Verschärfung geschlechtlicher Ungleichheiten? Auswirkungen der sozialen Krisen in der EU

Abstract

Die geschlechterkritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Phasen der Finanz-, Wirtschafts- und Eurokrise seit 2008 hat gezeigt, dass diese in mehrfacher Hinsicht mit problematischen Folgen verbunden war bzw. ist: Auf der politischen Ebene wurde einmal mehr die Dominanz des produzierenden Sektors bestätigt, da die meisten Länder auf die realen und befürchteten Einbrüche in diesem Wirtschaftsbereich sofort mit  Konjunkturpaketen und gesetzliche Regelungen  reagierten, während lang anhaltende Krisenerscheinungen im Dienstleistungsbereich, insbesondere in den sozialen Dienstleistungen nur wenig politische Aufmerksamkeit erhielten und noch immer erhalten (1. Krisenwelle). Dies macht sich auch daran bemerkbar, dass die nachfolgenden Konsolidierungsmaßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte vorrangig auf Einsparungen bei den Sozialleistungen, Rentenzahlungen und im öffentlichen Sektor zielten (2. Krisenwelle).  Auf dem Arbeitsmarkt hat das – z.B. in Griechenland oder Spanien – nicht nur zu einem Anstieg von Arbeitslosigkeit, sondern auch von unfreiwilliger Teilzeitbeschäftigung geführt. Die Prekarisierung auf dem Arbeitsmarkt wird verstärkt durch Leistungskürzungen im Falle von Arbeitslosigkeit, sowie Einschnitten bei familienpolitischen Leistungen wie Mutterschutz- oder Elterngeldzahlungen. Diese Entwicklungen haben in Europa – wie auch der EU-Sozialbericht 2013 zeigt – zu einer doppelten sozialen Krise geführt. Nicht nur findet eine Verschärfung der sozialen Lage in vielen europäischen Ländern statt, sondern wird auch die Kluft zwischen den einzelnen EU-Staaten größer – Staaten mit hoher Wirtschaftskraft und relativ niedrigen Arbeitslosenzahlen stehen solche mit schwacher Konjunktur und hohen Erwerbslosenzahlen gegenüber. Die sozialen Krisen in den einzelnen Mitgliedstaaten haben darüber hinaus bereits deutliche geschlechterpolitische Implikationen: Frauen haben nicht nur im EU-Schnitt niedrigere Einkommen, eine höhere Armutsgefährdung und mittlerweile auch (wieder) ein erhöhtes Risiko, arbeitslos zu werden, sondern es sind Anzeichen festzustellen, dass sich ihre soziale und ökonomische Lage weiter verschlechtert: So führt der Stellenabbau im öffentlichen Bereich (z.B. Kinderbetreuungseinrichtungen, Beratungseinrichtungen) dazu, dass nicht nur die Erwerbsmöglichkeiten von Frauen sondern auch die Aussichten für eine gleichberechtigte Arbeitsmarktteilhabe von Müttern eingeschränkt werden. Die Einschnitte bei den Versorgungsleistungen (z.B. Renten-, Arbeitslosenversicherung oder Gesundheitsleistungen) führen zu einer (Re-)Familiarisierung sozialer und gesundheitlicher Risiken sowie zu einer Verlagerung ehemals staatlicher  Aufgaben in den privaten Bereich, wo sie häufig von Frauen unentgeltlich übernommen werden. Schließlich findet auf der politischen Ebene teilweise eine Abkehr von gleichstellungspolitischen Zielen statt, indem – z.B. in Spanien – Gleichstellungsinstitutionen abgebaut werden. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Beitrag  mit den sozialen Folgen der ökonomischen Krise auseinander und fragt, inwieweit diese zu einer Verschärfung geschlechtlicher Ungleichheiten führen. Es wird auf der Basis empirischer Befunde des Sachverständigennetzwerk ENEGE (European Network of Experts on Gender Equality) analysiert, ob sich im Rahmen der Konsolidierungspolitiken übergreifende Muster zwischen einzelnen EU-Staaten zeigen lassen

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