Die Tocopherol-Cyclase katalysiert die Bildung von g-Tocopherol 12 aus dem
Phytylhydrochinon 13 und spielt eine Schlüsselrolle in der Biosynthese von Vitamin E.[33, 34]
Durch Inkubationsversuche mit radioaktiv markiertem Substrat konnte der Mechanismus dieser
Zyklisierungsreaktion aufgeklärt werden.[37] Diese verläuft über eine si-Protonierung der
Doppelbindung von 2 gefolgt von einer re-Attacke des phenolischen O-Atoms.
Das Ziel dieser Arbeit war es, eine Modellverbindung für die Nachahmung dieser
enzymatischen Reaktion zu finden, als eine komplett neue Synthesestrategie für die Herstellung
von enantiomerenreinem a-Tocopherol (1) (Vitamin E).
Das Schema solcher Modellverbindungen (84), die diese Eigenschaften erfüllen könnten, ist
unten dargestellt. Für die Beeinflussung der Zyklisierung wurde eine chirale Hilfsgruppe
basierend auf Prolin gewählt, die eine saure Gruppe (R2) trägt. Die Hilfsgruppe wurde so
angebracht, dass diese nach erfolgter Zyklisierung mittels Hydrogenolyse wieder abgespalten,
und so das gewünschte a-Tocopherol (1) in wenigen Reaktionsschritten erhalten werden kann.
Für die Beeinflussung der Zyklisierung sollte eine geeignete chirale Hilfsgruppe gefunden
werden, mit der ein möglichst hoher Diastereoisomerenüberschuss erzielt werden kann.
Modellverbindungen mit Prolin als chirale Hilfsgruppe:
Als erstes wurden die Modellverbindungen 85 und 105 mit Prolin als chirale Hilfsgruppe,
ausgehend von Phytylbromid 90, synthetisiert. Der Schlüsselschritt dieser Synthese war die
Entwicklung und Durchführung der Mannich-Reaktion von 88 mit Prolin. Als Schutzgruppe
(R) wurde für 85 ein Pivaloyl-Ester und für 105 ein Camphanoyl-Ester verwendet.
Die so erhaltenen Modellverbindungen 85 und 105 wurden anschliessend auf deren
Zyklisierungseigenschaften unter Verwendung von verschiedenen Lewis-Säuren (LS) getestet.
Die durchgeführten Zyklisierungen zeigten, dass mit den entsprechenden Hydrochloridsalzen
von 85 bzw. 105 höhere Diastereoisomerenüberschüsse für die gebildeten Zyklisierungsprodukte
102 bzw. 109 erzielt werden konnten als mit den zwitterionischen Formen. Als bestes
Resultat konnte mit 105·HCl ein Diastereoisomerenüberschuss (de) von 38% bei einer
Ausbeute von 45% erreicht werden, unter Verwendung von AlCl3 als Lewis-Säure.
Modellverbindungen mit Prolinsulphonsäure als chirale Hilfsgruppe:
Die oben durchgeführten Zyklisierungsresultate zeigten, dass Prolin einen Effekt auf die
Diastereoselektivität der Zyklisierungsreaktion ausübt, jedoch konnten durch weitere
Veränderungen der Reaktionsbedingungen keine besseren Resultate erzielt werden. Daher
wurde für die nächsten Modellverbindungen das (S)-Prolin durch Prolinsulphonsäure ersetzt,
wodurch eine Möglichkeit geschaffen werden sollte, die Zyklisierung intramolekular
durchzuführen. Diese Modellverbindungen (112 und 125) wurden dann auf ihre Zyklisierungseigenschaften
hin überprüft, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Zyklisierung mit
Brönsted-Säuren (BS) gelegt wurde.
Die Zyklisierungen der Modellverbindung 112 mit p-TsOH in CH3CN verliefen nur schlecht;
bessere Resultate wurden mit SnCl4 erreicht, wobei als bestes Resultat ein Diastereoisomerenüberschuss
von 28% bei einer Ausbeute von 95% erhalten werden konnte. Mit der Nmethylierten
Modellverbindung 125 konnte mit p-TsOH, unter Verwendung von
Propylencarbonat (PC) als Lösungsmittel, wesentlich höhere Diastereoisomerenüberschüsse
erreicht werden. Dabei konnte für gute Ausbeute (ca. 70%) de’s von 45% erzielt werden. Für
diese Zyklisierungen wurde immer das nicht natürliche (SRR)-Diastereoisomer im Überschuss
gebildete. Weitere Untersuchungen mit einem unsubstituierten Tocopherol-Vorläufer zeigten,
dass die Prolinsulphonsäure alleine nicht azide genug ist, die Zyklisierung zu Katalysieren. Die
Zyklisierung verläuft daher mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht über eine intramolekulare
Protonierung der Doppelbindung.
Modellverbindungen mit Dipeptiden als chirale Hilfsgruppe:
Des weiteren wurden andere Prolin-Derivate als chirale Hilfsverbindung für den diastereoselektiven
Chromanolringschluss getestet. Insbesondere erschienen aber Dipeptide, basierend
auf einer Sequenz aus Prolin und einer beliebig anderen, bevorzugt aber sauren, Aminosäure als
chirale Hilfsverbindung besonders attraktiv zu sein. Zu diesem Zweck wurde die Modellverbindung
(S,S)-Asp-140 durch Kopplung der Asparaginsäure an den Vorläufer (S)-105
hergestellt, und dann unter Verwendung einer Standard-Reaktionssequenz auf deren
Zyklisierungseigenschaften hin untersucht. Diese beinhaltet die Zyklisierung mit SnCl4 und p-
TsOH in CH2Cl2, gefolgt von der Reduktion des Zyklisierungsproduktes zum Camphanoylgeschützten
a-Tocopherol (104). Die Resultate sind nachfolgend zusammengefasst.
Durch die Verwendung von Pro-Asp als chirale Hilfsgruppe konnte die Selektivität der
Zyklisierungsreaktion erheblich gesteigert werden. Vor Allem die Zyklisierungen mit p-TsOH
lieferten hohe de’s von bis zu 78%. Mit SnCl4 konnte als bestes Resultat ein de von ca. 60%
erhalten werden.
Da sich erneut das nicht natürliche (SRR)-Diastereoisomer im Überschuss bildete, wurde die
Stereozentren der chiralen Hilfsgruppe geändert. Die so erhaltene Modellverbindung (R,R)-
Asp-140 wurde ebenfalls auf deren Zyklisierungseigenschaften unter den oben verwendeten
Standardbedingungen getestet. Mit dieser Modellverbindung konnte eine Umkehrung der
Selektivität der Zyklisierungsreaktion erreicht werden. Im Fall von p-TsOH wurden
Diastereoisomerenüberschüsse von 65% zu Gunsten des natürlichen (RRR)-Diastereoisomers
erhalten. Somit war eine chirale Hilfsgruppe gefunden mit der die Zyklisierung effektiv
kontrolliert werden konnte. Mit der gewählten Synthesestrategie war zudem eine Möglichkeit
geschaffen worden, sowohl das (SRR)- als auch das (RRR)-Diastereoisomer von a-Tocopherol
(1) in guter Isomerenreinheit zu synthetisieren.
Zusätzliche Untersuchungen mit den Monomethylestern von (S,S)-Asp-140 zeigten, dass bei
dieser Zyklisierung für eine gute Reaktivität wie auch für eine hohe Selektivität beide
Säurefunktionen benötigt werden. Darüber hinaus spielt die räumliche Distanz zwischen den
beiden Carbonsäuren ebenfalls eine wichtige Rolle, wie das Beispiel einer Modellverbindung
mit Glutaminsäure zeigte, bei der die Carbonsäuren um eine CH2-Gruppe weiter voneinander
entfernt sind. Dieser kooperative Effekt könnte durch das Vorhandensein einer
Wasserstoffbrücke zwischen den beiden Säurefunktionen von (S,S)-Asp-140 erklärt werden,
wodurch die Azidität der an der Zyklisierungsreaktion beteiligten Carbonsäure wesentlich
erhöht wird. Als Zyklisierungs-Mechanismus wäre eine Kaskadenreaktion denkbar bei der das
Proton der p-TsOH über eine oder beiden Säurefunktionen an die Doppelbindung
weitergegeben wird.
Diese Hypothese könnte die gemachten Beobachtungen erklären. Der Zyklisierungsvorläufer
Asp-140 kann daher als Modellverbindung für die Nachahmung des enzymatischen
Chromanolringschlusses angesehen werden