1834 research outputs found
Sort by
Calvinoturcismus – Turcopapismus: Turkisierungsmotive im kontroverstheologischen Diskurs des 16. Jahrhunderts
Da in der Reformationsepoche die Religion der Muslime (seinerzeit „Türken“ genannt) ebenso wie der Glaube der gegnerischen Konfession als Häresie wahrgenommen wurde, bot sich den Vertretern christlicher Rechtgläubigkeit auf beiden Seiten des konfessionellen Grabens der polemische Vergleich des konfessionell Anderen mit dem muslimischen „Türken“ als probate Methode verunglimpfender Diskreditierung an. Die Praktik der Turkisierung gegnerischer Lehrmeinungen hatte über hundert Jahre lang Konjunktur und bildete nachgerade einen eigenen Diskurstypus aus. In der vorliegenden Arbeit werden zum einen anhand einschlägigen Quellenmaterials die diskursiven Vergleichsmomente der Turkisierungsstrategie herausgearbeitet; zum anderen werden eine Schrift und deren Gegenschrift aus dem englischen Reformationskontext, die mit ihren Titelneologismen „Calvinoturcismus“ und „Turcopapismus“ das Phänomen des Turkisierungsdiskurses begrifflich auf den Punkt brachten, in den historischen und diskursiven Zusammenhang ihres Zeitalters eingeordnet
Medizinisches Wissen und koloniale Macht: Die Entdeckung der Tropenkrankheit Kala-Azar in Britisch-Indien
Ende des 19. Jahrhunderts versprach die neu etablierte Tropenmedizin mit innovativer Labortechnik und neu entwickelten Medikamenten die Beherrschung von Krankheiten und Epidemien in den Kolonien. Die geschichtswissenschaftlich kaum erforschte Krankheit Kala-Azar (Viszerale Leishmaniose) wurde 1869 erstmals in Indien beschrieben und entvölkerte ganze Regionen. An ihrem Beispiel zeigt die vorliegende Studie die unterschiedlichen Phasen der Generierung von Wissen zu einer zunächst unbekannten Krankheit auf. Die Erforschung von Kala-Azar war maßgeblich vom Austausch erster wissenschaftlicher Erkenntnisse geprägt und diente darüber hinaus auch den Zielsetzungen von Wirtschaft und Politik in Britisch-Indien. Erste Untersuchungen zu Kala-Azar fanden auf den Teeplantagen in Assam statt, da dort besonders hohe Todesraten verzeichnet wurden. Mehrere Generationen von Wissenschaftlern in Europa und Britisch-Indien bildeten ein Wissensnetzwerk zu Kala-Azar. Indische Forscher hatten ab dem frühen 20. Jahrhundert Anteil an der co-construction of knowledge (Kapil Raj). Die vorliegenden Ergebnisse sind ein Beitrag zur Dekonstruktion „des“ Westens auf dem Feld der Medizingeschichte
Late medieval Southeast Europe between Latin Christianity, Eastern Orthodoxy, and Ottoman Islam
Dieses Buch bietet eine umfassende Analyse des spätmittelalterlichen Wandels in Südosteuropa, der durch das Zusammenspiel von lateinischem Christentum, orthodoxem Christentum und osmanischem Islam geprägt wurde. Es untersucht, wie religiöse Identitäten politisch instrumentalisiert wurden und welche Auswirkungen dies auf die historischen Narrative der Region sowie auf die moderne Geopolitik hatte. In drei thematischen Abschnitten beleuchtet das Buch zentrale Konzepte, Terminologie und historiografische Verzerrungen, bietet eine faktenbasierte Übersicht über politische, militärische und religiöse Entwicklungen vor und während der osmanischen Eroberung und analysiert die soziokulturellen Auswirkungen der osmanischen Herrschaft. Besonderes Augenmerk liegt auf der Rolle von Krieg, Konversion und institutionellem Wandel sowie auf der Umgestaltung städtischer und religiöser Strukturen. Durch die Dekonstruktion nationalistischer Mythen und ideologischer Verzerrungen trägt dieses Werk zu einem nuancierten Verständnis der umkämpften Vergangenheit Südosteuropas bei. Mit einer Fülle an Primärquellen, historiografischen Analysen und visuellen Materialien bietet es einen kritischen Rahmen für die Auseinandersetzung mit der komplexen Geschichte der Region und ihrem nachhaltigen Einfluss auf den zeitgenössischen politischen Diskurs
Fan-Fiction im Spannungsverhältnis zwischen Urheberrecht und Kunstfreiheit
Wem gehört Kultur? Es ist Aufgabe des Rechts, auf diese im Medienzeitalter zentrale Frage eine Antwort zu geben. Dabei müssen die kollidierenden Interessen der Betroffenen ausgeglichen werden: Auf der einen Seite wollen Künstler ihre bestehenden Werke vor Nachahmung und Entstellung schützen, auf der anderen Seite wollen Nutzer dieser Werke als sog. Prosumer selbst künstlerisch tätig werden und bestehende Werke nicht nur konsumieren, sondern sie als Inspiration für die Herstellung von Referenzkunst verwenden. Ziel dieser Arbeit ist es, das Phänomen Fan-Fiction als literarische Referenzkunst anhand der aktuellen Rechtslage in Deutschland und der Europäischen Union zu bewerten. Es wird aufgezeigt, dass Fan-Fiction in einem Spannungsverhältnis zwischen den im Urheberrecht zugunsten des Urhebers ausgestalteten Grundrechten Eigentumsgarantie und Urheberpersönlichkeitsrecht sowie den Grundrechten Kunstfreiheit und Informationsfreiheit des Fan-Fiction Autors steht. Anhand einer Herausarbeitung der verfassungsrechtlichen Grenzen dieser Grundrechte zeigt sich, dass das Urheberrecht bereits das Ergebnis praktischer Konkordanz durch den Gesetzgeber ist und die rechtliche Beurteilung von Fan-Fiction einer verfassungskonformen Auslegung im Einzelfall bedarf. Die daraus folgende Frage, ob Fan-Fiction im Einzelfall eine unzulässige Urheberrechtsverletzung oder eine zulässige Kunstausübung ist, wird anschließend anhand des deutschen Urheberrechtsgesetzes und der europäischen Richtlinie 2001/29/EG (InfoSoc-RL) untersucht. Dafür wird zunächst die Entstehung und das Erlöschen des Urheberrechts an Werkteilen des Originalwerks am Beispiel von Werktiteln, fiktionalen Begriffen, fiktionalen Figuren und handlungsspezifischen Elementen aufgezeigt. Anschließend wird untersucht, welche Verwertungsrechte und Urheberpersönlichkeitsrechte des Urhebers der Referenzkünstler durch die Herstellung von Fan-Fiction Werken verletzt. Die Untersuchung schließt ab mit einer Analyse der Anwendbarkeit von Schutzbereichsbegrenzungen und Schranken, welche dem urheberrechtlichen Werkschutz zugunsten von Fan-Fiction Grenzen setzen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem neuen Kriterium der Wiedererkennbarkeit in der EuGH Rechtsprechung und der freien Benutzung, der Zitatschranke sowie der neue Pastiche-Schranke des Urheberrechtsgesetzes. Die Untersuchung zeigt, dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte "kunstspezifischen Betrachtung" bei verfassungskonformer Auslegung des Urheberrechts ein wirksames Instrument darstellt, um der Kunstfreiheit von Fan-Fiction Autoren Geltung zu verschaffen. Die Arbeit schließt mit einer Darstellung der Rechtsfolgen für den Fan-Fiction Autor im Falle einer Verletzung des Urheberrechts an Originalwerken und einem Vorschlag von Lösungsansätzen
The Otherness of the Other Interface: Relationality and Corporality between Fellow Human Beings and Fellow Machines (Mitmaschinen)
Culturally based criticism often treats the idea of a disembodied virtuality in the digital world with extreme skepticism yet, at the same time, celebrates this very detachment from material ties (as is the case in transhumanism). These one-sided alternatives are based on a desire to answer the “what” questions relating to human-machine relations; in other words, to determine the precise substance of “real humans” or the cybernetic core of the machine. Questions of this type, which regularly dominate the ongoing debate, merely emphasize the shortcomings of the available answers. The proposal is, therefore, to switch to a relational view (“how” questions) to better describe phenomenologically the otherness of “fellow machines” and the machinic
Das Kollisionsrecht von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen – Darstellung der anzuwendenden Kollisionsnormen des Vereinbarungsstatuts und ihrer Probleme
Die Arbeit untersucht die Kollisionsnormen, die für die Beurteilung der Wirksamkeit von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen mit Auslandsbezug relevant sind. Dabei wird analysiert, nach welchem Recht ein Gericht die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung prüft (Vereinbarungsstatut). Schiedsvereinbarungen ermöglichen es den Parteien, staatliche Gerichtsbarkeit auszuschließen und private Schiedsgerichte anzurufen. Dreh- und Angelpunkt hinsichtlich der Frage des anwendbaren Rechts bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung ist das New Yorker Übereinkommen (UNÜ), dem 172 Vertragsstaaten angehören. Daneben existieren weitere Abkommen, die jedoch zu sehr ähnlichen Ergebnissen führen. Deutsche Gerichte stellen, wenn es keine explizite Rechtswahl für die Schiedsvereinbarung gibt, zumeist auf das Recht des Hauptvertrags als konkludente Rechtswahl ab, es sei denn, es gibt Anhaltspunkte für eine andere Rechtswahl. Demgegenüber legen Gerichtsstandsvereinbarungen die Zuständigkeit eines bestimmten staatlichen Gerichts fest. Wesentliche Rechtsquelle ist hier der Art. 25 der Brüssel Ia-Verordnung. Hinsichtlich der Formerfordernisse und der Frage der Einigung ergibt sich eine unmittelbare materiellrechtliche Regelung. Daneben existieren Aspekte, die auf Basis des Kollisionsrechts des Landes des vereinbarten Gerichts beurteilt werden. Weitere Aspekte sind gesondert anzuknüpfen. In dieser Arbeit wird herausgearbeitet, dass sowohl hinsichtlich Schiedsvereinbarungen, als auch hinsichtlich Gerichtsstandsvereinbarungen Probleme und Unklarheiten auftreten bei der Frage, nach welchem Recht die Wirksamkeit zu beurteilen ist, wenn keine explizite Rechtswahl getroffen wird. Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten wird den Parteien daher empfohlen, eine Rechtswahl explizit für eine Schiedsvereinbarung bzw. eine Gerichtsstandsvereinbarung zu vereinbaren
Grundbegriffe digitaler Kultur
Beschreibungen und Deutungen von Phänomenen digitaler Kultur greifen häufig auf Begriffe mit längerer Geschichte zurück, ohne diese zu explizieren. Ihre implizite Geschichte wirkt jedoch in das theoretische Verständnis der identifizierten Phänomene hinein und bestimmt so den Blick auf diese mit. Eine Reflexion der genetischen Dimension tradierter Begrifflichkeiten trägt deshalb entscheidend dazu bei, das allgemeine Verständnis der beschriebenen Phänomene digitaler Kultur zu schärfen. Grundbegriffe digitaler Kultur sind dazu angehalten, nicht der Neuheit ihrer Objekte schlicht aufzusitzen, sondern den Beschreibungshorizont zu erschließen, in dessen Rahmen die von ihnen erfassten Phänomene jeweils thematisch werden. In einem zunehmend inter- bzw. transdisziplinären Forschungsfeld wie der digitalen Kultur wird dieser Beschreibungshorizont wesentlich durch einen fachspezifischen Kontext mitbedingt. Daher entwickeln die hier versammelten Beiträge paradigmatische Grundbegriffe digitaler Kultur aus Sicht verschiedener Disziplinen wie der Geschichtswissenschaft, Literaturwissenschaft, Medienwissenschaft, Philosophie und Soziologie. Die Beiträge des vorliegenden Bandes eröffnen dadurch Möglichkeiten, auf kategoriale Begriffe neu zuzugehen und tragen so dazu bei, auch ungewohnte Facetten geläufiger Begriffe digitaler Kultur in die Aufmerksamkeit zu heben
Nicht-traditionelle Studierende: Begriffe, Diskurse und Empirie: Ein systematisches Literaturreview
Im Diskurs rund um Studierende hat sich die Unterscheidung zwischen traditionellen und nicht-traditionellen Studierenden im Verlauf der Jahre etabliert. Während traditionelle Studierende präzise(r) gerahmt werden können, differieren Definitionen des Gegenstücks sehr stark. Dieses systematische Review analysiert daher 196 Publikationen und bietet einen Überblick über bestehende Verständnisse von nicht-traditionellen Studierenden. Die leitende Forschungsfrage lautet: Wie werden nicht-traditionelle (Fern-)Studierende im (inter-)nationalen Forschungsdiskurs definiert und erforscht? Die ausgeprägte Heterogenität dieser Studierenden erschwert eine klare Zuordnung, was theoretische und empirische Herausforderungen mit sich bringt. Die Ergebnisse zeigen die Notwendigkeit einer stärkeren strukturtheoretischen Betrachtung, um diese Zielgruppe innerhalb von (Fern-)Hochschulen besser zu erfassen. Dies ist besonders relevant vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen wie dem demografischen Wandel, der Digitalisierung sowie sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheiten, die die Hochschulbildung zunehmend beeinflussen. Dadurch können Dynamiken von Ungleichheitsreproduktion innerhalb von Strukturlogiken des Hochschulstudiums kritisch bearbeitet werden, etwa im Hinblick auf Stereotypisierungen und Homogenitätserwartungen.The distinction between traditional and non-traditional students is well-established, yet standardized definitions for the latter remain lacking. This systematic review analyzes 196 publications and provides an overview of existing understandings of non-traditional students. The guiding research question is: How are non-traditional (distance education) students defined and studied in the (inter)national research discourse? The pronounced heterogeneity of these students complicates clear classification, posing theoretical and empirical challenges. The findings highlight the need for a stronger structural-theoretical approach to better capture this target group within (distance) higher education institutions. This is particularly relevant in light of global challenges such as demographic change, digitalization, and social and economic inequalities that increasingly impact higher education. Consequently, dynamics of inequality reproduction, such as stereotypes and expectations of homogeneity within the structural logic of higher education, can be critically addressed