Zur ‚Ent-deckung‘ des HI Virus Ein Lackmustest für den Kommunikativen Konstruktivismus

Abstract

In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren ergaben sich in San Francisco ungewöhnliche Krankheitsfälle: Spezielle Krebsarten, Parsitenbefall und Lungenentzündungen traten auf, die bis dahin nur sehr selten vorkamen. Die meisten, die davon betroffen waren, berichteten, dass sie Sex mit anderen Männer gehabt hatten. Dies führte dazu, dass für diese Sammlung der Symptome das Akronym GRID (Gay Related Immuno-Deficiency-Syndrome) benutzt wurde. Der Annahme, dieses Syndrom trete ausschließlich bei homosexuellen Männern auf, widersprach dann die Beobachtung, dass dieses auch bei Männern zu finden war, die erklärten, keinen Sex mit anderen Männern gehabt zu haben. Da auch Frauen von ähnlichen Symptomen betroffen sein konnten, wurde die ursprüngliche Benennung dieses Syndroms problematisch. Der allgemeinere Begriff Acquired Immuno-Deficiency Syndrom (AIDS) wurde eingeführt. Erst nach der „Entdeckung“ eines besonderen Virus (HIV) als wahrscheinlicher Auslöser von AIDS war es möglich, eine Erklärung zu gestalten, durch die HIV/AIDS als sexuell übetragbare Krankheit dargestellt werden konnte. Es folgten öffentliche Sensibilisierungskampagnen. In Deutschland führte das Robert Koch Institut ein zentrales Fallregister ein.Blickt man auf die diskursive Entfaltung dieser Entdeckungsgeschichte des HIV zurück, stellt sich die Frage, wie genau diese als ein zunächst singuläres Ereignis, das durch verschiedene Akteure in Bewegung gebracht wurde, eine Gesellschaft in Bewegung bringen konnte - wie die Idee des Infiziertseins weitere Ereignisse infizieren konnte. Dabei geht es nicht um die Handlungsmacht von Dingen.Das Beispiel bietet vielmehr eine konkrete Möglichkeit, den Kommunikativen Konstruktivismus einem für seine Überzeugungskraft notwendigen Lackmustest zu unterwerfen. Innerhalb dieses Lackmustests wird überprüft, inwiefern dieser Ansatz etwas erklären kann, das mit anderen konstruktivistischen Ansätzen weniger gut möglich ist. KoKo sollte uns z.B. überzeugen können, dass die Bevorzugung der Kommunikation gegenüber dem allgemeineren Begriff des Sozialen einen Mehrwert hat. Einerseits betont KoKo die semiotische Einbindung von Deutungsmustern und anderseits die performative, pragmatische, materielle Verankerung der kommunikativen Gestaltung, durch welche die gestaltete Konstruktion während ihrer Entfaltung auch in ihrer konkreten Wirksamheit nachvollziehbar sei

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