Wissenschaftliche Einrichtungen. MPIfG - Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung
Abstract
Der Finanzmarktkapitalismus der Gegenwart lässt sich nur unzureichend als ideologische
Ausgeburt des Neoliberalismus begreifen. Auch stellt die Ökonomie der schnellen
Gewinne und hohen Verluste nicht einfach einen Verfall rationaler Erwerbsprinzipien
dar. Derselbe gesellschaftliche Prozess, der die wirtschaftlichen Institutionen zur Struktur
eines Finanzmarktkapitalismus modernisierte, hat vielmehr zugleich soziale Formen
der Verteilung von Einkommen, Anerkennung und Macht etabliert, die ursprünglich
vormoderne Muster der sozialen Ordnung aktualisieren. Mit Rekurs auf den analytischen
Topos der „Refeudalisierung“, den Jürgen Habermas einst in seiner Studie über
den Strukturwandel der Öffentlichkeit ausgearbeitet hat, wird die refeudalisierte Ökonomie
der Gegenwart als eine Paradoxie kapitalistischer Modernisierung untersucht, deren
Entstehungs- und Wirkungsmechanismen in vielfältiger Weise formale Ähnlichkeiten
mit den institutionellen Transformationen moderner Öffentlichkeiten aufweisen.The rise of financial-market-based capitalism cannot be adequately explained by attributing
it to prevailing neoliberal ideology alone. Similarly, the economics of fast money
and big losses is not merely a sign of deteriorating economic rationality. Instead, this article
argues that the societal process that transformed the economic institutions towards
a financial-based model of capitalism also brought back social patterns of distributing
wealth, income and power typical of the pre-modern era, albeit in an updated form.
Referring to the analytical concept of “refeudalization” introduced by Jürgen Habermas
in his inquiry on the Structural Transformation of the Public Sphere, the author examines
the current refeudalization of the economic sphere as a paradoxical process of capitalist
modernization that is often similar to the institutional transformation of the modern
public sphere