Die ideale Familie der Angestellten : Das Familienbild in Falladas "Kleiner Mann - was nun?" im Kontext damaliger Diskurse

Abstract

Zum großen Erfolg, dessen sich "Kleiner Mann―was nun?" erfreuen konnte, trug neben der detaillierten authentischen Schilderung des Milieus kleiner Angestellten nicht zuletzt das Bild des Ehepaars Pinneberg bei. In einer Zeit, wo man sich angesichts des Typus der befreiten "Neuen Frau", steigender Scheidungs-und Abtreibungszahlen, sinkender Geburtenraten im Gegensatz zur Zunahme unehelicher Geburten mit der "Krise der Familie" konfrontiert glaubte, bot der Autor eine Familiengeschichte, die im Zusammenhang mit anderen Diskursen ein ideales und normatives Familienbild der Angestellten entwarf. Die Familie im Roman entsprach aber auch dem Wunschbild vieler kleiner Angestellten, was auch zum durchschlagenden Erfolg des Buches führte. Pinnebergs bilden eine typische Kleinfamilie, der Intimität und Abgeschlossenheit zugeschrieben wird. Damit erhält die Familie den Charakter eines idyllischen Refugiums inmitten der modernen Industriegesellschaft. Der Entwurf einer idealen Angestelltenfamilie ist also weitgehend am bürgerlichen Familienideal orientiert. Die Rolle der Angestelltenfamilie als Refugium wurde in damaligen Diskursen insofern betont, als sich diese neue "Mittelschicht" wegen ihrer herkunfts bezogenen sozialen und wirtschaftlichen Verschiedenheit voneinander unterscheiden wollte und deshalb keine einheitliche, ihre Interessen vertretende Gruppe bilden konnte, die Schutz gewähren und Angst und negative Erfahrungen in der modernen Gesellschaft und in der Krisenzeit hätte auffangen können. Ein anderes Merkmal der bürgerlichen Familie, die Abgeschlossenheit der eigenen Wohnung, die sich Pinnebergs trotz finanzieller Schwierigkeiten nicht nehmen lassen, verleiht der Intimität und Abschottung der Familie von der Außenwelt einen räumlichen Ausdruck. Dieses Bild einer geschlossenen intimen Kleinfamilie dient bei Pinnebergs zur Identitätssicherung als Angehörige der Angestelltenschicht und zur Abgrenzung gegen die Arbeiterklasse. In dieser Familie, wo auch die bürgerlich-patriarchalischen Geschlechterrollen gelten, kommt der Frau eine besondere Bedeutung zu. Emma Pinneberg ist jung und frisch, mutig, klug, weiß ihren Mann zu trösten und zu beraten und gestaltet als moderne Hausfrau ihr Zuhause zum Wohl ihres Manns, der der kalten Außenwelt ausgesetzt ist. Außerdem ist ihre Mütterlichkeit hervorgehoben, nicht nur dem Sohn, sondern auch ihrem Mann gegenüber: Sie bietet beiden Schutz, Wärme und Trost. Emma setzt ihre "Mütterlichkeit", jene "natürliche Bestimmung" der Frauen, für das familiäre Glück ein. Sie stellt ein ideales Bild der häuslichen Frau dar, die ihre Selbsterfüllung im "Hausfrau-und Mutterberuf" sucht und darin ihr höchstes Glück findet

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