Critical Realism, kritische politische Ökonomie und das gesellschaftskritische Potenzial der Güterkettenforschung

Abstract

Ich analysiere in dieser Masterarbeit das gesellschaftskritische Potenzial ausgewählter Stränge der Güterkettenforschung, indem ich wissenschafts-, gesellschaftstheoretische und sozialwissenschaftliche Auseinandersetzungen zusammendenke. Die Motivation dazu entspringt der Annahme, dass sich die Relevanz sozialwissenschaftlicher Auseinandersetzungen über deren Fähigkeit erschließt, ihren Untersuchungsgegenstand adäquat zu beschreiben. Unter der wissenschaftstheoretischen Perspektive des Critical Realism zeige ich, inwiefern differenzierte, ontologische und epistemologische Annahmen auf Gesellschaftskritik beruhen und Gesellschaftskritik damit notwendiger Teil einer adäquaten Gegenstandsbeschreibung ist. In der Gesellschaftstheorie einer Kritischen Politischen Ökonomie konkretisiere ich diese Annahmen. In Referenz zu diesen Auseinandersetzungen bestimme ich das gesellschaftskritische Potenzial zweier ausgewählter Stränge der Güterkettenforschung – der dominanten Erzählung der Güterkettenforschung nach Gary Gereffi sowie des class-relational framework nach Benjamin Selwyn. Angeleitet durch eine inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse befrage ich die Stränge auf wissenschafts-theoretischer Ebene, inwiefern sie sich kritisch zu ihrem Gegenstand verhalten, welche Konzeption von Realität und der Möglichkeiten ihrer Erschließung ihnen zugrunde liegt, und inwiefern Macht- und Herrschaftsverhältnisse in ihnen Berücksichtigung finden. Auf gesellschaftstheoretischer Ebene frage ich vor dem Hintergrund einer Kritischen Politischen Ökonomie nach einer adäquaten Konzeption der Gegenstände ‚Ökonomie‘, ‚Staat‘, ‚Natur‘, ‚Raum‘, und ‚der Transformation gesellschaftlicher Verhältnisse‘ im Rahmen der Stränge. Anhand der Beantwortung dieser Fragen ziehe ich Rückschlüsse auf das gesellschaftskritische Potenzial der Stränge und komme dabei zu folgenden Ergebnissen: Eine Betrachtung der dominanten Erzählung der Güterkettenforschung nach Gereffi auf wissenschaftstheoretischer Ebene lässt das Potenzial zur Gesellschaftskritik erkennen. Die dominante Erzählung weist eine angemessene, räumliche Konzeption globaler Ökonomie auf und benennt Machtverhältnisse auf Unternehmensebene. Allerdings verfolgt sie keine umfassende theoretische Einbettung ihrer Einsichten und verhält sich nur eingeschränkt kritisch zu ihrem Gegenstand. Diese Limitierungen übersetzen sich auf gesellschaftstheoretischer Ebene in unzureichende Gegenstandskonzeptionen und lassen die dominante Erzählung der Güterkettenforschung überwiegend nicht gesellschaftskritisch wirken. Die Bewertung des class-relational framework nach Selwyn fällt gegenläufig aus. Aufbauend auf den Stärken und in kritischer Abgrenzung zu den Einschränkungen der dominanten Erzählung der Güterkettenforschung verhält sich der class-relational framework kritisch zu seinem Gegenstand, nimmt eine umfassende theoretische Einbettung seiner Annahmen vor und erweitert den zuvor auf Unternehmen zentrierten Blick für gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Diese Charakteristika übersetzen sich auf gesellschaftstheoretischer Ebene in weitgehend differenzierte Gegenstandskonzeptionen. Wobei ich durch mein Vorgehen zeige, dass auch der class-relational framework in seinem Potenzial zur Gesellschaftskritik noch gestärkt werden kann. Die vergleichende Analyse der Stränge führt mich zu der Schlussfolgerung, dass die Güterkettenforschung das Potenzial besitzt, gesellschaftskritische und relevante Forschung hervorzubringen. Ein Vorgehen wie in dieser Masterarbeit kann dieses Potenzial weiter stärken, indem es wissenschafts- und gesellschaftstheoretisch informiert auf Auslassungen und Lücken im Rahmen einzelner Stränge aufmerksam macht und zur konstruktiven Debatte darüber anregt

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Last time updated on 14/10/2021

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