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    Intuitive Interaktion: Eine Exploration von Komponenten, Einflussfaktoren und Gestaltungsansätzen aus der Perspektive des Nutzererlebens

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    Intuitive Interaktion gilt im Bereich technischer Produkte als unumstößliche Maxime. Der Intuitivitätsbegriff ist durchweg positiv konnotiert und wird dementsprechend auch gern in Marketingkampagnen aufgegriffen. Was genau das Prädikat intuitiv verspricht, ist jedoch nicht ganz klar. Teils wird der Begriff im Zusammenhang mit sogenannten natürlichen Technologien wie Touch oder Gestensteuerung verwendet (z.B. Antle et al., 2009; Knopfle & Voss, 2000; Macaranas, 2013), teils für die Bezeichnung von besonders reduzierten User Interfaces (z.B. Ntina et al., in press; Olmstead, 2012), teils auch einfach zur Bezeichnung von bereits bekannten, etablierten Interaktionskonzepten (z.B. Blackler et al., 2010; Hurtienne & Israel, 2007). Wo also liegt der wahre Schlüssel zur intuitiven Interaktion? Ein Blick in die Literatur der noch relativ jungen Forschungsdisziplin der intuitiven Interaktion bietet verschiedene Hinweise. Typische Bestandteile von Definitionen sind beispielsweise die Anwendung von Vorwissen (z.B. Blackler et al., 2002; Mohs, Hurtienne, Kindsmüller, et al., 2006; O’Brien et al., 2008a), die Unbewusstheit des Rückgriffs auf Vorwissen (z.B. Bærentsen, 2000; Blackler, 2006; Macaranas, 2013; Naumann et al., 2007), teilweise bestehen auch Bezüge zu klassischen Usability-Kriterien wie Effektivität (z.B. Mohs, Hurtienne, Kindsmüller, et al., 2006; Naumann et al., 2007). Insgesamt zeigen bestehende Ansätze somit relevante Kriterien und verwandte Konzepte auf, das Konzept wird durch umgebende Konzepte eingekreist. Was jedoch fehlt, ist eine nähere Beschreibung des Phänomens selbst – was macht intuitive Interaktion aus, wie fühlt sie sich an, wo liegen Unterschiede zur Gebrauchstauglichkeit? Die vorliegende Arbeit nähert sich dem Phänomen der intuitiven Interaktion aus einer Erlebnissicht. Anhand eines dualen Ansatzes kombiniere ich theorie- und empiriegeleitete Einsichten zur Intuition und beziehe mich hierbei sowohl auf die psychologische Entscheidungsforschung als auch auf Nutzerbefragungen im Bereich Mensch-Technik Interaktion. Mein Anliegen war es, das Erlebnis intuitive Interaktion in seiner Gesamtheit besser zu verstehen, konstituierende Komponenten und relevante Einflussfaktoren zu identifizieren, sowie mögliche Ansatzpunkte für die Forschung und Gestaltung zu explorieren. Diesem Ziel habe ich mich in einem schrittweisen Prozess genähert. Hieraus sind fünf Fachartikel entstanden. Artikel 1 beschreibt die Herleitung meines Modells der intuitiven Interaktion und die Konstruktion eines entsprechenden Fragebogens. Das INTUI-Modell unterscheidet vier Komponenten intuitiver Interaktion: Mühelosigkeit, Bauchgefühl, Verbalisierungsfähigkeit und Magisches Erleben. Basis für das Modell waren in der Fachliteratur aufgeführte Merkmale intuitiven Entscheidens sowie Nutzer-Interviews zur intuitiven Interaktion. Der INTUI-Fragebogen erfasst die vier Komponenten anhand von sechszehn Items. Verschiedene Typen intuitiver Interaktion können durch das Muster der relativen Ausprägung der Komponenten beschrieben werden, sogenannte INTUI-Pattern. Eine Reihe von drei Studien (N=64, N=37, N=233) diente zur Erprobung und Validierung des Fragebogens. Die Faktorenstruktur konnte repliziert werden, die interne Skalenkonsistenz war zufriedenstellend. Eine vergleichende Analyse von Erlebnissen intuitiver Interaktion zeigte produktspezifische INTUI-Pattern: Beispielsweise zeichnete sich intuitive Interaktion mit Haushaltsgeräten durch eine hohe Verbalisierungsfähigkeit aus, wohingegen intuitive Interaktion im Bereich Unterhaltungselektronik vor allem mit hohen Komponentenwerten für Bauchgefühl einherging. Artikel 2 untersucht die Rolle der Vorerfahrung von Nutzern bei der intuitiven Interaktion sowie Zusammenhänge zur Aufgabenperformanz. Zwei Studien (N=115, N=37) zeigten signifikante Veränderungen des INTUI-Pattern in Abhängigkeit von der Nutzer-Expertise: Nutzer mit einem hohen Ausmaß an Vorerfahrung bewerteten die Interaktion als müheloser. Nutzer mit einem niedrigen Ausmaß hingegen bewerteten die Produkte höher auf den Skalen Magisches Erleben und Bauchgefühl. Artikel 3 berichtet Effekte weiterer Einflussfaktoren im Kontext der intuitiven Interaktion. In Übereinstimmung mit Reihenfolge-Effekten bei der Eindrucksbildung (Primacy-Recency-Effekte, vergleiche z.B. Hogg & Vaughan, 2008) zeigte eine Studie zum Einflussfaktor Urteilsintegration (N=33) eine überproportionale Berücksichtigung von zu Anfang oder Ende einer Aufgabe stattfindenden Interaktionen für das globale Intuitivitätsurteil. Die Exploration des Effekts des Nutzungsmodus (Goal Mode vs. Action Mode, N=115) zeigte spezifische Effekte für das resultierende INTUI-Pattern: Im Action Mode stand die Komponente Magisches Erleben im Vordergrund, im Goal Mode waren Verbalisierungsfähigkeit und Bauchgefühl stärker ausgeprägt. Eine Analyse von begleitenden Emotionen zeigte abermals einen Effekt der Nutzer-Vorerfahrung: bei erstmaliger Nutzung lagen die emotionalen Reaktionen im Bereich hohen Arousals und neutral-positiver Valenz, bei wiederholter Nutzung wanderten die Werte in den Bereich niedrigen Arousals, bei weiterhin neutral-positiver Valenz. Abschließend werden weiterführende Fragestellungen und modelltheoretische Ableitungen diskutiert. Eine Ableitung aus den Ergebnissen zum Einflussfaktor Vorerfahrung ist das Modell der Nutzungsdomänen: Ähnlich wie die Expertise in einer Produktdomäne das INTUI-Pattern beeinflusst und über die Zeit verändert, könnte dies auch der Fall sein für die Distanz zwischen Anwendungsdomäne und Ursprungsdomäne (Ursprung des Vorwissens, das intuitive Interaktion ermöglicht). Das Modell nimmt an, dass Magisches Erleben und Bauchgefühl mit der Transferdistanz ansteigen, wohingegen Mühelosigkeit und Verbalisierungsfähigkeit abnehmen. Artikel 4 präsentiert ein integratives Modell der intuitiven Interaktion, das die bisherigen Forschungsergebnisse zusammenfasst und anhand von Beispielen sowie Ableitungen für Forschung und Gestaltung diskutiert. Das integrative Modell unterscheidet zwischen Einflussfaktoren erster Ordnung (Produkt, Nutzer, Kontext) und zwischen diesen liegenden Einflussfaktoren zweiter Ordnung (Transferdistanz, Nutzungsmodus, Urteilsintegration). Die Verknüpfung der bislang einzeln beforschten Faktoren in einem integrativen Modell verdeutlicht nun auch mögliche Verbindungen und wechselseitige Einflüsse zwischen den Faktoren, wie beispielsweise die Transferdistanz als ein wichtiges Bindeglied zwischen Produkt und Nutzer (bzw. dessen Vorerfahrung). Der Artikel schließt mit einer Diskussion bislang noch nicht abschließend geklärter Forschungsfragen. Eine besondere Herausforderung bildet hier die Komponente Verbalisierungsfähigkeit. Anders als aus der Entscheidungsforschung und unserer Alltagserfahrung bekannt – eine Entscheidung wird dann als besonders intuitiv erlebt, wenn keine bewusste Reflexion stattfindet und die Grundlage des eigenen Handeln kaum zu verbalisieren ist – kann als positiv und intuitiv erlebte Interaktion mit Technik durchaus mit reflektierten Entscheidungen/Handlungsschritten einhergehen. Unter Berücksichtigung von Forschungsergebnissen im Bereich Affordances wird die Komplexität des Produkts als ein in diesem Zusammenhang zu berücksichtigender Faktor vorgeschlagen. Artikel 5 untersucht die Abbildung von intuitiver Nutzung durch die INTUI-Komponenten im Vergleich zu Definitionskomponenten anderer Forscher sowie die Vorhersagen des Domänenmodells. In einer empirischen Studie (N=152) zeigte sich für alle abgefragten Komponenten eine signifikante Zustimmung, für die INTUI-Komponenten war die Zustimmung am stärksten. Paarweise Kontraste zeigten eine klare Trennung der INTUI-Komponenten und der anderen Definitions-Komponenten, jedoch jeweils keine signifikanten Unterschiede innerhalb der beiden Gruppen. Dies zeigt, dass das INTUI-Modell ein gutes Abbild dessen ist, was Nutzer allgemein unter intuitiver Interaktion verstehen und verdeutlicht zudem den Mehrwert gegenüber bestehenden Modellen und Definitionen. Die bislang nur theoretischen Überlegungen im Rahmen des Domänen-Transfer-Modells konnten empirisch bestätigt werden. Bei einer paarweisen Gegenüberstellung von neun verschiedenen Nutzungsszenarien unterschiedlicher Transferdistanz stuften die Studienteilnehmer jeweils das Szenario mit höherer Transferdistanz als den treffenderen Fall intuitiver Interaktion ein und beurteilten auch die Komponenten Magisches Erleben und Bauchgefühl als höher. Für das Szenario mit geringerer Transferdistanz waren hingegen die Komponenten Mühelosigkeit und Verbalisierungsfähigkeit stärker ausgeprägt. Auch zeigte sich eine Sensibilität für graduelle Unterschiede in der Transferdistanz (gering, mittel, hoch), was die Annahme der Transferdistanz als zugrundeliegenden Faktor bestärkt. Weiterhin beschreibt Artikel 5 die Balance zwischen Transferdistanz und Abrufbarkeit des relevanten Vorwissens als generalisierbares Designprinzip. Die vorliegende Arbeit liefert einen weiteren Beitrag zur Beantwortung der Frage nach dem Schlüssel intuitiver Interaktion. Der Frage nach dem Schlüssel voraus ging allerdings zunächst die Frage nach dem aufzuschließenden Tor, dem Erlebnis intuitive Interaktion. Das INTUI-Modell liefert ein erweitertes Verständnis intuitiver Interaktion sowie Gestaltungsansätze für verschiedene INTUI-Pattern. Der INTUI-Fragebogen eröffnet die Möglichkeit, diese auch in Evaluations- und Forschungsstudien abzubilden. Die Beschreibung von Nutzungserlebnissen anhand der relativen Ausprägung der vier INTUI-Komponenten erlaubt eine Differenzierung von verschiedenen Typen intuitiver Nutzung. Neben der Kategorisierung zu Forschungszwecken können INTUI-Pattern auch zur Skizzierung des intendierten Nutzungserlebnisses im Design genutzt werden. Insbesondere Artikel 4 und Artikel 5 diskutierten zudem Ansatzpunkte für die Ableitung von konkreten Designprinzipien zur Unterstützung spezifischer Komponenten der intuitiven Interaktion. Limitationen der vorliegenden Studien und weiterführende Fragestellungen werden diskutiert

    Gestaltung intuitiv benutzbarer Softwareanwendungen mit der IBIS Methode

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