44 research outputs found
Die langen Schatten von Krieg und Verfolgung : Kriegskinder in Psychoanalysen - Beobachtungen und Berichte aus einer umfassenden Studie
Wer als Kind den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat, kann diese intensiven und lebensbedrohlichen Erlebnisse oft auch als Erwachsener nicht ausblenden â sie ĂŒberschatten sein Leben weiter, auch ohne dass es dem Betroffenen selbst bewusst sein muss. In einer Studie der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung unter der Leitung der Direktorin des Frankfurter Sigmund-Freud-Instituts, Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber, wurden 401 Patientinnen und Patienten nachuntersucht, die zwischen 1990 und 1993 ihre psychoanalytische Langzeitbehandlung beendet hatten. Das Forscherteam ist unerwartet hĂ€ufig und dramatisch den Schatten des Zweiten Weltkriegs begegnet: Bei mehr als der HĂ€lfte der untersuchten Personen, bei 54 Prozent, hat die zivilisatorische Katastrophe in Deutschland die gesamte Lebensgeschichte bestimmt und Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialistischen Regimes mit dazu beigetragen, dass sie psychotherapeutische Hilfe suchten
"Hei! Da schreit der Konrad sehr!" : Der Struwwelpeter: eine Fundgrube unbewusster WĂŒnsche und Ăngste von Kindern
Warum ĂŒbt diese kurze Geschichte bis heute eine unmittelbare Faszination sowohl auf Kinder als auch auf Erwachsene aus? Warum konnte sie in den letzten 200 Jahren zu verschiedensten Zwecken eingesetzt werden? Zur Entdeckung "normaler" kindlicher Widerspenstigkeit in der Zeit aufkommender bĂŒrgerlicher Emanzipation, im Dienste einer autoritĂ€ren Erziehung in der Wilhelminischen Ărea (Struwwelliese), zur Vorbereitung auf den MilitĂ€rdienst wĂ€hrend des Ersten Weltkriegs, als Symbol eines nicht bezĂ€hmbaren RevolutionĂ€rs, als sarkastische Progaganda gegen nationalsozialistische Ideologien ("Struwwelhitler") oder schlieĂlich einer aufgeklĂ€rten "anti-autoritĂ€ren" Erziehung wie im "ANTI-Struwwelpeter" von F. K. Waechter? Im Folgenden ein kurzer Versuch einer psychoanalytischen ErklĂ€rung als ErgĂ€nzung zu anderen AnnĂ€herungen : Heinrich Hoffmann ist es in den Struwwelpeter-Geschichten mit bewundernswert treffsicherer Intuition gelungen, ubiquitĂ€re unbewusste Fantasien von Kindern, aber auch von Erwachsenen, anzusprechen und die damit assoziierten Erinnerungen an intensivste Emotionen, Ăngste und Konflikte wachzurufen
Hilfe fĂŒr kleine Störenfriede: FrĂŒhprĂ€vention statt Psychopharmaka : vom kritischen Umgang mit der Diagnose "Aufmerksamkeits- und HyperaktivitĂ€tsstörung"
Ăber keine Diagnose ist in den vergangenen Jahren weltweit so viel, so heftig und so kontrovers diskutiert worden wie ĂŒber die Aufmerksamkeits- und HyperaktivitĂ€tsstörung (AD[H]S) â und das gleichermaĂen in der fachlichen wie der allgemeinen Ăffentlichkeit. Eine besondere Brisanz erhĂ€lt diese Diskussion, weil nicht wenige der betroffenen (ĂŒberwiegend) Jungen nicht nur durch eine ausgeprĂ€gte KonzentrationsschwĂ€che und motorische Unruhe, sondern zudem durch ein starkes antisoziales Verhalten auffallen. Sie handeln derart aggressiv, dass sie sich kaum sozial integrieren lassen und somit die Bildungsangebote im Kindergarten und mehr noch in Schulen nicht fĂŒr ihre Entwicklung nutzen können. AD[H]S greift unabhĂ€ngig von der sozialen Herkunft um sich: Den einen verbaut es den sozialen Aufstieg, andere bedroht es mit sozialem Abstieg. Neben der Diagnose wird vor allem die Behandlung mit Psychopharmaka kontrovers diskutiert. Knapp die HĂ€lfte der Kinder, bei denen AD[H]S diagnostiziert wurde, bekommt entsprechende Medikamente, am hĂ€ufigsten PrĂ€parate mit dem Wirkstoff Methylphenidat (Ritalin, Medikinet, Concerta), die insbesondere zwischen neun und zwölf Jahren verabreicht werden. Insgesamt wird die Zahl der medikamentös behandelten Kinder weltweit auf ĂŒber zehn Millionen geschĂ€tzt. Sowohl bei der HĂ€ufigkeit der Diagnose als auch der psychopharmakologischen Behandlung gibt es international groĂe Unterschiede: Neben den USA wird in LĂ€ndern wie Kanada, Australien und Norwegen besonders schnell zu Medikamenten gegriffen. WĂ€hrend diese Psychopharmaka 1993 lediglich in 13 LĂ€ndern eingesetzt wurden, sind es inzwischen weit mehr als 50 LĂ€nder. Auch Deutschland holt auf; dem neuesten Bericht des Bundesinstituts fĂŒr Arzneimittel und Medizinprodukte sind enorme Steigerungsraten zu entnehmen: So hat der Verbrauch dieser Mittel zwischen 1993 und 2006 um 3591 Prozent, von 34 Kilogramm auf 1221 Kilogramm zugenommen! Gesundheitsexperten warnen vor einer Verordnung ĂŒberhöhter Dosen und vor einer laxen Indikationsstellung. Vermutlich ist tatsĂ€chlich die Zahl der schweren AD[H]SFĂ€lle ĂŒber die Jahre gleich geblieben, wĂ€hrend die Zahl der diagnostizierten Kinder zugenommen hat, die vergleichsweise nur wenige und schwach ausgeprĂ€gte Symptome zeigen. Da es keine objektive Grenze zwischen »krank« und »gesund« gibt, weist jeder Diagnoseprozess eine Grauzone auf. Und da Methylphenidat auch das Leistungsvermögen von »gesunden« Kindern steigert, ist zu vermuten, dass die PrĂ€parate zur VerstĂ€rkung »normaler « Funktionen eingesetzt werden. ..
FrĂŒhprĂ€vention - Gesellschaftliche Notwendigkeit und Chance : erste Ergebnisse des "EVA"-Projekts belegen positive Effekte zweier PrĂ€ventionsprogramme - Enge Kooperation mit Frankfurter KindertagesstĂ€tten
In Deutschland hÀngen Bildungschancen wie in kaum einem anderen Land vom Bildungsstatus der Herkunftsfamilie ab. Vom Ideal einer Chancengleichheit sind wir weit entfernt. So verlÀsst beispielsweise jedes vierte Kind mit Migrationshintergrund die Schule ohne Abschluss. Viele Kinder aus sozial schwierigen VerhÀltnissen enden wie meist schon ihre Eltern in der Arbeitslosigkeit und in einem Leben am Rande der Gesellschaft
Evaluation of two prevention programs `Early Steps' and `Faustlos' in daycare centers with children at risk: the study protocol of a cluster randomized controlled trial
Background: While early programs to prevent aggression and violence are widely used, only a few controlled trials of effectiveness of psychoanalytically based prevention programs for preschoolers have been evaluated. This study compares `Faustlos' (a violence prevention program) and `Early Steps' (a psychoanalytically based, whole daycare center intervention to prevent violence) in daycare centers in socioeconomically deprived neighborhoods. Methods/Design: Preschoolers in 14 daycare centers in Frankfurt, Germany, participate in a cluster randomized controlled trial (CRCT). The daycare centers were randomly chosen from a representative baseline survey of all Frankfurt's daycare centers carried out in 2003 (n = 5,300) with the following stratifying factors: children's aggressiveness, hyperactivity, anxiety and socioeconomic status. Additionally, the geographic identification of socioeconomically deprived neighborhoods regarding low-income children was taken from the Frankfurt Municipality Statistics. Children's attachment classification and children's aggressiveness, hyperactivity, anxiety and social competence are measured as outcome criteria before and after 2 years of intervention. The programs in the study aim to reach a high-risk population. Therefore, the combination of a random sampling of daycare centers out of a representative baseline survey in all daycare centers in Frankfurt and the application of official data on the local distribution of low-income children are unique features offered by the EVA study design. Data on preschooler's attachment representations are collected in socioeconomically deprived neighborhoods for the first time
Evaluation of two prevention programs `Early Steps' and `Faustlos' in daycare centers with children at risk: the study protocol of a cluster randomized controlled trial
Background: While early programs to prevent aggression and violence are widely used, only a few controlled trials of effectiveness of psychoanalytically based prevention programs for preschoolers have been evaluated. This study compares `Faustlos' (a violence prevention program) and `Early Steps' (a psychoanalytically based, whole daycare center intervention to prevent violence) in daycare centers in socioeconomically deprived neighborhoods. Methods/Design: Preschoolers in 14 daycare centers in Frankfurt, Germany, participate in a cluster randomized controlled trial (CRCT). The daycare centers were randomly chosen from a representative baseline survey of all Frankfurt's daycare centers carried out in 2003 (n = 5,300) with the following stratifying factors: children's aggressiveness, hyperactivity, anxiety and socioeconomic status. Additionally, the geographic identification of socioeconomically deprived neighborhoods regarding low-income children was taken from the Frankfurt Municipality Statistics. Children's attachment classification and children's aggressiveness, hyperactivity, anxiety and social competence are measured as outcome criteria before and after 2 years of intervention. The programs in the study aim to reach a high-risk population. Therefore, the combination of a random sampling of daycare centers out of a representative baseline survey in all daycare centers in Frankfurt and the application of official data on the local distribution of low-income children are unique features offered by the EVA study design. Data on preschooler's attachment representations are collected in socioeconomically deprived neighborhoods for the first time
Psychoanalytic and cognitive-behavior therapy of chronic depression : study protocol for a randomized controlled trial
Background: Despite limited effectiveness of short-term psychotherapy for chronic depression, there is a lack of trials of long-term psychotherapy. Our study is the first to determine the effectiveness of controlled long-term psychodynamic and cognitive-behavioral (CBT) treatments and to assess the effects of preferential vs. randomized assessment.
Methods/design: Patients are assigned to treatment according to their preference or randomized (if they have no clear preference). Up to 80 sessions of psychodynamic or psychoanalytically oriented treatments (PAT) or up to 60 sessions of CBT are offered during the first year in the study. After the first year, PAT can be continued according to the ânaturalisticâ usual method of treating such patients within the system of German health care (normally from 240 up to 300 sessions over two to three years). CBT therapists may extend their treatment up to 80 sessions, but focus mainly maintenance and relapse prevention. We plan to recruit a total of 240 patients (60 per arm). A total of 11 assessments are conducted throughout treatment and up to three years after initiation of treatment. The primary outcome measures are the Quick Inventory of Depressive Symptoms (QIDS, independent clinician rating) and the Beck Depression Inventory (BDI) after the first year.
Discussion: We combine a naturalistic approach with randomized controlled trials(RCTs)to investigate how effectively chronic depression can be treated on an outpatient basis by the two forms of treatment reimbursed in the German healthcare system and we will determine the effects of treatment preference vs. randomization
Seelische Migrationsprozesse â «uufbreche â aacho»: Vorschau auf die Tagung vom 10. 9. 2021
Sandra Rumpel und Antonia Stulz-Koller berichten ĂŒber die besondere GefĂ€hrdung von Babys, (Klein-)Kindern und Jugendlichen sowie jungen MĂŒttern gegenĂŒber traumatischen Erfahrungen, die Flucht und Migration oft mit sich bringen, bedingt durch die kritischen Entwicklungsphasen, die es zu bewĂ€ltigen gilt. Die «aacho-Projekte» (Schweizerdeutsch fĂŒr «Ankommen») versuchen fĂŒr diese verletzlichen Menschen ein spezifisches gruppenpsychotherapeutisches Umfeld zu gestalten.Aus der Perspektive der Ethnopsychoanalyse und des Psychodramas als Methode in der Arbeit mit traumatisierten Menschen weist Ursula Hauser Grieco, im Zusammenhang mit inneren und Ă€usseren Migrationsprozessen, auf die Wichtigkeit der GegenĂŒbertragung seitens der Therapeut*innen hin. Die spezifischen kulturellen und sozialen Unterschiede beinhalten Konflikte und unbewusste Verhaltensweisen des im sozialpsychologischen Bereich tĂ€tigen Teams. Zudem wird die Problematik der Macht und des möglichen Missbrauchs der «Hilfe» thematisiert, was in der Gruppensupervision besprochen und bewusst gemacht werden muss.Marianne Leuzinger-Bohleber nimmt sich der Thematik der Pandemie als besonders bedrohlich fĂŒr traumatisierte FlĂŒchtlinge und Projekte wie «aacho» an. Die Pandemie trifft, wie immer, vulnerable Menschen besonders hart. Dazu gehören auch traumatisierte GeflĂŒchtete und Migrantinnen. Im Beitrag werden psychoanalytische Ăberlegungen zur Reaktivierung spezifischer «embodied memories» durch COVID-19 bei uns allen formuliert. Anhand einiger Beispiele aus Psychotherapien mit GeflĂŒchteten wird diskutiert, ob und in welcher Weise die Psychoanalyse zur BewĂ€ltigung erneuter traumatogener Erfahrungen bei den GeflĂŒchteten, aber auch bei den Psychotherapeutinnen und Betreuerinnen beitragen und ihr Wissen in öffentliche Debatten dazu eingebracht werden kann