Alzheimer-Demenz als häufigste Demenzform wird vorrangig als eigenständige neurodegenerative Erkrankung gesehen, teilt jedoch mit dem akuten Schlaganfall einige Risikofaktoren. Das Alter scheint dabei der zentrale Faktor zu sein, der die Überlappung beider Erkrankungen erklärt, da sowohl kardiovaskuläre Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie und Diabetes als auch die Häufigkeit der Alzheimerschen Erkrankung und der zerebralen Ischämie mit steigender Lebenszeit zunehmen. Das steigende Interesse an der genauen Aufklärung der Pathomechanismen beider Erkrankungen, kann mit dem demografischen Wandel begründet werden, aus dem die erhebliche absolute Zunahme beider Erkrankungen resultiert und ein enormer volkswirtschaftlicher Kostenaufwand erwächst.
\\Experimentelle Studien sowie klinische Beobachtungen lassen vermuten, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Alzheimerschen Erkrankung und dem Schlaganfall gibt. Es wurde gezeigt, dass Patienten mit einer zerebralen Ischämie in der Anamnese ein erhöhtes Risiko haben an der Alzheimerschen Demenz zu erkranken. Zudem wurde nachgewiesen, dass chronische Hypertonie und experimentelle Schlaganfall-Induktion Alzheimer-artige Veränderungen verursachen, wie z.B. höhere Konzentration von APP und Tau-Phosphorylierung. Gleichsinnig dazu haben Alzheimer-Patienten zum einen ein erhöhtes Risiko für ein ischämisches Ereignis, zum anderen ist das Auftreten eines Schlaganfalls bei Alzheimer-Patienten mit einer schlechteren Prognose vergesellschaftet. Es wurde postuliert, dass β-Amyloid und Ischämie bei gemeinsamem Auftreten schlechtere Konsequenzen hervorrufen, als wenn diese Faktoren einzeln vorkommen.
\\Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass ischämische Ereignisse, insbesondere mildere Formen, in Anwesenheit von hohen Konzentrationen an β-Amyloid größere Infarktvolumina, eine fulminantere Entzündungsreaktion und einen schwereren Gedächtnisverlust verursachen im Vergleich zum alleinigen Auftreten von Ischämie oder β-Amyloid. Die offensichtliche wechselseitige Beeinflussung der pathologischen Veränderungen erschwert die Konzipierung erfolgreicher Behandlungsstrategien. Daher wandten sich verschiedene Forschungsgruppen ab von den Angriffspunkten an typischen Merkmalen der Alzheimerschen Erkrankung (wie β-Amyloid, Tau-Hyperphosphorylierung und cholinerge Dysfunktion) hin zu einem komplexeren Denkansatz mit Berücksichtigung von Neuronen in Assoziation mit Gefäßstrukturen sowie Astro- und Mikroglia, zusammengefasst als neurovaskuläre Einheit (NVU). Das Verstehen der komplexen neurovaskulären Pathologie im Alzheimer-Ischämie-Kontext sollte zur Entwicklung neuerer, spezifischer Behandlungsstrategien führen.
\\Die vorliegende Studie fokussierte dabei auf cholinerge, Cholinazetyltransferase (ChAT)-immunpositive, und katecholaminerge, Tyrosinhydroxylase (TH)-immunpositive, Nervenfasern in Assoziation mit endothelialen Gefäßstrukturen, um die NVU im Alzheimer-Gehirn mit begleitendem Schlaganfall zu untersuchen. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Analyse der ChAT als dem Enzym, dessen Aktivitätsverlust in Zusammenhang mit der altersabhängigen Degeneration von cholinergen Neuronen im basalen Vorderhirn steht. Die Degeneration des cholinergen Systems ist nachweislich involviert in die Progression der Alzheimerschen Erkrankung sowie mitverantwortlich für einen kognitiven Funktionsverlust, bedingt durch Aβ-Vorkommen und Tau-Phosphorylierung.
\\Für die vorliegende Studie wurde in Wildtyp-Mäusen und triple-transgenen (3xTg) Mäusen verschiedener Altersgruppen (3 und 12 Monate) eine unilaterale fokale zerebrale Ischämie induziert. Die 3xTg-Mäuse vereinigen zwei menschliche Transgene (Amyloid-Präkursorprotein und Tau) und sind homozygot für das Knock-in-Konstrukt Präsenilin. Zusätzlich wurden drei 2 Jahre alte 3xTg-Mäuse untersucht um altersabhängige Alzheimer-artige Merkmale nachzuweisen.
\\Histochemische Analysen dienten zum Vergleich der neuronalen und vaskulären Komponenten der NVU sowie der Alzheimer-spezifischen Merkmale. Fluoreszenzmarkierungen bestätigten die Existenz Alzheimer-typischer Charakteristika wie β-Amyloid-Vorkommen und Phospho-Tau zusammen mit glialen Reaktionen und morphologisch verändertem Endothel, das mit \textit{Solanum tuberosum} Lektin (STL, Kartoffellektin) dargestellt wurde. Neben deutlichen morphologischen Veränderungen der Gefäßstrukturen kam es 24 Stunden nach Ischämie-Induktion zu einem drastischen Rückgang der Immunreaktivität für TH und ChAT als neuronalen Komponenten der NVU, vor allem im ischämie-betroffenen Striatum aber auch in ischämiefernen Arealen wie der ischämischen Grenzzone und dem ipsilateralen Neokortex. Aufgrund von Korrelationsanalysen, die eine gleichsinnige Degeneration des cholinergen Systems und des Endothels gezeigt haben, kann man von gleichzeitigen Veränderungen multipler Zelltypen innerhalb der NVU im Ischämie-betroffenen Gehirn mit Alzheimer-Phänotyp ausgehen. Ausgeprägter erschien der beschriebene Effekt auf cholinerge Komponenten jüngerer Mäusen zuzutreffen.
Die vorgelegten Ergebnisse unterstreichen das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Zelltypen innerhalb der NVU im Alzheimer-Gehirn mit ischämischen Veränderungen, einschließlich der Veränderungen des cholinergen Systems in Verbindung mit vaskulären Pathologien. Daher sollten neue Behandlungsstrategien neben bereits etablierten Ansätzen gegen neuronale Degeneration und Tau-Phosphorylierung auch auf zellulärer Ebene eingreifen, z.B. durch Stabilisierung der Integrität von endothelialen und glialen Elementen, eingreifen. Derartige Strategien könnten die Krankheitsentwicklung verzögern und das Krankheitsbild mildern