Summer, Anita

Süss-Stepancik, Evelyn

Varelija-Gerber, Andrea

Eldorado - Ressourcen aus und für Lehre, Studium und Forschung

A. Frank, S. Krauss & K. Binder (Hrsg.),Beiträge zum Mathematikunterricht 2019. Münster: WTM-Verlag.Seite 813Anita SUMMER, Krems, Evelyn SÜSS-STEPANCIK, Baden b. Wien & Andrea VARELIJA-GERBER, Wien (Fach-)Sprachliche Kompetenzen von Primarstufen-studierenden in Mathematik 1. Einleitung  Sprache ist zweifelsohne eine wesentliche Grundlage für gelingende Lehr- und Lernprozesse und eben daher unabdingbar sowohl für den schulischen Erfolg als auch für den Erwerb mathematischer Grundbildung. Der Einsatz und die Anwendung von (mathematischer) Fachsprache stellt Lernende und Lehrende vor besondere Herausforderungen. Lehrpersonen sind in diesem Zusammenhang sprachliches Vorbild und haben unter anderem die Aufgabe, „die Kinder in ihrer anfänglich noch unsicheren Verwendung der Fachspra-che im Sinne des sprachlichen Korrektivs zu fördern (Götze, 2015).“ Schütte (2009) stellt hier für den Mathematikunterricht der Primarstufe Defizite fest. Um diesen Defiziten entgegenzuwirken und es Lehrerinnen bzw. Lehrern zu ermöglichen, gleichsam selbstverständlich sprachsensiblen Mathematikun-terricht zu planen und zu gestalten, besteht definitiv Handlungsbedarf in Be-zug auf die Ausbildung von Lehramtsstudierenden. Schmidt-Thieme (2009) empfiehlt diesbezüglich, dass Sprache und Erklären auch für angehende Lehrpersonen in ihrer Ausbildung zu akzentuieren ist. Nach Rautenstrauch (2017) liegen jedoch kaum Studien zu den fachsprachlichen Fähigkeiten und nur wenige Studien zum allgemeinen Sprachstand von Lehramtsstudieren-den vor. Um mehr Einsicht in die fachsprachlichen Kompetenzen von Primarstufenstudierenden zu erhalten, wurde im Rahmen einer institutions-übergreifenden Zusammenarbeit (Kirchlich Pädagogische Hochschule Wien/Krems, Pädagogische Hochschule Niederösterreich, Pädagogische Hochschule Wien) der Fachgruppe Mathematik im Frühjahr 2017 das For-schungsprojekt „(Fach-)Sprachliche Kompetenzen von Primarstufenstudie-renden in Mathematik“ gestartet. Neben den Autorinnen dieses Beitrags ar-beiten auch Maria Fast, Monika Musilek und Barbara Riehs am Forschungs-projekt mit, das sowohl die Fachsprache als auch die fachspezifische Nutzung der Bildungssprache betrachtet. Insgesamt soll mit dem Projekt un-tersucht werden, wie sich die (fach-)sprachlichen Kompetenzen von  Primarstufenstudierenden aufgrund von fachmathematischen bzw. fachdi-daktischen Lehrveranstaltungen im Laufe des ersten Studienjahres verän-dern.  A. Frank, S. Krauss & K. Binder (Hrsg.),Beiträge zum Mathematikunterricht 2019. Münster: WTM-Verlag.Seite 8142. Forschungsinstrument und Setting Für die Untersuchung wurde im Sommersemester 2017 ein Fragebogen ent-wickelt, der auf die Erhebung der fachsprachlichen Kompetenzen der Pri-marstufenstudierenden abzielt. Nach einer ersten Testung des Fragebogens am Ende des Sommersemesters 2017 erfolgte im Sommer 2017 eine Über-arbeitung (Streichung von zwei offenen Aufgabenstellungen, Hinzufügen von geschlossenen Antwortformaten, Layout, Einleitung). Nun setzt sich der Fragebogen aus vier verschiedenen Aufgabenstellungen (drei offen, eine geschlossen) sowie Angaben zur Person zusammen. Bei den offenen Aufgabenstellungen handelt es sich um 1) die Fehlerbeschreibung einer schriftlichen Addition, 2) ein Entdeckerpäckchen mit geforderter Be-gründung der Konstanz und 3) die Darstellung zweier verschiedener Lö-sungsmöglichkeiten für die Subtraktion 701 – 698. Bei der vierten Aufga-benstellung sind fünf Aussagen (z. B. „Das Produkt von 24 : 6 ist gleich 4.“) hinsichtlich der korrekten Verwendung mathematischer Fachsprache zu be-werten.  An der ersten Erhebung zu Beginn des Wintersemesters 2017/18 nahmen 494 Primarstufenstudierende (84,63% weiblich, 15,37% männlich) – also die Gesamtkohorte – der drei oben genannten Pädagogischen Hochschulen teil. Für das Wintersemester 2018/19 ist die zweite Erhebung geplant, nachdem die Primarstufenstudierenden an allen drei Pädagogischen Hochschulen im ersten Studienjahr Lehrveranstaltungen zu den Grundlagen der Mathematik, der Arithmetik und Fachdidaktik absolviert haben. 3. Datencodierung und Auswertung Für die Auswertung der ersten drei offenen Aufgabenstellungen des Frage-bogens wurde eingangs vom gesamten Forschungsteam ein Coding Guide mit akzeptablen Lösungswegen und -ansätzen sowie einer einstelliger Ver-codung (0 = falsche/unzureichende Antwort, 1 = richtige/zureichende Ant-wort, 9 = fehlende Antwort) entwickelt. Dabei wurde die (fach-)sprachliche Kompetenz mit folgenden vier Indikatoren operationalisiert: (1) Korrekter Einsatz von mathematischen Fachbegriffen (2) Korrekter Einsatz der (Fach-)Sprache bzw. mathematischen Richtigkeit der (bildungssprachlichen) Aussagen (3) Vollständigkeit der Beschreibung (4) Verwendung eines mathematischen Konzepts („konzeptuell“ versus „prozedural“) A. Frank, S. Krauss & K. Binder (Hrsg.),Beiträge zum Mathematikunterricht 2019. Münster: WTM-Verlag.Seite 815Anhand von Aufgabenstellung 3 wird der hier stark gekürzte Coding Guide vorgestellt. Aufgabenstellung 3: Lösen Sie die nachstehende Rechnung auf zwei ver-schiedene Arten und beschreiben Sie jeweils Ihre Vorgangsweise.  701 – 698 = (1) Korrekter Einsatz von mathematischen Fachbegriffen Der Indikator gilt als erfüllt, wenn mindestens zwei Fachbegriffe (z. B. Minuend, Subtrahend, Differenz, Einer-, Zehner-, Hunderterstelle, ...) explizit genannt werden. (2) Korrekter Einsatz der (Fach-)Sprache bzw. mathematischen Richtigkeit der (bildungssprachlichen) Aussagen Der Indikator gilt als erfüllt, wenn die Aussage mathematisch richtig ist und bei beiden Varianten mindestens ein partieller Vorgang des Rech-nens dargestellt wird. (3) Vollständigkeit der Beschreibung Der Indikator gilt als erfüllt, wenn bei beiden Varianten die Rechen-schritte vollständig und genau beschrieben wurden. (4) Verwendung eines mathematischen Konzepts („konzeptuell“ versus „prozedural“) Der Indikator gilt als erfüllt, wenn mindestens einmal Zahlenrechnen auftritt und bei beiden Varianten ein allgemein übertragbares, verständ-nisbasiertes Konzept erkennbar ist. Die nachstehende Lösung der Aufgabenstellung 3 wurde daher bei Indikator 1 mit 0, bei Indikator 2 und Indikator 3 jeweils mit 1, bei Indikator 4 aber wiederum mit 0 codiert.  schriftliche Subtraktion: ich hab von hinten begon-nen u. mich gefragt: 8 und wieviel ist 11 → = 3, da es 11 ist hab ich mir „1“ gemerkt und mich wieder gefragt, 10 u. wieviel ist 10 → 0 usw.   Umkehrversion: ich habe die größere Zahl als Er-gebnis angeschrieben u. mich gefragt, wieviel + die kleinere Zahl ergibt dies u. bin somit zur gleichen Lö-sung gekommen. Die so erhaltenen Scores (0, 1, 9) wurden ungewichtet additiv indiziert und als metrische Skala dargestellt, damit in weiterer Folge die Sichtbarmachung einer Entwicklung zwischen den beiden Erhebungen möglich ist.  A. Frank, S. Krauss & K. Binder (Hrsg.),Beiträge zum Mathematikunterricht 2019. Münster: WTM-Verlag.Seite 8164. Erste Ergebnisse Die Aufgabenstellung 3 wurde von 492 Studierenden bearbeitet. Dabei zeigt sich, dass 19% mathematische Fachbegriffe bei der Beschreibung einer Sub-traktion aktiv verwenden. Immerhin 40% können bei ihren beiden Lösungs-wegen den selbstgewählten Vorgang bildungssprachlich darstellen. Aller-dings gelingt nur 23% der Erstsemestrigen eine vollständige Beschreibung ihres Rechenvorgangs. Interessant ist, dass 61% scheinbar ein Konzept so-wohl vom Zahlen- als auch vom Ziffernrechnen haben.   Indikator 1 Indikator 2 Indikator 3 Indikator 4 Score 0 80,9% 60,0% 77,1% 39,4% Score 1 19,1% 40,0% 22,9% 60,6% Tab. 1: Häufigkeiten der Scores 0 und 1 für Indikator 1 bis 4 Betrachtet man die Gesamtpunkte bei Aufgabe 3, dann wird deutlich, dass 31% der Erstsemestrigen keine (fach-)sprachlichen Kompetenzen im Be-reich der Subtraktion zu Studienbeginn haben, während bei 6% die volle Punkteanzahl signalisiert, dass hier kaum ein Zuwachs zu erwarten ist.   Abb. 1: Häufigkeitsverteilung der Scores 0 und 1 bei Aufgabe 3 Abb. 2: Häufigkeitsverteilung der Gesamt-punkte bei Aufgabe 3 Literatur Götze, D. (2015). Sprachförderung im Mathematikunterricht. Berlin: Cornelsen. Schmidt-Thieme, B. (2009). „Definition, Satz, Beweis“ Erklärgewohnheiten im Fach Mathematik. In R. Vogt (Hrsg.), Erklären. Gesprächsanalytische und fachdidakti-sche Perspektiven (S. 123–131). Tübingen: Stauffenburg. Schütte, M. (2009). Sprache und Interaktion im Mathematikunterricht der Grundschule. Münster: Waxmann. Rautenstrauch, H. (2017). Erhebung des (Fach-)Sprachstandes bei Lehramtsstudieren-den im Kontext des Faches Chemie. Berlin: Logos Verlag. 80,90%60,00%77,10%39,40%19,10%40,00%22,90%60,60%0%20%40%60%80%100%Indikator 1 Indikator 2 Indikator 3 Indikator 4Score 0 Score 130,70%24,40% 22,60%16,30%6,10%0%5%10%15%20%25%30%35%0 1 2 3 4Gesamtpunkte Aufgabenstellung 3

(Fach-)Sprachliche Kompetenzen von Primarstufenstudierenden in Mathematik

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