Gewerkschaftliche Gleichstellung der Geschlechter am Beispiel der IG Metall. Selbstverständnis versus Politische Kultur.

Abstract

Vor dem Hintergrund, dass die »Gleichberechtigung der Geschlechter« bereits 1949 im Grundgesetz verankert wurde, stellt sich die Frage, warum fast 70 Jahre später weiterhin in allen Lebensbereichen geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu beobachten sind. Anlässlich des 125-jährigen Jubiläums der IG Metall im Jahr 2016 wird der Frage nachgegangen, wie sich die IG Metall durch die Mitgliedschaft von Frauen* in Bezug auf die Implementierung einer Gleichstellungspolitik verändert hat. Dazu wird das geschlechterdemokratische Selbstverständnis der IG Metall herausgearbeitet, um dieses als Vergleichsfolie zu der Praxis der Gewerkschaftsarbeit zu konzeptualisieren. Die Praxis der IG Metall wird, anhand von empirischer Gruppendiskussionen mit Ehren- und Hauptamtlichen Mitgliedern der IG Metall als politische Kultur operationalisiert. Die Aufmerksamkeit gilt dem Spannungsverhältnis des (diskursiven) geschlechterdemokratischen Selbstverständnisses und der konkreten politischen Praxis der innergewerkschaftlichen Partizipationsstrukturen. Der IG Metall haftet immer noch der Ruf an, eine männlich* dominierte Organisation zu sein, obwohl sie in den letzten Jahrzehnten ein Mitgliederzuwachs an Frauen* verzeichnet, ‚Frauen-Offensiven’ durchgeführt, die Institutionalisierung von Gender-Mainstreaming und Gleichstellungsmaßnahmen erfolgte sowie eine verbindliche Quotierung für Frauen* (gemäß ihrem Mitgliederanteil) forciert wurde. Bei den verabschiedeten Maßnahmen wird deutlich, dass die vorreflexive Zweigeschlechtlichkeit als Strukturmoment des Sozialen nach wie vor ihre strukturierende Wirkung, anhand der sozialen Unterscheidung der Geschlechter, entfaltet. Während der Genderbericht 2011 der IG Metall eine (überwiegend) formal-quantitative Gleichberechtigung konstatiert, zeigen die Gruppendiskussionen, dass in den politischen Gremien der IG Metall, vor allem auf der betrieblichen Ebene, eine anhaltende strukturelle Wirkmächtigkeit von Geschlechterhierarchien festzustellen ist. Diskriminierung und Sexismus äußern sich mittels »qualitativer Differenzen« im Arbeitsalltag, beispielsweise durch die Zuweisung von »Hilfsjobs« ohne Öffentlichkeitswirkung. Drängende Problempunkte, wie die Gleichverteilung von Einkommen und Freizeit, werden organisational als »Frauenthemen« abgehandelt, wodurch die thematische Relevanz nicht gesamtgewerkschaftlich wirksam wird, da diese hauptsächlich in den Sondergremien der IG Metall Frauen* zur Disposition stehen. Frauen* werden so gesamtgewerkschaftlich als das »Andere« betrachtet. Durch die idealisierende oder diskriminierende Repräsentation der »Anderen« zeigt sich ein identitätslogischer Konstruktionsmodus der Gender-Differenz, der die Reproduktion der tradierten Verhältnisse aufrechterhält und erklärt, warum auch nach 70 Jahre keine Gleichheit der Geschlechter konstatiert werden kann

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