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    Empfindliches Gleichgewicht : zum Antike-Bild in Goethes "Winkelmann und sein Jahrhundert"

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    Die Ursache fĂŒr die lang anhaltende AktualitĂ€t der Winckelmannschen Kunstgeschichte und fĂŒr ihre AnschlußfĂ€higkeit in bezug auf den Weimarer Klassizismus liegt in der poetisch-emphatischen QualitĂ€t des Werks und seinem ĂŒberragenden GrĂŒndungsanspruch. KĂŒnstler zu bilden und Menschen Ă€sthetisch zu erziehen ist Winckelmanns Legat an Goethe und Schiller. Dieses wird am Ausgang der Klassikperiode durch Winkelmann und sein Jahrhundert in der prekĂ€ren Balance zwischen NormativitĂ€t und HistorizitĂ€t festgeschrieben. VerbĂŒrgt wird dieses Gleichgewicht durch das »Anschauen«, das schon Novalis in seinen Fichte-Studien und seiner »poĂ«t[ischen] Theorie der Fernröhre« ĂŒber die Aporien der spĂ€ten Querelle hinweg als aktive Konstruktion des Gegenstands durch den Betrachter und als epistemologisches Grundproblem der Darstellbarkeit reflektiert

    “alles ist zur Stille umgestaltet” : Rilkes lyrische "Spiele" im Kontext des Symbolismus

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    Rilkes wenig beachtete Dramen, die aus der Zeit zwischen 1894 und 1902 stammen, stellen nur einen kleinen Teil des vom Autor selbst wie von der traditionellen Rilke-Forschung ausgegrenzten frĂŒhen Werkes dar. Die unspektakulĂ€ren Gehversuche auf dramatischem Gebiet orientieren sich – wie es fĂŒr den jungen Rilke typisch ist – an den verschiedenen Stilrichtungen en vogue und sind daher denkbar unterschiedlicher Machart. Zeitlich parallel zur grĂ¶ĂŸeren Gruppe der naturalistischen StĂŒcke entsteht eine Reihe von Versdramen, die dem lyrischen Werk zugeschlagen werden. Diese Zuordnung trĂ€gt dem Aufkommen des lyrischen Dramas im französischen Symbolismus Rechnung. Wie die Rezeptionsgeschichte der beharrlich abgewiesenen BĂŒhnenentwĂŒrfe MallarmĂ©s dokumentiert, erfordert seine konkrete Umsetzung die Etablierung neuartiger ReprĂ€sentationsstrategien. Damit situiert sich das lyrische Drama im grĂ¶ĂŸeren Kontext eines umfassenden, gesamteuropĂ€ischen Retheatra-lisierungsprozesses, in dem der mimetische, Sprache und Handlung identifizierende BĂŒhnendialog des traditionellen Illusionstheaters im ausgehenden 19. Jahrhundert seine programmatische ToterklĂ€rung erlebt. Die Verbindung der epochalen Grundtendenz umfassender Sprachskepsis und -erneuerung mit den einschneidenden Umstrukturierungen im VerhĂ€ltnis der KĂŒnste untereinander wird besonders auf der BĂŒhne, im innovativen Konzept des Theaterkunstwerks (v. a. in Verbindung mit der Tradition der Wagnerschen Musikdramen) sinnfĂ€llig, das dem literarischen Werkbegriff entgegengesetzt ist und nonverbale Gestaltungsebenen – Tanz und Pantomime, Musik, Licht und Farbe – in den Vordergrund stellt. In diesem epochalen Entwicklungszusammenhang soll die bei Rilke marginale Gruppe der lyrischen Dramen verortet werden, deren Bedeutung, wie ich zeigen möchte, in ihrer poetologischen Relevanz liegt

    Maria im Experiment : Rilkes Hellerau

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    KĂŒnstlerkolonien sind ein gesamteuropĂ€isches PhĂ€nomen: Seit der Romantik verbreiten sie sich ĂŒber die Sprach- und Staatsgrenzen hinweg und vernetzen sich miteinander. Im Deutschland der Jahrhundertwende florieren kleine und große KĂŒnstlergemeinschaften, seien es stĂ€dtische wie Berlin-Wilmersdorf und die DarmstĂ€dter Mathildenhöhe, seien es lĂ€ndliche wie Rilkes Worpswede oder Goppeln und Hellerau bei Dresden. Vom Elan der Lebensreform getragen, werden sie zu Wiegen der Avantgarde. Die VerschrĂ€nkung von sozialem Reformwillen und Jugendkult, kĂŒnstlerischem Experiment im Geist der Sezession und europĂ€ischer Ausrichtung prĂ€gt das seinerzeit berĂŒhmte, bis in die 1990er Jahre jedoch eher vergessene Hellerau in besonderer Weise

    Kreuzwege der Moderne in Hellerau : Anmerkungen zu Rilke und Claudel

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    In 1912 and 1913, the Neohellenic theatre festivals of the experimental stage in Hellerau become a meeting point of the Europeen avant-gardes. The musical stage reform of Appia and Jaques-Dalcroze was a decisive for the evolution of modern drama and dance. It is, however, hardly compatible with conservative concepts of poetry, which is shown by Claudels production of his mystery play VerkĂŒndigung (L' Annonce faite Ă  Marie) in Hellerau and by Rilke's criticism

    "Wildnis" als Wunschraum westlicher "Zivilisation" : zur Kritik des Exotismus in Peter Altenbergs "Ashantee" und Robert MĂŒllers "Tropen"

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    Das "Wilde" als eine Variante zahlreicher europĂ€ischer Fremdheitskonzeptionen, die in ihrer Unbestimmtheit meist nur auf ein defizitĂ€res Anderssein verweisen, hat im Europa des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts Konjunktur. Die Literatur des kolonialen Zeitalters oder auch erste Stummfilme3 bedienen sich selbstverstĂ€ndlich abenteuerlich-exotischer Kulissen des "Wilden", seien es "nichtzivilisierte" Landschaften, Tiere oder Menschen und Kulturen. In zoologischen GĂ€rten wie Hagenbecks Tierpark (1907) werden exotische Tiere in Freigehegen zur Schau gestellt, deren panoramatische Szenarien dem Besucher in nachgebauter authentischer landschaftlicher Umgebung die Illusion einer gefahrlosen AnnĂ€herung auf freier Wildbahn verschaffen. Das populĂ€re Interesse besonders an Raubtieren schlĂ€gt sich in Deutschland noch zur Stummfilmzeit in der Produktion von Raubtier-Sensationsspielfilmen durch den Bruder des Hamburger TierhĂ€ndlers und Zoodirektors Carl Hagenbeck, John, nieder. In diesen Filmen entsteht fĂŒr den Zuschauer, u.a. mit Hilfe von cut-ins aus den Freigehegen der Tierparks, die analoge Illusion eines gemeinsamen Raumes zwischen JĂ€ger und Beute: "As the open zoo used trenches and moats, cinema also enlistened technology – that is, recording and montage – in order to efface the bars of the cage." Die neuen urbanen Schau-PlĂ€tze Zoo und Kino erscheinen im Kontext des epochalen Exotismus als Medien mit zirzensischer Vorgeschichte, die auf einer Abfolge sensationeller Nummern aufbauen und dem Zuschauer die Möglichkeit einer genußvollen AnnĂ€herung an das gefĂ€hrliche oder andersartige Wilde in einem "gemeinsamen" Raum suggerieren. Damit ist eine wesentliche Facette des populĂ€ren Exotismus der Jahrhundertwende skizziert, der nervenkitzelnde Illusionen von ZugĂ€nglichkeit und AuthentizitĂ€t des Andersartigen schafft, indem bestehende Distanzen in hochartifiziellen imaginĂ€ren RĂ€umen verwischt und negiert werden, wĂ€hrend der Betrachter sich in Sicherheit weiß

    Den "Geist der Nacht" sehen : Stimmungskunst in Hofmannsthals lyrischen Dramen

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    Hugo von Hofmannsthal ist eigenen Aussagen zufolge kein Schriftsteller, der seine Inspiration aus der Musik schöpft, wie die Autoren der Romantik oder des französisch-sprachigen Symbolismus: „Ich bin ein Dichter, weil ich bildlich erlebe“, lautet der demonstrativ-lakonische Ausspruch des jungen Literaten von 1894. Trotz seines selbst diagnostizierten Musik-Defizits avanciert Hofmannsthal in der langen Zusammenarbeit mit Richard Strauss zum bedeutendsten Librettisten seiner Zeit, dessen Texten der Komponist eine fundamentale MusikalitĂ€t attestiert. Neben der visuellen Grundorientierung existieren latente, aber markante ZĂŒge einer musikalischen Poetologie. Diese ist, wie anhand der ersten drei lyrischen Dramen Hofmannsthals gezeigt werden soll, eng mit dem Begriff der „Stimmung“ liiert, dessen Ursprung in den musikalischen Kosmogonien des Pythagoreismus und Platonismus mit der Idee einer verborgen tönenden, Mensch und Natur beeinflussenden Harmonie der SphĂ€ren liegt. SpĂ€testens seit 1800 wird das klangmetaphysische Konzept der SphĂ€ren- und Weltharmonie, das am nachhaltigsten der deutsche Stimmungsbegriff transponiert, massiv von anthropomorphen Fortschreibungen ĂŒberlagert, die den kosmogonischen Kern zur Metapher oder Konnotation depotenzieren und in disparate einzelwissenschaftliche Definitionen auflösen. Daher können sich um 1900 in einem umgangssprachlich gewordenen Stimmungs-begriff musikalische, literarische, philosophische und psychophysische Diskurse kreuzen, deren Vernetzungen seinen proteischen und synĂ€sthetischen Charakter betonen. Zugleich entstehen disziplinenspezifische Prototheorien, die großteils nicht mehr ineinander ĂŒbersetzbar sind

    Renaissance

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    Zu Lebzeiten Goethes [G.] existierte noch kein Epochenkonzept, wohl aber ein disparates, andelbares Renaissance-Bild in Philosophie, Historiographie und Literatur. Das im Laufe des 18. Jhs. aufkommende historische Denken entwickelte zunĂ€chst, bei Bayle und Voltaire, das aufklĂ€rerische Konzept der « renaissance des lettres et des arts ». Die neue Kultur der italienischen Renaissance wurde entweder mit der Exilierung Gelehrter beim Fall Konstantinopels 1435 (Katastrophentheorie) oder mit dem Import neuen Wissens durch die KreuzzĂŒge (Kreuzzugstheorie) erklĂ€rt und auf unterschiedliche Art mit der deutschen Reformation in Verbindung gebracht. Vorherrschend war im 18. Jh. ein unreflektiertes GefĂŒhl der Verbundenheit mit der neuzeitlich- fortschrittlichen Kultur der Renaissance. Eine dem Epochenbegriff von Jules Michelet und Jacob Burckhardt (1855/1860) entsprechende, klare Grenzziehung zwischen SpĂ€tmittelalter und Renaissance ist noch nicht zu erwarten. „Epoche“ bedeutete zunĂ€chst Einschnitt oder Schwelle, noch keine EntitĂ€t im Sinne des spĂ€ten Historismus

    Das Gattungskonzept in der neueren deutschen Literaturwissenschaft : ein historisch-systematischer Abriss

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    Dem literaturwissenschaftlichen Begriff der ‘Gattung’ wird seit jeher Skepsis entgegengebracht. Neben der Fundamentalkritik des italienischen Philosophen Benedetto Croce verweist in den 1960er Jahren auch der Germanist Peter Szon-di im Rahmen seiner Untersuchungen zur Zwittergattung des lyrischen Dramas im Fin de SiĂšcle auf den Fassadencharakter von Gattungsetiketten, wenn er konstatiert, dass der Name oder Begriff einer Gattung eine IdentitĂ€t in der Sache vortĂ€usche, die er mitnichten verbĂŒrgen könne. Angesichts solch pointierter Auffassungen, die Gattungskonzepte als pure Begriffsfiktionen vollstĂ€ndig infrage stellen, ist es sinnvoll, sich einen Überblick ĂŒber die unterschiedlichen Auffassungen von dem, was Gattungen sein sollen, zu verschaffen und sich die historische Bedingtheit dieser Konzeptionen zu verdeutlichen. Spricht man von literarischen Gattungen und deren Beschreibung, so hat man es immer mit theoretischen Konstrukten sowie mit unterschiedlichen Textbegriffen zu tun. Beide sind verĂ€nderlich und in ihrer FĂ€higkeit, literarische PhĂ€nomene zu klassifizieren, auch in je spezifischer Weise begrenzt

    DNA glycosylases: in DNA repair and beyond

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    The base excision repair machinery protects DNA in cells from the damaging effects of oxidation, alkylation, and deamination; it is specialized to fix single-base damage in the form of small chemical modifications. Base modifications can be mutagenic and/or cytotoxic, depending on how they interfere with the template function of the DNA during replication and transcription. DNA glycosylases play a key role in the elimination of such DNA lesions; they recognize and excise damaged bases, thereby initiating a repair process that restores the regular DNA structure with high accuracy. All glycosylases share a common mode of action for damage recognition; they flip bases out of the DNA helix into a selective active site pocket, the architecture of which permits a sensitive detection of even minor base irregularities. Within the past few years, it has become clear that nature has exploited this ability to read the chemical structure of DNA bases for purposes other than canonical DNA repair. DNA glycosylases have been brought into context with molecular processes relating to innate and adaptive immunity as well as to the control of DNA methylation and epigenetic stability. Here, we summarize the key structural and mechanistic features of DNA glycosylases with a special focus on the mammalian enzymes, and then review the evidence for the newly emerging biological functions beyond the protection of genome integrit

    Torquato Tasso : Goethes Antwort auf Rousseau

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    Im folgenden sollen Aspekte dieses ambivalenten Orientierungsrahmens beleuchtet werden, die fĂŒr Goethes BeschĂ€ftigung mit dem Renaissance-Dichter Torquato Tasso im weiteren Entstehungskontext des gleichnamigen Dramas von 1789 relevant sind. ZunĂ€chst wird fĂŒr die grob skizzierte deutsche Tasso-Rezeption des spĂ€teren 18. Jahrhunderts die Bedeutung zweier grundverschiedener Verbindungswege zur französischen Literatur und Philosophie nachgezeichnet, die Goethe selbst reflektiert. Diese Reflexionen verbleiben jedoch im Allgemeinen und geben keinen Aufschluß ĂŒber konkretere AnknĂŒpfungspunkte fĂŒr die Gestaltung seines Tasso-StĂŒckes, obwohl eine nĂ€here Verbindung zu Rousseau und seiner Tasso-Rezeption zu vermuten steht. Es gilt daher, fĂŒr diesen französisch-deutschen Transfer mentalitĂ€tsgeschichtliche und intertextuelle BezĂŒge von den philosophischen und literarischen Werken Rousseaus zu Goethe zu rekonstruieren, und zwar anband einschlĂ€giger Texte aus dem Umkreis der Empfindsamkeit und Empfindsamkeitskritik. Auf diese Weise kann eine latente rezeptiongeschichtliche Linie aufgezeigt werden, die von Rousseaus epochemachendem Briefroman Julie ou la Nouvelle Heloise (1761) ĂŒber Goethes Werther (1774) zu Torquato Tasso (1789) fĂŒhrt, den Goethe selbst dezidiert als »gesteigerten Werther« bezeichnet. Hierauf aufbauend wird schließlich eine Lesart des Tasso entwickelt, die der bisher fĂŒr Goethe wenig beachteten Verbindung zur Entzweiungsphilosophie Rousseaus Rechnung trĂ€gt und diese Perspektive auf den Horizont der Weimarer Klassik, aber auch auf den simultanen der Romantik bezieht
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