Gethmann, Carl Friedrich

Münchener Theologische Zeitschrift (Katholisch-Theologische Fakultät der LMU München)

Buchbesprechungen 109 M u c k , Otto, Die transzendentale Methode in der neuscholastischen Philosophie der Gegen-wart, Innsbruck, 1964. 8°, X V I u. 328 S. -Entgegen der starren und ablehnenden Hal-tung zwischen den Vertretern der kantischen Philosophie und der Neuscholastik im 19. Jahr-hundert hat sich seit ungefähr 40 Jahren ein fruchtbarer Dialog zwischen beiden Richtungen entspannt. Erkannte man einerseits, daß es Kant nicht um die Vernichtung der Metaphysik ge-gangen war, sondern um ihre kritische Begrün-dung (M. Wundt, H . Heimsoeth, M. Heideg-ger), so wurde dem neuscholastischen Denken deutlich, daß die »Wende zum Subjekt« nicht notwendig einen schlechten Subjektivismus be-deutet, sondern eine dem Daseinsverständnis des heutigen Menschen angemessene Neuorientie-rung philosophischen Denkens. Diese Besinnung der Neuscholastik hat sich bisher vor allem auf methodologischem Gebiet vollzogen und bei einer Reihe von Philosophen zur Ausbildung eines geläuterten, auf der Selbstauslegung der Erkenntnis aufbauenden (d. h. transzendenta-len) Denkens geführt. Es ist das Anliegen des Verfassers, in der vorliegenden Studie die Ent-wicklung des transzendentalen Ansatzes in der Neuscholastik aufzuzeigen und die differenzier-ten Untersuchungen systematisch zusammenzu-fassen. Der wesentliche Anstoß zur Ausbildung der transzendentalen Methode als Grundlage der Metaphysik ging von J. Mar^chal aus (vgl. erstes Kapitel 1-98). In seinem umfangreichen Flauptwerk »Le point de derart de la meta-physique« untersucht er zunächst die methodi-schen Grundlagen der verschiedenen metaphysi-schen Systeme, wie sie sich im Laufe der Philo-sophiegeschichte ausgebildet haben, und kommt zu dem Ergebnis, daß sowohl die objektive Methode der klassischen Philosophie als auch die transzendentale Reflexion (wenn man sie von agnostizistischen Uberlagerungen befreit) einen gültigen Zugang für metaphysische Aussagen bilden. Beide Wege können die fundamentale Einsicht, daß jede Erkenntnis nur durch eine apriorische Ausrichtung des Menschen auf das Absolute (Seinsbejahung) ermöglicht ist, von ihrem methodischen Ansatz her aufweisen. Die philosophiegeschichtliche Situation legt es nach Marechal jedoch nahe, mit einer Untersuchung der Möglichkeitsbedingungen im Sinne Kants zu beginnen. Dabei erweist sich jedes Objektsbe-wußtsein als ein dynamischer und intentionaler Akt (was Kant nicht gesehen hatte), der als Be-110 Buchbesprechungen dingung seiner Möglichkeit schon eine unrela-tivierbare Bejahung des Absoluten voraussetzt; durch eine Explikation der in der Seinsbejahung mitgesetzten Elemente lassen sich dann die Themen der traditionellen Metaphysik neu ent-falten. Marechals Versuch blieb nicht ohne Wider-spruch, wie die Darlegungen des Verfassers im zweiten Kapitel (99-178) zeigen. Während eine Reihe von Autoren es für unmöglich hält, durch transzendentales Denken die Immanenz des Be-wußtseins zu übersteigen, kritisieren andere die Beweisführung Marechals. Durch einen genauen Vergleich der Standpunkte gelingt es O. Muck, das Verhältnis zwischen transzendentaler Re-flexion und einem auf der Evidenz der Erfah-rung aufbauenden Denken zu bestimmen: die Bedeutung der Erfahrung wird durch die Aprioriforschung erst in ihrem Geltungsbereich begründet und gesichert. Durch M. Heideggers Anliegen einer Funda-mentalontologie beeinflußt, ist besonders im deutschen Sprachgebiet die transzendentale Me-thode weiter ausgebildet worden. Hier werden J. B. Lötz, K. Rahner und W. Brugger genannt (179-228). Hatte Mar^chal seinen Blick vor-nehmlich auf das erkenntniskritische Problem gerichtet, geht es hier in erster Linie um eine metaphysische Anthropologie und die Gottes-lehre. Das Urteil als der integrale Akt des Den-kens und die Seinsfrage als fundamentale Posi-tion des Geistes gegenüber der Wirklichkeit werden transzendental analysiert; das Ergebnis ist, daß der Selbstvollzug des Menschen nur ver-standen werden kann, wenn den endlichen Geist eine virtuelle Offenheit auf das Sein im Ganzen auszeichnet. Im Anschluß an diese Denker versuchen vor allem A. Marc, B. J. F. Lonergan und E. Coreth, die transzendentale Methode für eine Systema-tik der gesamten Philosophie einzusetzen (229 bis 276). In der »Metaphysik« von E. Coreth -das zur Zeit wohl repräsentative Werk der Marechal-Schule - werden aus dem Ansatz der Frage nicht nur die inhaltlichen Aussagen der Metaphysik entwickelt, sondern auch Methoden-elemente des metaphysischen Fortgangs selbst vermittelt, so daß die Stellung der Metaphysik als voraussetzungsloser Grund- und Gesamtwis-senschaft scharf hervortritt. Die bedeutsamste Leistung O. Mucks sehen wir in der Zusammenstellung der Grundsätze transzendentalen Denkens im letzten Kapitel (273-302). Zusammen mit dem umfangreichen Literaturverzeichnis wird die Studie dadurch zu einer wertvollen »Zwischenbilanz« einer jahr-zehntelangen Forschungsarbeit. Die Lesbarkeit wird leider durch ein etwas befremdliches Ab-kürzungsverzeichnis bei der Zitation erschwert. Innsbruck Carl Friedrich G e t h m a n n 

Muck, Otto: Die transzendentale Methode in der neuscholastischen Philosophie der Gegenwart. - Innsbruck, 1964

Abstract

Similar works

Full text

Available Versions

Münchener Theologische Zeitschrift (Katholisch-Theologische Fakultät der LMU München)