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    Von Worten und Dingen. Anmerkungen zu einem MissverstÀndnis in der Debatte um den Performative Turn

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    Weil in den Debatten um den PerformativitĂ€tsbegriff typischerweise auf Austin und die Sprechakttheorie rekurriert wird, gilt das Modell der PerformativitĂ€t auch in der Soziologie hĂ€ufig als Inbegriff fĂŒr die WirkmĂ€chtigkeit von Diskursen, Kommunikationen bzw. sprachlichen Benennungs- und Klassifikationspraktiken. Vor diesem Hintergrund nimmt der Beitrag die in den letzten Jahren mehrfach erfolgte Ausrufung des Performative Turns zum Ausgangspunkt, um zu fragen, ob diese starke Anbindung an die sprachtheoretischen und linguistischen Modelle angesichts der neueren Positionen in diesem Feld ĂŒberhaupt noch aufrechtzuerhalten ist. Die These ist dabei, dass die vermeintlich evidente Filiation zu Austin und der Sprechakttheorie verstellt, dass es gerade diese sprachtheoretischen Annahmen sind, die in den neueren Positionen zur Debatte stehen. Den Auseinandersetzungen um den Begriff der PerformativitĂ€t liegt demzufolge ein MissverstĂ€ndnis zugrunde, das damit zusammenhĂ€ngt, dass neuere AnsĂ€tze im Unterschied zur Sprechakttheorie und einigen konstruktivistischen und poststrukturalistischen Positionen in diesem Feld nicht sprach-, sondern medientheoretisch argumentieren. Anhand der Positionen von Callon, Latour, MacKenzie und Barad soll im Beitrag gezeigt werden, dass sich aus dem Übergang von der Sprach- zur Medientheorie nicht nur ein anderer epistemischer Ausgangspunkt ergibt, sondern dass die gesamte Debatte dadurch auch eine andere Stoßrichtung und ein gĂ€nzlich anders gelagertes Referenzproblem erhĂ€lt. Weil diese unterschiedlichen und zueinander inkongruenten Theorielinien in der gegenwĂ€rtigen Debatte noch nicht hinreichend differenziert sind, kann auch die Herausforderung dieser Positionen nur ungenĂŒgend in den Blick genommen werden. Der Beitrag zielt darauf, diese Differenz zwischen sprach- und medientheoretischen ZugĂ€ngen zu erkunden, um die Tragweite und Grenzen des Performative Turns ĂŒberhaupt genauer bestimmen zu können. Erst auf Basis dieser Überlegungen kann schließlich diskutiert werden, welche Konsequenzen mit dieser Weiterentwicklung des PerformativitĂ€tsbegriffs fĂŒr die soziologische Forschung verbunden sind

    Die Wissenschaften als Laboratorium der Soziologie Zur Rolle der Science Studies bei der Reformulierung von Sozial- und Gesellschaftstheorie bei Bruno Latour

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    Das VerhĂ€ltnis von soziologischer Theorie und Wissenschaftsforschung erscheint im Rahmen der gĂ€ngigen Sortierungslogiken der Soziologie zunĂ€chst als eines zwischen allgemeiner und spezieller Soziologie. Diskussionen um den Beitrag der Science Studies in der oder fĂŒr die Soziologie beziehen sich demzufolge auf das generelle Problem, wie die Erforschung eines Teilbereichs fĂŒr die Erkenntnis von Gesellschaft insgesamt fruchtbar gemacht werden kann. Unterlegt sind dieser Beschreibung in der Regel differenzierungstheoretische Annahmen, mit denen schließlich davor gewarnt werden kann, einen Teilbereich von Gesellschaft absolut zu setzen (vgl. ex. Luhmann 1987: 554, 2009: 98ff.). Mit RĂŒcksicht auf dieses Problem ist es daher sinnvoll, die Fragerichtung ein StĂŒck weit zu verschieben und zunĂ€chst nach Einfluss- und Überschneidungspunkten oder Wirkungen der Wissenschaftsforschung auf die soziologische Theorie im Allgemeinen zu fragen. Hiervon ausgehend geht es mir im Folgenden darum, die Frage des VerhĂ€ltnisses von Wissenschaftsforschung und soziologischer Theorie, die im Zentrum dieser Ad-hoc-Gruppe steht, am Fall zu diskutieren, nĂ€mlich an Bruno Latour. Von allen Protagonisten der Science Studies eignet er sich hierfĂŒr am besten, weil er die weitreichendsten Konsequenzen aus der BeschĂ€ftigung mit den Wissenschaften gezogen hat. In einem ersten Schritt werde ich kurz auf die Entwicklung der Wissenschaftssoziologie seit den 1960er Jahren zu sprechen kommen, um Latours Position hierin situieren und von anderen Positionen abgrenzen zu können. Dadurch wird es möglich sein zentrales Argument zu skizzieren: nĂ€mlich dass die soziologische Forschung im Labor selbst zum Problem wird und gezwungen ist, ihre sozialtheoretischen PrĂ€missen zu ĂŒberdenken. Um den Beitrag Latours im Detail diskutieren zu können und mehrfach formulierten EinwĂ€nden zu begegnen, beziehe ich seine Arbeiten anschließend auf die in der soziologischen Theorie verbreitete Unterscheidung von Sozial- und Gesellschaftstheorie. Da die Annahme des Scheiterns der Soziologie im Labor, die sich als Startpunkt seines gesamten Werkes begreifen lĂ€sst, auch noch das neue und umfangreiche Projekt der Erforschung von Existenzweisen motiviert, schließe ich mit einer kurzen Schilderung der dortigen BegrĂŒndung einer Sonderstellung der Wissenschaften in der Moderne, bevor diese Diskussion abschließend mit der Ausgangsfrage zusammengefĂŒhrt wird. Dabei geht es auch darum, auf eine Kritik an Latour zu antworten, die genau an diesem Fall der Beziehung zwischen Wissenschaftsforschung und soziologischer Theorie ansetzt und behauptet, dass Latour (letztlich in all seinen Arbeiten nach seiner frĂŒhen Laborstudie (Latour/Woolgar 1986) aus den 1970er Jahren) zentrale Kategorienfehler begeht, die auf der Ebene der Theorie in UnterkomplexitĂ€t und auf der Ebene der Politik in eine fatale Expertokratie mĂŒnden (vgl. Lindemann 2008, 2009a, 2011b). Beide Behauptungen gehen gleichermaßen an Latours Werk vorbei, sind aber nur hinreichend zu adressieren, wenn man die zentralen Argumente in der Beziehung zwischen Wissenschaftsforschung und soziologischer Theorie rekonstruiert

    Vertraute Unsicherheit

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    Beobachtungen gehören unbestritten zum AlltagsgeschĂ€ft von Soziologinnen und Soziologen. Mitunter wird diese Aufgabe jedoch durch â€șwiderspenstigeâ€č Untersuchungsobjekte erschwert. Zuweilen trĂŒbt aber auch die eigene Involviertheit in das soziale Geschehen den Blick und wirft die Frage auf, aus welcher Rolle heraus ein solcher Bericht geschrieben werden kann – als Teilnehmer, als Beobachter oder gar nur als Zaungast oder Flaneur. Als Mitarbeiter des Jenaer Instituts fĂŒr Soziologie befinden wir uns zunĂ€chst in einer Nahperspektive, auch wenn wir nicht unmittelbar mit organisatorischen Aufgaben betraut waren. Der Vorteil einer solchen NĂ€he kann allerdings darin bestehen, dass einige Dinge genauer gesehen werden als es einem distanzierten Beobachter möglich wĂ€re. So lĂ€sst sich vermutlich deutlicher abschĂ€tzen, welches organisatorischen Aufwandes es bedarf, um eine Veranstaltung von einer derartigen GrĂ¶ĂŸenordnung zu bewĂ€ltigen. Vorab gilt unser besonderer Dank daher der lokalen Organisationsgruppe um Margrit Elsner und Kathy Kursawe

    Kritische TotalitÀt oder das Ende der Gesellschaft? Zum Gesellschaftsbegriff des Poststrukturalismus

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    "Aktuelle soziologische Theorieentwicklungen lassen sich zunehmend unter dem Aspekt der Erosion eines systematischen Gesellschaftsbegriffs beobachten. Vorstellungen einer TotalitĂ€t der Gesellschaft werden nicht nur infrage gestellt, sondern rĂŒcken spĂ€testens in den neunziger Jahren zugunsten von Theorien in den Hintergrund, die entweder 'Gesellschaft' auf Konstruktionen von Individuen, auf subjektive Erfahrungen und mikrosoziale Interaktionen zurĂŒckfĂŒhren oder diese aufgrund zunehmender Entgrenzungserscheinungen nicht mehr als ein, wenn auch zum Teil widersprĂŒchliches und dynamisches, zusammenhĂ€ngendes Ganzes betrachten. Diese Prozesse gehen soweit, dass man in postmodernen soziologischen Theorien sogar vom Ende des Sozialen (Baudrillard) spricht. Der Mangel eines systematischen Gesellschaftsbegriffs ist jedoch auch in Theorien zu finden, die vordergrĂŒndig an 'Gesellschaft' festhalten (Stichwort: Risiko-, Wissens- oder Erlebnisgesellschaft etc.), aber nur einen Aspekt von Gesellschaft analysieren, ohne die 'strukturelle und dynamische Verfasstheit' (Gurvitch) von modernen Gesellschaften als 'soziale TotalphĂ€nomene' (Mauss) systematisch darzustellen. Scheinen poststrukturalistische Sozialwissenschaften zunĂ€chst Ă€hnliche Tendenzen erkennen zu lassen, indem sie beispielsweise die 'Unmöglichkeit von Gesellschaft' (Laclau/ Mouffe) herausstellen, so ist im Gegenzug jedoch zu fragen, ob diese nicht dennoch erlauben, einen kritischen Begriff von Gesellschaft zu entwickeln, der das Moment der TotalitĂ€t sehr wohl mitdenkt, ohne es jedoch 'affirmativ' zu setzen. Vor diesem Hintergrund sollen im Vortrag folgende Fragen in den Mittelpunkt gestellt werden: Inwieweit ist es möglich, mit Hilfe einer poststrukturalistischen Sozialwissenschaft einen Begriff der 'kritischen TotalitĂ€t' von Gesellschaft zu entwickeln, der es vermag, die gesellschaftliche Systematik in einem differentiellen Kontext zu denken? Kann anhand poststrukturalistischer Soziologien von Gesellschaft im kritischen Sinn als einer widersprĂŒchlichen und dynamischen TotalitĂ€t gesprochen werden? DarĂŒber hinaus soll auch die Frage aufgeworfen werden, inwiefern sich mit dem Begriff der Hegemonie im Sinne Ernesto Laclaus eine differenztheoretische AnnĂ€herung an die 'negative' Konzeption einer 'kritischen TotalitĂ€t' von Adorno verbinden lĂ€sst, die es ermöglicht, TotalitĂ€t und Unmöglichkeit von Gesellschaft zugleich zu denken." (Autorenreferat

    Kommentar: Fairplay im Ferntourismus?

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