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    Intervention in den Zeiten der Interdependenz

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    Mit den Bombenangriffen der NATO auf Serbien im Sommer 1999 war eine Zeitlang die Gefahr gegeben, daß die Anwendung organisierter militärischer Gewalt, der Krieg, als Mittel der Politik zurückkehren würde. Den vereinten Anstrengungen der Europäer ist es gelungen, diese NATO-Aktion gegen Serbien wieder in den Rahmen des UN-Regimes zurückzuholen und damit dessen Wiederherstellung zu sichern. Immerhin hatte dieses Regime, verankert in der Charta der Vereinten Nationen, seit 1945 die Norm des Gewaltverbotes außer zu Zwecken der Verteidigung aufrecht erhalten. Auch die zahlreichen Verstöße gegen diese Norm, die in der zweiten Jahrhunderthälfte aufgetreten sind, hatten sie nicht beschädigt. Erst die NATO-Entscheidung, bewußt ohne UN-Mandat Gewalt gegen Serbien anzuwenden, drohte die Norm zu verletzen. Das im April 1999 in Washington verkündete Neue Strategische Konzept der NATO wies ebenfalls in diese Richtung, da sich die Militärallianz das Recht zuspricht, auch ohne UN-Mandat Gewalt einzusetzen. Die Gefahr, daß die Norm des Gewaltverzichts laut Artikel 2, Abs. 4 der UN-Charta durch die Praxis doch noch ausgehebelt wird, ist also keineswegs beseitigt. Insofern ist es höchst aktuell, das Problem der gewaltsamen Intervention in die inneren Angelegenheiten eines Staates erneut zur Diskussion zu stellen. Dabei geht es um normative und um strategische Aspekte. Angesichts der hohen Interdependenz, die im europäischen System herrscht, kann von einem Recht, muß vielleicht sogar schon von einer Pflicht zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates dann gesprochen werden, wenn in diesem Staat die Menschenrechte manifest verletzt werden. Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping hat Recht, wenn er in seinem Buchtitel feststellt: „Wir durften nicht wegsehen“. Dieser Norm gerecht zu werden, vermag der UN-Sicherheitsrat seit 1945. Laut Art. 1, Abs. 7 der UNCharta kann er sich auch mit Gewaltmaßnahmen in die inneren Angelegenheiten eines Staates einmischen, wenn dort die Verletzung der Menschenrechte den Frieden gefährdet. Das war in Serbien nach NATO-Meinung der Fall. Der Sicherheitsrat hatte dieser Analyse zugestimmt, aber keinen Eingriffsbeschluß gefaßt. Damit gab es keine völkerrechtlich verbindliche Grundlage für die Gewaltaktion der NATO. Sie hat insofern als klare Aggression zu gelten, die sich ausschließlich auf das Recht des Stärkeren beruft. Diesen Makel hatte das Instrument der „Humanitären Intervention“ schon seit seiner Einführung im 19. Jahrhundert aufgewiesen; es wurde deswegen alsbald wieder aufgehoben. Wer ohne Legitimation durch eine internationale Organisation Gewalt gegen einen Staat anwendet, setzt sich dem Verdacht aus, humanitäre Motive lediglich vorzuschieben, um den Einzugsbereich seiner Macht zu erweitern. Die NATO-Aktion ist davon keineswegs frei; de facto hat sie mit dem Kosovo, Mazedonien und Albanien die noch bestehende Präsenzlücke auf dem Balkan geschlossen, so daß sie jetzt von Westeuropa bis zum Kaspischen Meer reicht. Indem sie eine Neue Norm mit veralteten Strategien ausstattete, hat sie sie in ihr Gegenteil verkehrt. Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten bildet die richtige normative Konsequenz aus der Einsicht in die hohen Grade von Interdependenz, die in Europa die Staaten aneinander geschoben und ihre Souveränität eingeschränkt haben. Was in einem Land vorgeht, beII trifft immer auch dessen Nachbarn, rechtfertigt also deren Aufmerksamkeit und deren Einwirkung. Sie müssen sich, da die Quelle der Gewalt im Herrschaftssystem eines Staates zu suchen ist, auf die Veränderung dieses Herrschaftssystems richten. Damit ist auch der Begriff der Intervention inhaltlich randscharf bestimmt. Sie stellt den Versuch eines auswärtigen Akteurs dar, auf das Herrschaftssystem eines Landes einzuwirken. Nur ein demokratisch verfaßtes Herrschaftssystem garantiert, daß der betreffende Staat ein friedliches Verhältnis zu seinen Nachbarn entwickelt und im Innern die Menschen- und Bürgerrechte wahrt. Da die Nachbarn von einem solchen Verhalten betroffen werden, haben sie das Recht und die Pflicht, auf die Demokratisierung des Herrschaftssystems hinzuwirken. Unter den Bedingungen von Interdependenz ist diese Einmischung in die inneren Angelegenheiten geboten. Das Interventionsverbot, das Prinzip der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates, das das klassische Völkerrecht beherrscht, hat unter den Bedingungen der Interdependenz als obsolet zu gelten. Voraussetzung dafür ist, daß die Intervention absolut gewaltfrei verläuft. Muß Gewalt angewendet werden, weil keine andere Möglichkeit mehr übrigbleibt, ist ihre Legitimation durch eine internationale Organisation erforderlich. Nur deren Mandat löst die Verbindung von Norm und Interesse auf, stellt im Konsens der Mitglieder sicher, daß die Gewaltanwendung ausschließlich der Durchsetzung des intendierten Ziels, der Wiederherstellung und Wahrung der Menschenrechte, dient. Ein solches Mandat kann gegenwärtig nur von der globalen Organisation der Vereinten Nationen erkannt werden. Es wäre aber richtig und wichtig, daß auch regionale Organisationen dieses Mandatierungsrecht erhalten. Die OSZE, beispielsweise, wäre im Hinblick auf alle europäischen Staaten die geeignete Instanz, solche Mandate zu erteilen. Kommt ein Mandat nicht zustande, weil der Konsens fehlt, kann Gewalt nicht legitim angewendet werden. Dies bedeutet aber nicht, daß jede Intervention zu unterbleiben hat. Im Gegenteil. Die Gewaltanwendung ist nur die letzte und verzweifelte Strategie, die eingesetzt werden muß, wenn es gilt, Schlimmeres, das Schlimmste zu verhüten. Sehr viel erfolgreicher sind gewaltfreie Strategien, die vorbeugend verwendet werden können. Mit ihnen lassen sich die Herrschaftsstrukturen eines Landes verändern; sie wirken positiv auf deren Demokratisierung. Musterbeispiel dafür ist der Marshall-Plan der Vereinigten Staaten von 1948. Er war explizite dazu bestimmt, die demokratischen Herrschaftsstrukturen in westeuropäischen Ländern wiederherzustellen und zu stärken. Ebenso hat es die Europäische Union zur „Konditionalität“ jeden neuen Beitritts erhoben, daß der Kandidat demokratisch verfaßt ist und die Menschen- und Bürgerrechte gewährleistet. In beiden Fällen fand eine direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten statt. In beiden Fällen war sie außerordentlich erfolgreich. Die Einmischung zur Norm unter den Bedingungen der Gesellschaftswelt zu erheben, heißt also gerade nicht, der Gewaltanwendung eine neue Tür zu öffnen. Es heißt vielmehr, die Außenpolitik in das Zeichen der Vorbeugung zu stellen und rechtzeitig die zahllosen Einwirkungs- und Einflußmöglichkeiten auszunutzen, die die Interdependenz bereitstellt. Handel und Wandel, Politik und Kultur bieten eine Unzahl von außerordentlich wirksamen Einmischungsstrategien zugunsten der Wahrung der Menschenrechte und der Herstellung von Demokratie. Die Europäische Union hat mit dem Stabilitätspakt für den südlichen III Balkan die richtige strategische Konsequenz aus der Einmischungsnorm einerseits, der Interdependenz andererseits gezogen. Leider hat sich die schon im 19. Jahrhundert bekannt gewordene „Schieflage“ wieder eingestellt. Die Staaten sind zwar bereit, schnell große Geldsummen für die Gewaltanwendung auszugeben, zögern aber bei der Finanzierung vorbeugender Interventionsmaßnahmen. Diese widersinnige Handhabung der Prioritäten war schon im 19. Jahrhundert kritisiert worden, sie kann im 21. nicht mehr hingenommen werden. Sowohl der Aspekt der sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln wie das Aufwand-Erfolgs-Verhältnis verlangen, daß Vorbeugungsmaßnahmen großzügig finanziert und die – nur für den äußersten Notfall erforderlichen – Gewaltpotentiale lediglich eine Mindestausstattung erhalten. Die Norm der gewaltfreien Einmischung kann um so leichter erfüllt werden, als ihrer Umsetzung eine Fülle von Strategien zur Verfügung steht. Indirekt wirkende Strategien machen sich die Tatsache zu eigen, daß der Grad demokratischer Freiheit in einem Land direkt abhängig ist von einem niedrigen Spannungsgrad in seiner Umwelt. Diese dynamische Beziehung kann höchst effektiv benutzt werden, um die Demokratisierung eines Landes zu befördern. Allgemein ausgedrückt: Jede Umweltveränderung eines Staates muß auch darauf hin geprüft werden, wie sie auf dessen Herrschaftssystem wirkt. Diesen Zusammenhang verdrängt zu haben, ist der große Vorwurf, den sich die Osterweiterung der NATO nach wie vor gefallen lassen muß. Die direkt wirkenden Strategien versuchen, entweder unmittelbar oder mittelbar auf das Herrschaftssystem einzuwirken. Dabei liegt es nur scheinbar nahe, den unmittelbar wirkenden Strategien den Vorzug zu geben. Sie sind natürlich, wie die Hinweise auf den Marshall-Plan und die Konditionalität der Europäischen Union zeigen, äußerst wirksam. Das direkte Engagement des Auslands löst aber immer auch das kontraproduktive Argument der Fremdbestimmung aus. Deswegen sind direkt mittelbar wirkende Strategien von besonderem Interesse. Eine richtig vergebene Wirtschaftshilfe stärkt die Gesellschaft in einem betreffenden Land auch gegenüber ihrem politischen System. Die erfolgreiche Einführung und Förderung liberaler Marktwirtschaft erzeugt sozusagen von selbst im Zuge ihrer Entfaltung die Beachtung der Bürgerrechte und die Stärkung der Demokratie. Von besonderer Bedeutung in diesem Bereich ist die Interaktion zwischen gesellschaftlichen Akteuren. Die Kooperation zwischen Verbänden und Organisationen überträgt sozusagen von selbst Demokratiemodelle. Städtepartnerschaften stärken im Adressatenland dezentrale und föderale Tendenzen, wirken der Machtakkumulation entgegen. Um der Norm der Einmischung in die inneren Angelegenheiten gerecht zu werden, brauchen also keine neuen Strategien erfunden zu werden. Worauf es ankommt, ist, in den vorhandenen und eingesetzten Instrumenten der Außenpolitik die Einwirkungsstrategien zu erkennen, die sie enthalten. Sie müssen dementsprechend einen neuen Rang erhalten. Wer die Wirtschaftshilfe beispielsweise als Interventionsstrategie begreift, wird sie ganz anders einsetzen und ausstatten als derjenige, der sie lediglich als Lastenausgleich betrachtet. Das Einmischungsgebot verlangt damit nicht weniger als eine komplette Neubewertung der Instrumente moderner Außenpolitik in der Gesellschaftswelt

    Mars-Earth transfer time of lherzolite Yamato-793605

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    We determined the cosmic-ray exposure age of Yamato-793605 based on cosmic-ray produced ^3He, ^Ne, and ^Ar. The average age is 4.4±1.0 Ma and agrees with the exposure ages of the two other martian lherzolites ALH77005 and LEW88516. The similarity in petrology, chemistry, oxygen isotopic composition, and cosmic-ray exposure history shows that the three lherzolitic martian meteorites originate from the same parent magma and were ejected from Mars by the same ejection event. The basaltic shergottites EET79001,QUE94201,Shergotty, and Zagami strongly differ from the three lherzolites in mineralogical and chemical composition and were ejected by events that occurred 1 Ma and 3 Ma (EET79001) later than that responsible for the delivery of the lherzolites. We propose that these differences are sufficiently important to merit distinct meteorite classification and to name ALH77005,LEW88516,and Y-793605 "lherzolites", in contrast to the "shergottites" EET79001,QUE94201,Shergotty, and Zagami

    Ti-TiO2-Al normal metal-insulator-superconductor tunnel junctions fabricated in direct-write technology

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    We present a novel Ti- based direct- write technology for fabricating Ti - TiO2 - Al tunnel junctions for bolometer and thermometry applications. The goal of our research is to develop simple and efficient technology for fabricating SIS tunnel junctions between Ti and Al with TiO2 as an insulating barrier. The key point of this technology is the deposition of a Ti film as a base electrode and deposition of an Al electrode after oxidation of the Ti. This approach allows one to realize any geometry of the tunnel junctions and of the absorber with no limitation related to the area of the junctions or the thickness of the absorber. In particular, a very thin and completely flat absorber can be created with no bending parts, which is not possible using the shadow evaporation technique or standard trilayer technology. Besides, the proposed new approach does not require one- cycle evaporation for deposition of tunnel junctions which gives us more freedom in the geometry of the counter- electrodes. The junctions are to be used for bolometer applications, such as the fabrication of microwave receivers for sensitive measurements in new generation telescopes, e. g. CLOVER and BOOMERANG projects including polarization cosmic microwave background radiation measurements, and the OLIMPO balloon telescope project which is dedicated to measuring the Sunyaev - Zeldovich effect in clusters of galaxies. A s the first step, SIN tunnel junctions have been fabricated and characterized

    Determination of islet cell antibodies using an ELISA system with a preparation of rat insulinoma (RIN A2) cells

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    An enzyme-linked immunosorbent assay (ELISA) was established for the detection of islet cell antibodies in human sera. The antigen was prepared from rat insulinoma (RIN A2) cells. Cells were dissociated in lysis buffer and the lysate was centrifuged at 100,000 x g. The supernatant was used to coat microtiter ELISA plates (10 micrograms protein/ml in PBS pH 7.2). Non-specific binding sites on the plates were blocked with 2% PBS-BSA. Human test sera were preabsorbed on separate plates using 2% PBS-BSA and incubated on precoated plates at an optimal dilution of 1/10 in 60 mM PBS for 60 min at 37 degrees C. Phosphatase-labeled anti-human IgG serum and phosphatase substrate were applied and the reaction was stopped by adding 3 M NaOH. Out of 90 sera from type I diabetic patients, 47 (52.2%) reacted in the new ELISA whereas none of 15 type II diabetics, 50 sera containing non-islet specific antibodies or 100 normal controls were positive. In the same group of patients, ICA were positive in 63.3%. When both, the ELISA and conventional ICA testing were applied, the number of positives was increased to 83%. The ICA-ELISA with the above described antigen preparation provides a well standardized and reproducible test method which is highly specific for type I diabetes. It may therefore be useful for large screening procedures

    Konzept für eine bestandsschonendere Nutzung der Dorschvorkommen in der westlichen Ostsee

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    The introduction of a long-term management plan for the cod socks by the International Baltic Sea Fishery Commission (IBSFC) to ensure stable and high yields and to conserve the fish stocks of the Baltic demands certain conservation measures. One is the use of the Total Allowable Catches (TACs) based on precautionary approches. In addition the exploitation pattern and the selectivy of trawls shall be improved to increase the spawning stock biomass and to reduce the presently high discard rates. The contributation demonstrates by means of model calculations for the cod stock of the ICES Sub-divisions 22 to 24 ( Western Baltic ) the short- and long-term effects of an improvement of the trawl selectivity on stock size, yields and profit

    Le Théâtre

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    We present preliminary measured responses of a planar superconducting on/off switch operating at millimeter wavelengths. The superconducting switch, comprising three niobium nitride (NbN) bridges, is deposited across the slotline section of a back-to-back unilateral finline. The transmission characteristics of the superconducting switch illuminated by a millimeter source was measured using a superconductor-insulator-superconductor (SIS) tunnel junction as direct detector. The NbN bridges were switched from the superconducting state to the normal state by passing current through the bridges with magnitude that exceeds its critical current value. With this arrangement, we have measured a typical switching dynamic range of approximately 10 dB across the 205-240 GHz band, with the highest dynamic range of ?20 dB at 230 GHz. This demonstrated the successful operation of the multiple NbN bridges as a planar superconducting on/off switch

    Werke von Ernst Otto Staude

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