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Census and risk analysis of Lower Saxony aquaculture production business against the background of fish epizootics legislation
Bei globaler Betrachtung ist kein Sektor innerhalb der Nahrungsproduktionswirtschaft während der vergangenen vier Jahrzehnte so schnell gewachsen wie die Aquakultur. Diese Entwicklung kann in Deutschland und Niedersachsen nicht beobachtet werden. Aquakultur wird hierzulande insbesondere in klein strukturierten bäuerlichen Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben sowie in Hobby- und Vereinshaltungen betrieben. Fischseuchen können die Ertragsleistung der Aquakultur in erheblichem Umfang beeinträchtigen. Zum Schutz des Menschen, der Aquakulturtiere und der Produktivität der Aquakulturwirtschaft wurden Vorschriften erlassen, die der Vorbeugung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Fischseuchen dienen. Im Zuge der Umsetzung der Aquakulturrichtlinie 2006/88/EG bedarf es u. a. der Genehmigung oder Registrierung von Aquakulturbetrieben, die seitens der zuständigen Behörden möglichst lückenlos zu erfassen sind. Das Risikoniveau genehmigter Aquakulturbetriebe ist festzustellen, um die Überwachungsfrequenz dieser Betriebe zu bestimmen. Deutschland und Niedersachsen gelten als nicht frei in Bezug auf die anzeigepflichtigen Fischseuchen VHS, IHN und KHV-Infektion. Im Hinblick auf die Ausbruchsinzidenz und die Beeinträchtigung der Produktionserträge haben hierzulande die Salmonidenseuche VHS und die Karpfenseuche KHV-Infektion die größte Bedeutung. Im Rahmen dieser Studie konnte anhand der Erfassung von Fischhaltungsbetrieben zwischen 2001 und 2008 bestätigt werden, dass die Aquakulturwirtschaft in Niedersachsen insbesondere von einem hohen Anteil (60,5 %) Hobbyhaltungen geprägt ist. Im Rahmen der Erfassung gaben die Betreiber von 69 (6,0 %) respektive 68 (5,9 %) von insgesamt 1.143 erfassten Fischhaltungen an, im Haupt- bzw. Nebenerwerb tätig zu sein. Die Daten zur Betriebsstruktur bestätigen, dass in Niedersachsen Tätigkeiten der Aquakultur fast ausschließlich in klein strukturierten bäuerlichen Betrieben nachgegangen werden. Die Art der Durchführung der Erfassung lässt jedoch statistische Aussagen zur Entwicklung und zum Stand der Aquakultur nicht zu. Es wurden im Vergleich zu der Erfassung von niedersächsischen Fischhaltungsbetrieben zwischen 1983 und 1995 deutlich weniger Betriebe erfasst; daher muss von einer Untererfassung ausgegangen werden. Als möglicher Grund für die Untererfassung kann die zunehmende Zurückhaltung der Tierhalter in Bezug auf die Forderung der umfassenden Transparenz in Betracht gezogen werden. Eine einheitliche Regelung und Methodik zur Erfassung von Aquakulturbetrieben in Niedersachsen gemäß den Vorschriften Fischseuchenverordnung vom 24.11.2008 ist unabdingbar. Die Rahmenbedingungen dafür wurden auf Basis von Erkenntnissen dieser Studie bereits geschaffen. Die Entscheidung 2008/896/EG bietet den zuständigen Behörden ein vereinfachtes Verfahren zur Abschätzung des Risikoniveaus, bei dem die Risikobewertung nicht linear, sondern mittels Gruppeneinstufung erfolgt. Im Rahmen dieser Studie wurde ein lineares Rechenmodell zur Ermittlung des Risikoniveaus von Aquakulturbetrieben entwickelt. Insgesamt 75 niedersächsische Aquakulturbetriebe haben sich an der Erhebung von Daten zur Risikobewertung mit Hilfe dieses Rechenmodells beteiligt. Unter Verwendung dieses Rechenmodells wird das Risikoniveau unter Berücksichtigung unterschiedlicher Gewichtungen der Risikofaktoren linear ermittelt. Es kann geschlussfolgert werden, dass trotz der Komplexität der Risikofaktoren das Rechenmodell in der Praxis einsetzbar ist und im Vergleich zum vereinfachten Verfahren der Entscheidung 2008/896/EG Ergebnisse liefern, die der tatsächlichen Risikolage besser entsprechen. Darüber hinaus ist als Ergebnis dieser Studie eine unterschiedliche Gewichtung des Risikos der Einschleppung und des Risikos der Ausbreitung von Krankheiten bei der Bestimmung des Risikoniveaus zu befürworten. Im Rahmen dieser Studie wurde das Risiko der Einschleppung mit einem 70 %igen und das Risiko der Ausbreitung mit einem 30 %igen Anteil angenommen. Das Rechenmodell zur linearen semi-quantitativen Bestimmung ist flexibel einsetzbar und kann jederzeit neueren Erkenntnissen angepasst werden. Die Auswertung der Tierseuchendatenbank TSN© hat im Hinblick auf die Fischseuchen VHS, IHN und KHV-Infektion ergeben, dass die jährliche Inzidenz der VHS in Deutschland seit 1995 abgenommen hat, jedoch der relative Anteil in Niedersachsen seit einigen Jahren tendenziell zunimmt. Im Falle der KHV-Infektion werden im weltweiten Vergleich sehr viele Ausbrüche in Deutschland amtlich festgestellt, wobei die Vorschriften zur Meldung von Tierseuchenausbrüchen hierzulande auch für Zierfische konsequent umgesetzt werden. Die Zahl der KHV-Ausbrüche bei Koikarpfen ist seit 2007 deutlich rückläufig, während diese Entwicklung bei Nutzkarpfen nicht bestätigt werden kann. Allerdings ist der Anteil KHV-Befunde bei Nutzkarpfen im Vergleich zu Koikarpfen deutlich geringer. Im Hinblick auf die KHV-Infektion wird die Bekämpfung durch die Tatsache erschwert, dass in der Regel weder Zierfischhandlungen noch Gartenteiche der Eigenkontroll- und Überwachungsverpflichtung gemäß der FischSeuchV unterliegen. Es ist daher von großer Bedeutung, dass eine deutliche Trennung der Nutz- und Zierfischhaltung gesichert wird. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bereits zu einer Durchseuchung der Aquakulturbetriebe und der natürlichen Gewässern mit diesem Erreger gekommen ist. Das KHV wurde in Niedersachsen jedoch bis dato nicht in teichwirtschaftlichen Betrieben mit Nutzkarpfenproduktion nachgewie-sen. Die IHN wird gemäß Auswertung der TSN©-Daten im Vergleich zu der VHS und der KHV-Infektion in Deutschland und in Niedersachsen deutlich seltener nachgewiesen. Allerdings verlaufen IHN-Infektionen häufig stumm und werden demnach u. U. amtlich nicht festgestellt. Im Zuge der Auswertung der seitens der zuständigen Behörden erhobenen epidemiologischen Angaben in der Tierseuchendatenbank TSN© konnte festgestellt werden, dass der Einschleppungsweg sehr häufig als unbekannt angegeben wurde. Sofern konkrete Angaben zum gesicherten oder vermuteten Einschleppungsweg gemacht wurden, überwog die Angabe Zukauf deutlich. Als Erkenntnis aus dieser Studie ist v. a. festzustellen, dass die Art der Erfassung epidemiologischer Daten zu Ausbrüchen von Fischseuchen in der Tierseuchendatenbank TSN© der Anpassung an die besonderen Eigenschaften der Produktionsform Aquakultur und der Fischseuchen bedarf, um die statistische Aussagekraft zu verbessern. Im Hinblick auf das Potenzial der niedersächsischen Aquakulturwirtschaft vor dem Hintergrund der Seuchenentwicklung und der Vorschriften der Fischseuchenbekämpfung kann geschlussfolgert werden, dass die traditionelle und die intensive Aquakulturwirtschaft in Niedersachsen sich nur weiterentwickeln kann, wenn die Tierhalter gemeinsam Anstrengungen zur Optimierung der Betriebshygiene und des Betriebsmanagements sowie zur Minimierung des Risikos der Erregereinschleppung unternehmen. Es müssen aber auch politische bzw. behördliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine Weiterentwicklung der Aquakultur ermöglichen und fördern