Dynamische 3D-Reibungsmessung an Hüftendoprothesen

Abstract

Im Sinne einer bauteilnahen Prüfung werden zur tribologischen Untersuchung künstlicher Hüftgelenke experimentelle Simulationen durchgeführt. Sie stellen einen wesentlichen Teil der präklinischen Evaluierung eines Implantatsystems dar. Hintergrund der Verschleißtes- tung sind Erkenntnisse aus der klinischen Forschung, nach denen die biologische Wirkung von Verschleißpartikeln auf den Organismus eine frühzeitige Lockerung des Gelenks zur Folge haben kann. Durch die Verwendung harter, verschleißarmer Materialien für die Gleit- partner und großer Kopfdurchmesser, rückt der Aspekt der Reibung verstärkt in den Fokus. Aktuelle Berichte aus der Klinik legen vielfach ein reibungsindiziertes oder -unterstütztes Versagen nahe. In der vorliegenden Arbeit wird die Erweiterung der experimentellen Simu- lation um die Messung der internen Gelenkreibung vorgestellt, validiert und verifiziert. Die Erkenntnisse aus dem vorliegenden Prüfaufbau erlauben es, Einflüsse auf (A) die Veran- kerung der Implantatkomponenten im Knochen bzw. im umgebenden Zementmantel und (B) die reibungsindizierte Korrosion an Schnittstellen von modularen Implantatsystemen zu evaluieren. Alle Untersuchungen finden für maximal 1000 Bewegungszyklen in einer geschlossenen Kammer unter Berücksichtigung der operativen Pfannenausrichtung statt. Innerhalb die- ses Zeitraumes wurde für alle untersuchten Probenkörpern ein Einlaufen der Gleitpaarun- gen detektiert. Die Implantatkomponenten wurden im Hüftsimulator in physiologischer Orientierung getestet und als Ersatzmedium für die Gelenkflüssigkeit temperiertes Käl- berserum verwendet. Durch die Integration einer hochpräzisen Sechs-Komponenten-Kraft- /Momentensensorik und eines ebenen Luftlagers, das für einen Querkraftausgleich sorgt, wird eine Messunsicherheit des resultierenden Reibmoments von weniger als 0,5Nm er- reicht. Vergleiche mit Referenzstudien an angetriebenen Pendelaufbauten sowie zwischen Messwerten, zum einen aus einem freien Pendel mit konstanter Axiallast und zum anderen aus der physikalischen Theorie, zeigen eine gute Vergleichbarkeit zu den Ergebnissen aus dem Simulator. Erarbeitet und getestet wurden neben der standardisierten Referenz- Kinematik für die Verschleißtestung nach ISO 14242-1 zudem Aktivitätsprofile, die aus Untersuchungen mit instrumentierten Hüftimplantaten und aus der Ganganalyse gewon- nen wurde: Normales Gehen in der Ebene, Treppe auf- und Treppe absteigen. Auf die Reibung bezogen zeigt sich hierbei beim Vergleich der Kinematiken für das Normale Ge- hen, dass die Testung nach ISO 14242-1 der Belastung bei einem Patientengewicht von etwa 100-120 kg entspricht. Bei fortlaufender Simulation wurden bei allen Aktivitäten im Mittel maximale resultierende Reibmomente von weniger als 8Nm sowie Momente um die Schaftkonus-Achse im Mittel von maximal 2-3Nm gemessen. Die Einführung einer zusätzliche Pause zum Zeitpunkt der maximalen resultierenden Hüftkraft erzeugt nach In- itiierung des Ganges Losbrechmomente von über 15Nm, die u.a. abhängig sind von der Materialkombination, dem Spaltmaß zwischen Kopfaußen- und Insertinnendurchmesser, der Pausendauer und der operativen Pfannenorientierung. Eine Erhöhung der axialen Ge- lenkkompression während der Schwungphase des Gangzyklus korreliert bei Gleitpaarungen mit Polyethylen-Komponente mit der resultierende Reibung, bei rein metallischen oder ke- ramischen Kombinationen ist der Einfluss eher marginal. Im Vergleich der Implantatmaterialien für die Gleitpaarung zeigt sich Polyethylen, das gegen einen metallischen oder keramischen Hüftkopf läuft, als am verzeihendsten gegen- über einer Fehlausrichtung der Pfannenkomponente, während besonders große keramische Systeme mit kleinem Spaltmaß eine erhöhte Reibung aufweisen. Bei den hier untersuchten Gleitpaarungen gilt, dass mit zunehmender Kopfgröße auch die Reibung im Hüftgelenk zunimmt, unabhängig von der verwendeten Materialkombination. Es ist naheliegend, dass auf Basis der vorliegenden Messergebnisse Wechselbelastungen aufgrund von Reibung, die während der Gelenkbewegung entsteht, sowohl auf die modularen Schnittstellen zwischen einzelnen Implantatkomponenten, als auch die Verankerung im Knochen über einen langen Zeitraum übertragen werden können. Der Messaufbau zur Bestimmung der dreidimensiona- len, dynamischen Reibung im Hüftgelenk ermöglicht somit die Grundlage zur Untersuchung klinisch relevanter patienten-, implantat- und operationsbezogener Einflussfaktoren über die reine Verschleißbetrachtung hinaus

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