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    In vitro Rekonstruktion der neurovaskulären Einheiten des Gehirns und der Retina auf einem Organ-on-a-chip System zur Modellierung degenerativer Erkrankungen

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    Die Zahl degenerativer Erkrankungen wie Parkinson oder diabetische Retinopathie steigt weltweit. Trotz der drastischen Zunahme sind diese Erkrankungen bis heute nicht heilbar. Infolgedessen ist die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden und potentieller Wirkstoffe zur Therapie der Erkrankungen von enormer Bedeutung. Dabei gestaltet sich die Validierung der Wirksamkeit dieser Wirkstoffe sowie eine direkte Erforschung im Patienten schwierig. Folglich werden Tierversuche herangezogen, die jedoch aufgrund speziesspezifischer Unterschiede häufig nicht auf den Menschen übertragbar und ethisch schwer vertretbar sind. Infolgedessen beschäftigt sich das Tissue Engineering mit der Entwicklung von in vitro Modellsystemen, welche menschliches Gewebe oder Organe so exakt wie möglich abbilden sollen. Besonders im Fokus stehen dabei Organ-on-a-chip Systeme. Dies sind mikrofluidische funktionelle Modellsysteme, die zur Nachbildung von miniaturisierten Organsystemen und Krankheitsbildern eingesetzt werden können. Solche Modelle auf Basis humaner Zellen können zukünftig zur spezifischeren Wirkstofftestung sowie zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten beitragen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die in vitro Rekonstruktion der retinalen neurovaskulären Einheit (rNVU) im Auge sowie der neurovaskulären Einheit (NVU) im Gehirn im Organ on a chip System vasQchip. Der vasQchip besteht aus einem porösen halbrunden Mikrokanal, welcher zur Nachbildung eines Blutgefäßes mit Endothelzellen ausgekleidet und zur Erzeugung eines artifiziellen Blutflusses an eine Mikrofluidik angeschlossen werden kann. Das umliegende Kompartiment ermöglicht die Rekonstruktion von vaskularisierten 3D-Gewebe. Um die physiologischen Besonderheiten der beiden vaskulären Einheiten zu berücksichtigen, war die Etablierung einer dichten Barriere der Blut-Hirn-Schranke (BBB) in der NVU sowie der inneren Blut-Retina-Schranke (iBRB) in der rNVU maßgeblich. Die iBRB und BBB gewährleisten einen geregelten Stoffaustausch zwischen Retina beziehungsweise Gehirn und dem Blutsystem. Der dichte Barrierecharakter wird unter anderem durch Tight Junctions zwischen benachbarten Endothelzellen und durch spezifische Transporter wie den Efflux Pumpen sichergestellt. Zur Etablierung eines dichten iBRB-Endothels im vasQchip wurden geeignete Kultivierungsbedingungen im Mikrokanal untersucht und optimiert. Durch das Anlegen eines Flusses und den daraus resultierenden Scherkräfte konnte ein dichtes iBRB-Endothel im Mikrokanal des vasQchips erzielt werden. Auch weitere Zelltypen der rNVU wie Perizyten und Astrozyten tragen zur Ausbildung und Aufrechterhaltung der iBRB bei. So konnte nach Validierung einer Kokultur der drei Zelltypen im vasQchip eine erhöhte Expression spezifischer Barriere-Marker sowie die Funktionalität einer der wichtigsten Gatekeeper der Barrierefunktion, die Efflux Pumpe P gp, festgestellt werden. Auch erste Ansätze zur dreidimensionalen Kultivierung von Astrozyten in Gerüststrukturen wie natürlichen Hydrogelen auf Kollagenbasis und semi synthetischen Hydrogelen (GelMA), welche die extrazelluläre Matrix (EZM) imitieren, wurden erzielt. Hierbei wurden Hydrogele verwendet, die der Festigkeit von retinalem Gewebe entsprechen. Im letzten Schritt wurde das iBRB Modell inklusive Perizyten und Astrozyten so verändert, dass es das Krankheitsbild der diabetischen Retinopathie abbilden konnte. So konnte ein Funktionsverlust der iBRB durch eine verminderte Expression wichtiger Barriere Marker sowie eine höhere parazelluläre Permeabilität erzielt werden. Durch zusätzliche Behandlung mit einem in der Literatur bewährten potentiellen Wirkstoff konnte die Barrierefunktion der iBRB zwar erhöht, aber nicht zuverlässig regeneriert werden. Im Vergleich zur iBRB/rNVU gibt es zahlreiche BBB/NVU-Modelle, welchen es jedoch häufig an einigen Zelltypen der NVU fehlt. Neben Perizyten, Astrozyten, Mikroglia und Endothelzellen wurde das NVU-Modell im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls aus Neuronen aufgebaut. Diese wurden aus humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) differenziert und hinsichtlich ihrer Morphologie, Expression zelltypischer Marker und Aktivität evaluiert. Nach einer Untersuchung von geeigneten Kultivierungsbedingungen konnte ein Kokultur-Modell der fünf Zelltypen einschließlich Neuronen im vasQchip etabliert und validiert werden. Auch die in der Literatur beschriebenen positiven Einflüsse der Zellen auf die Barrierefunktion im Endothel konnte mithilfe von RT qPCR Analysen und TEER-Messungen sowie einem Funktionalitätstest der Efflux Pumpe BCRP bestätigt werden. Zur Entwicklung eines 3D-Gewebemodells wurden Neuronen zur Ausdifferenzierung in natürliche Hydrogele auf Kollagenbasis und semi synthetische Hydrogele (GelNB/GelS) eingebracht, welche in ihrer Festigkeit dem Hirngewebe ähneln. So wirkte sich zwar die Einbettung der Neuronen auf die Viabilität der Zellen negativ aus, dennoch konnte im natürlichen Hydrogel ein dichtes neuronales Netzwerk erzeugt werden. Diese dreidimensionalen Netzwerke wurden anschließend in das vollständige NVU Modell im vasQchip integriert und fluidisch langzeitkultiviert. Auch mithilfe des 3D Bioprintings wurden erstmals iPSC-differenzierte Neuronen trotz mangelnder Ausrichtung im druckbaren GelNB/GelS auf dem vasQchip extrudiert und fluidisch kultiviert. Im letzten Schritt wurden erste Ansätze zur Abbildung des Krankheitsbilds von Parkinson in Form einer Neuroinflammation erzielt. So konnte eine Aktivierung der Mikroglia sowie ein Funktionsverlust der BBB nachgewiesen werden. Darüber hinaus wurde mithilfe von Wirkstoffen zur Therapie von Parkinson und neuartigen Drug Delivery-Systemen die Eignung des vasQchips als Testmodell für therapeutische Wirkstoffe überprüft. Anhand der vorliegenden Arbeit wurden wichtige Erkenntnisse zur Krankheitsmodellierung und Wirkstofftestung erzielt, die als Fundament zur Entwicklung einsatzfähiger in vitro Organsysteme fungieren. Durch Kombination verschiedener Technologien des Tissue Engineerings wie 3D Bioprinting und Stammzellsystemen können langfristig exakte Nachbildungen von Organen erzielt werden und damit zur Behandlung von degenerativen Erkrankungen beitragen
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