all case-control studies published on PubMed until the 7th of April 2020 was conducted in the context of this thesis. Subsequently, the publications concerning XRCC1 Arg399Gln (rs25487), ERCC2/XPD Lys751Gln (rs13181), TP53 Arg72Pro (rs1042522), XRCC1 Arg194Trp (rs1799782), XRCC3 Thr241Met (rs861539) and GSTP1 Ile105Val (rs1695) were further examined and quantitatively summarized in a meta-analysis. Additionally, subgroup analysis by ethnicity and source of controls were performed, to enhance the comparability of the studies. In each case, the odds ratio and the 95 %-confidence interval were calculated. For GSTP1 Ile105Val an odds ratio of 1,340 with a 95 %-confidence interval from 1,038 to 1,730 was calculated in the recessive model. Furthermore, statistical significance was partially achieved in the sensitivity analyses and various subgroups for the polymorphisms XRCC1 Arg399Gln, TP53 Arg72Pro and XRCC1 Arg194Trp. However, this significance only consists in several ethnicities or study designs and does not allow a general statement about genetic predisposition. No significant results were found in any of the calculated models for ERCC2/XPD Lys751Gln and XRCC3 Thr241Met. The findings indicate that carriers of the GG genotype (Val105) have an increased risk of developing bladder cancer. The results illustrate the complex etiology of bladder cancer as a multifactorial disease in terms of its genetic predisposition and interaction with numerous environmental factors

    "Do specific ability factors matter?" - Validität spezifischer und allgemeiner Intelligenzfaktoren

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    Die vorliegende Arbeit thematisiert die diagnostische Güte (Validität) von Intelligenztests. Im Einzelnen geht es um Aspekte der Konsistenz der Messung sowohl der allgemeinen Intelligenz und insbesondere der spezifischen Intelligenzfaktoren (verbal, numerisch, figural) neben dem Generalfaktor g (Studie 1), als auch der Kriteriumsvalidität dieser Intelligenzfaktoren zu allgemeinen wie spezifisch sprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlich schulischen Leistungen (Studie 2) latent modelliert über den Nested-Factor-Ansatz (synonym: bifactor-model; Holzinger & Swineford, 1937) im Rahmen konfirmatorischer Faktorenanalysen (CFA). Zeigen die latenten CFA-Analysen der ersten beiden Studien anhand der Daten von N = 562 Neuntklässlern aus sechs rheinland-pfälzischen Gymnasien testbatterieübergreifend ein hohes Maß an konsistenter Messung der allgemeinen sowie spezifisch verbalen und numerischen Intelligenzfaktoren sowie deren konvergente und diskriminante Validität für spezifisch sprachliche und mathematisch naturwissenschaftliche wie allgemeine Schulleistung, so wird in Studie 3 auf manifester Ebene geprüft, in wieweit die Ergebnisse zweier konzeptionell ähnlicher Intelligenztests bei der Diagnostik von Hochbegabung übereinstimmen. Diese Dissertation fokussiert somit die testbatterieübergreifende Übereinstimmungsgüte von allgemeinen und spezifischen Intelligenzfaktoren, gemessen mit unterschiedlichen Testbatterien (Studie 1), deren Gültigkeit in Hinsicht auf relevante Außenkriterien (Studie 2) sowie die Klassifikationsübereinstimmung von Intelligenztestergebnissen (Studie 3). Implikationen für Forschung und Praxis werden diskutiert

    Die Mobilisierung der austroalpinen Dent Blanche Decke auf Fluid-induzierten Scherzonen während alpiner Hochdruckmetamorphose

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    Die Dent Blanche Decke ist ein Element des Austroalpins der Westalpen, welches das oberste strukturelle Stockwerk im alpinen Deckenstapel bildet. Als größte austroalpine tektonische Klippe stellt die Dent Blanche Decke die nordwestliche Fortsetzung der Sesia Zone dar. Zwei tektonische Elemente bauen die Dent Blanche Decke auf: Die Arolla-Serie (präalpine Granitoide und Sedimente) als unteres Element und die Valpelline Serie (präalpine Kustengesteine, Granulite, amphibolitfazielle Gneise) als oberes Element. Frühere Arbeiten in der südlichen Dent Blanche Decke (Höpfer & Vogler 1994, Höpfer 1995) brachten einen alpinen PTd-Pfad hervor, der eine HP-LT Metamorphose (Eklogitfazies) für die Gesteine der südlichen Dent Blanche Decke während der Subduktion belegt. Unter eklogitfaziellen Bedingungen erfolgten während D1 und D2 durchgreifende Teildeckenbildungen. Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit der nördlichen Dent Blanche Decke. Bei den dort anstehenden Gesteinen handelt es sich zum überwiegenden Teil um Metagranitoide und Metasedimente der Arolla Serie, deren Metamorphosegrad bislang aufgrund ihrer "typischen grünschieferfaziellen Paragenesen" als Grünschieferfazies interpretiert wurde. Im Rahmen dieser Arbeit werden erstmalig PT-Daten präsentiert, die anhand dieser "typischen Grünschieferparagenesen" eine HP-LT Metamorphose bei 11,5-13 kbar und 360-440°C (Blauschiefer-Eklogitfazies) während D1 und D2 belegen. Die geobarometrischen Daten wurden mit dem Hellglimmer-Barometer (Massonne & Schreyer 1987) ermittelt, die Daten zur Geothermometrie wurden mit dem Chlorit-Thermometer (Cathelineau 1988) und dem Amphibol-Plagioklas- Thermometer (Blundy & Holland 1990) gewonnen. Die alpine Deformation setzte sich mit D3* als wichtige und letzte Faltungsphase unter grünschieferfaziellen Bedingungen (5-6 kbar, ~300°C) fort und wurde mit den bruchhaften Deformationen D4 und D5 abgeschlossen. Anhand der PT-Daten dieser Arbeit wurde der erste PTd Pfad für die nördliche Dent Blanche Decke entwickelt, der von dem üblichen "Westalpinen Typ" (Ernst 1988) darin abweicht, daß der ersten Phase der Dekompression eine deutliche Abkühlung zugeordnet war. Die nördliche Dent Blanche Decke unterscheidet sich markant von der südlichen Dent Blanche und den anderen westalpinen Decken durch ihre besondere Art der Scherzonendeformation. Während D1 und D2 wurden die Gesteine durch Scherzonen verschiedener Mächtigkeit sehr heterogen deformiert, so daß z.T. große Bereiche nur schwach deformiert die alpine Deformation überdauerten. Mit den Scherzonen stellte sich ein meist konzentrierter Straingradient ein, in dem der maximale Strain im Zentrum der Scherzonen entwickelt war. Entlang der Scherzonen wurde die nördliche Dent Blanche Decke in eine nach SE einfallende tektonische Schuppenstruktur segmentiert. Innerhalb des Straingradienten der Scherzonen wurden die Gesteine, die bereits durch Prozesse des "hydrolitic weakening" alteriert waren, mylonitisiert und phyllonitisiert. Für das "hydrolitic weakening" waren die elementaren Deformationsprozesse die Korngrenzdiffusion mit Lösung, chemischer Reaktion und Wiederausfällung. Massentransfers innerhalb der Scherzonen sind durch das Wachstum vormals gelöster oder neugebildeter Phasen belegt (Qtz, Aktinolith, Phengit). Magmatischer Quarz überdauerte alle übrigen Phasen und wurde nur unter maximalem Streß durch eine Kombination von synkinematischer Rekristallisation, Drucklösung und bruchhafter Deformation deformiert. Die phyllonitischen Scherzonen reagierten auf das alpine Streßfeld als Zonen der progressiven Festigkeitsanisotropie und führten zu einer Steigerung der Fluid-Permeabilität. Phyllonite und Mylonite weisen im Vergleich mit dem Umgebungsgestein ein weitgehendes geochemisches Gleichgewicht auf, das auf einen diffusiven Fluid-Transport entlang der Scherzonen aber auch durch das Umgebungsgestein rückschließen läßt. Diese Scherzonenprozesse, die als "Phyllonitisierung" zusammengefaßt werden, waren für Teildeckenbewegungen innerhalb der Decke sowie die Mobilisierung und die Platznahme der gesamten Dent Blanche Decke essentiell. Die vorliegende Arbeit korreliert erstmalig die Scherzonenphyllonitisierung mit dem Transport einer alpinen Decke und stellt die Bedeutung dieser Prozesse für die tektonometamorphe Entwicklung der Alpen heraus. Die kinematischen Analysen, die im Rahmen dieser Dissertation vorgestellt werden (Mikro-Deformationsgefüge, Texturananalyse, Paläospannungsanalyse), ergeben für die gesamte alpine Deformationsgeschichte der nördlichen Dent Blanche Decke ein konstantes Streßfeld mit einer Gesamtrotation Top-NW. Belege für SE-gerichtete Deckenbewegungen, die mit der alpinen Obduktion in Verbindung stehen könnten, sind nicht vorhanden
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