Auswirkungen eines Basis-Straßentunnels auf die Luftreinhaltung im Stadtgebiet

Abstract

In den vergangenen Jahren wuchs das Verständnis für die schädliche Wirkung von unterschiedlichen Stoffen immer weiter an. Seitdem versucht auch die Politik, den Ausstoß oder Kontakt mit derartigen Schadstoffen auf ein Minimum zu reduzieren. Mitte der 1990er Jahre trat daher die erste europäische „Luftqualitätrahmenrichtlinie“ (1996/62/EG) in Kraft. Mit dieser ergaben sich für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union einheitliche Vorgaben für die zulässigen Schadstoffkonzentrationen in der Luft. Trotz der langen Übergangsfrist können diese Vorgaben aber immer noch nicht in allen Mitgliedstaaten eingehalten werden. Vor allem in Ballungsräume, wie dem Rhein-Main-Gebiet, kommt es regelmäßig zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte. Dabei ist insbesondere die straßennahe Bebauung von zu hohen Belastungen betroffen. Die Mobilität des Straßenverkehrs resultiert zwangsläufig in überhöhten Lärm- und Schadstoffbelastungen, die sich im Ballungsraum nur schwer auflösen lassen. Diese Problemlage ist auch in der Wissenschaftsstadt Darmstadt zu beobachten. In der Vergangenheit wurden bereits zahlreiche Maßnahmen, u.a. eine Umgehungsstraße, diskutiert, um die innerstädtischen Belastungen zu minimieren. Jedoch waren die bisherigen Maßnahmen entweder noch nicht ausreichend oder sie scheiterten vorzeitig. Vor diesem Hintergrund entstand am Fachgebiet Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universität Darmstadt die Idee, den unerwünschten Verkehr mit einem „Basistunnel“ aus dem Stadtgebiet herauszuholen. Infolge der verkehrlichen Entlastung ließe sich der verkehrsbedingten Ausstoß von Lärm und Schadstoffen reduzieren. Mit der Untersuchung zu den „Auswirkungen eines Basis-Straßentunnels auf die Luftreinhaltung im Stadtgebiet“ soll demnach ermittelt werden, wie sich ein Basistunnel auf die Schadstoffbelastungen in Darmstadt auswirkt und ob dieser einen geeigneten Lösungsansatz darstellt. Zu diesem Zweck wurde zunächst eine Literaturrecherche durchgeführt, anhand derer die bekannten und erhofften Wirkungen von Straßentunneln aufgezeigt werden sollten. Bei der Recherche zeigte sich, dass der Einsatz eines Tunnels aus diversen Gründen erfolgt. Entweder versuchte man eine vorwiegend verkehrliche Entlastung zu erzielen oder man wollte die Schadstoffemissionen auf einem bestimmten Streckenabschnitt verringern. In wenigen Fällen wurde der Bau des Tunnels auch zur Realisierung von städtebaulichen Maßnahmen herangezogen. Einen weiteren, wichtigen Aspekt bildete die Ableitung und Behandlung der Tunnelabluft. Obwohl die notwendigen Filtertechnologien bereits zur Verfügung stehen und mancherorts auch eingesetzt werden, können diese nur sehr wenig zur Luftqualität außerhalb des Tunnels beitragen. Der Einsatz beschränkt sich zumeist auf die Luftreinhaltung innerhalb des Tunnels. Dagegen war der Bau eines Abluftkamins oftmals kostengünstiger und bereits ausreichend wirksam. Bei den Beispielen zeichnete sich aber ebenso ab, dass ein Tunnel auch unerwünschte Entwicklungen, wie eine Induktion oder eine räumliche Verlagerung von Verkehr, auslösen kann. Unter Anwendung der hinzugewonnenen Erkenntnisse wurden anschließend die Tunnelvarianten aus der vorangegangenen Masterthesis von Herrn M. Reubold nochmals betrachtet, um eine möglichst gute Vorzugsvariante für die vertiefende Umweltuntersuchung zu finden. Dabei zeigte sich aber, dass diese Varianten nochmals leicht überarbeitet werden mussten, da die angenommene Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h für die gewählten Tunnelquerschnitte nicht zulässig war. Trotz der Herabsetzung der Geschwindigkeit (80 km/h) ergab sich nur eine geringe Minderung der bisherigen Entlastungswirkung. Den wesentlich größeren Einfluss auf die Wahl der Vorzugsvariante besaß stattdessen die Erweiterung des Messnetzes. Mit dieser sollten vor allem die Auswirkungen im Bereich der Innenstadt (City-Ring) sowie im Umfeld der innerstädtischen Anschlüsse besser erfasst werden. Dort ließen sich oft deutliche Unterschiede zwischen den Varianten feststellen, welche für die Bewertung der Umweltwirkung von großer Bedeutung sind. Besonders aus einem Anstieg der Belastung kann sich dabei ein entscheidender Mangel für die jeweilige Tunnelvariante ergeben. Anhand der ermittelten Mängel und Chancen ließen sich daraufhin weitere Anpassungen an den Varianten umsetzen und bewerten. Unter Einbezug aller Tunnelvarianten erfolgte letztlich die Wahl der Vorzugsvariante für die Umweltuntersuchung. Bei der Vorzugsvariante handelt es sich um Variante T05, welche zwischen dem Osten (B26) und dem Westen Darmstadts (Rheinstraße/Europaviertel) verläuft und über einen zusätzlichen innerstädtischen Anschluss auf der westlichen Bleichstraße (Steubenplatz) verfügt. Mit dieser Tunnelvariante ergab sich die insgesamt beste, verkehrliche Entlastung in Darmstadt. Zwar war im Umfeld des innerstädtischen Portals auch ein Anstieg der Belastung zu beobachten, doch trat dieser bei jeder Variante auf. Zur Abbildung der Langzeitwirkung wurden darüber hinaus verschiedene Zukunftsszenarien festgelegt, mit denen die möglichen Entwicklungen in die Auswertung einfließen sollten. Anhand verschiedener Prognosen wurde jeweils ein Szenario für die Zu- und Abnahme des Verkehrsaufkommens ausgewählt. Diese fanden anschließend eine Ergänzung durch drei Umweltszenarien. Hierfür wurden u.a. aus dem HBEFA 3.3 die Emissionsfaktoren für die Fälle einer „unbeeinflussten Entwicklung der Fahrzeugflotte bis 2030“ (frühste Eröffnung des Tunnels), „nur Euro6-Kfz im Jahr 2030“ (schnellere Flottenerneuerung aufgrund von Fahrverboten und Umweltzonen) sowie für die „vollständige E-Mobilität“ (Entfall aller motorbedingten Emissionen) entnommen. Zusammen mit dem Eintrittszeitpunkt und den berechneten Emissionen im jeweiligen Prognosefall lässt sich anschließend feststellen, wie wirksam der Tunnel als Lösungsmaßnahme ist und wie lange dieser zur Entlastung beitragen kann. Bei der Auswertung der Ergebnisse waren sehr unterschiedliche Auswirkungen zu beobachten. In weiten Teilen Darmstadts konnte man aber eine Reduktion der Schadstoffemissionen erzielen. Vor allem im östlichen Stadtgebiet und der östlichen Innenstadt fielen die Emissionen gegenüber dem Ohnefall um bis zu 80 % niedriger aus. Hier zeigt sich in der Regel eine überproportionale Entlastung infolge eines Wegfalls von Schwerverkehr und einer merklichen Verbesserung des Verkehrsablaufs. Je weiter nördlich bzw. südlich man von dieser zentralen Hauptachse lag, umso schwächer wurde auch die Entlastungswirkung. In den Randgebieten entsprachen die Umweltwirkungen weitestgehend der verkehrlichen Entlastung. Die Schadstoffemissionen nahmen an diesen Stellen gegenüber dem Ohnefall nur noch um bis zu 30 % ab, tw. stellten sich auch keine relevanten Unterschiede mehr ein. In den westlichen Stadtteilen waren dagegen keine relevante Entlastung mehr zu beobachten, da der Großteil des Verkehrs am innerstädtischen Portal ausfuhr und hier wieder überirdisch unterwegs war. Dagegen stellte sich am innerstädtischen Anschluss infolge der Verkehrszunahme durch die ein- und ausfahrenden Fahrzeuge ein überproportionaler Anstieg der lokalen Emissionen ein. Im Vergleich zum Ohnefall fielen die Schadstoffemissionen fast doppelt so hoch aus. Einzig am südlichen Steubenplatz kam es trotz der Verkehrszunahme zu einer Reduktion der Emissionen. Selbst beim Feinstaub, welcher maßgeblich durch Abrieb/Aufwirbelung entsteht und daher stark vom Verkehrsaufkommen abhängt, stellte sich ein Rückgang der lokalen Freisetzungen ein. Dennoch muss man die Entwicklung insgesamt äußerst kritisch betrachten und auch so bewerten. Die Situation am innerstädtischen Anschluss lässt sich hierbei mit den Verhältnissen am bekannten Belastungsschwerpunkt „Hügelstraße“ (östliche Ausfahrt des City-Tunnels) gleichsetzen. Die geschlossene, hohe Bebauung verhindert ebenso den freien Abzug der Schadstoffe, weshalb man auch bei den Immissionen mit einem Anstieg zu rechnen hat. Dementsprechend waren begleitende Maßnahmen zu erörtern, mit denen sich die zusätzliche Belastung mindern und ggf. sogar verhindern lässt. Letztlich bot aber keine der untersuchten Begleitmaßnahmen ein ausreichend hohes Potential, um die Überlastung am innerstädtischen Portal aufzuheben und die Schadstoffemissionen merklich zu reduzieren. Sowohl die beengten Verhältnisse als auch das Fehlen von alternativen Ausweichrouten erschwerte eine bauliche Lösung oder das Umleiten von Verkehr. Aus diesem Grund wurden nochmals ein Vergleich zur konkurrierenden Lösung aus der anfänglichen Wahl der Vorzugsvariante durchgeführt. Mit der Tunnelvariante „T03b“ konnte auf denselben Strecken eine vergleichbare Entlastung erzielt werden, obwohl der innerstädtische Anschluss weiter im Süden lag. Der zusätzliche Verkehr am innerstädtischen Anschluss traf zudem auf eine Strecke, welche genügend Kapazitäten vorhielt und eine wesentlich bessere Belüftung aufweist. Infolgedessen fallen sowohl die Emissionen als auch die Immissionen im Planfall immer noch geringer aus, als dies an den bekannten Belastungsschwerpunkten nach deren erfolgreicher Entlastung der Fall ist. Auf Basis dieser Erkenntnisse stellte T03b letzten Endes die bessere Tunnelvariante dar. Insgesamt zeigte sich, dass der Basistunnel zur langfristigen Entlastung des Stadtgebietes und somit zur Luftreinhaltung beitragen konnte. Insbesondere in den schützenswerten Wohngebieten stellte sich der erhoffte Rückgang der Belastungen ein. Die höheren Schadstoffemissionen am innerstädtischen Portal stellen bei Variante T03b dagegen keine nennenswerte Verschlechterung dar, auch wenn die zusätzliche Belastung von den Anwohnern zunächst kritisch aufgenommen werden dürfte. Letztlich überwiegen aber die bewirkten Entlastungen auf den besonders stark belasteten Streckenabschnitten, wie etwa der Hügelstraße oder der Heinrichstraße. Darüber hinaus bietet der Bau des Basistunnels die Möglichkeit, einen städtebaulichen Prozess einzuleiten. Auf diese Weise ließen sich andere Verkehrsmittel (bspw. Fahrräder) nachhaltig stärken oder der Straßenraum aufwerten und zu einem wesentlich attraktiveren Aufenthaltsbereich umgestalten. Der Nutzen des Basistunnels kann daher nicht ausschließlich anhand der Entlastungswirkung beurteilt werden, vielmehr muss man auch jene Verbesserungen einbeziehen, welche sich erst durch den Bau des Tunnels ergeben

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