KURZFASSUNG
In dieser Dissertation wird die Experimentelle Kanalcharakterisierung und
deren Grenzen in realenAusbreitungsumgebungen untersucht. Dies beinhaltet
die Aufzeichnung der mehrdimensionalenbreitbandigen Kanalmatrix mit einem
Multiple-Input Multiple-Output (MIMO) Channel-Sounderunter Verwendung von
Antennenarrays auf der Sende- und Empfangsseite. Um den Funkkanalmit Hilfe
der Parameter Sendewinkel (DoD), Empfangswinkel (DoA), Laufzeit (TDoA) und
denkomplexen polarimetrischen Pfadgewichten zu charakterisieren, werden
hochauflösende Parameterschätzverfahrenverwendet. Die Genauigkeit dieser
Parameterschätzergebnisse in ”realen“ Messumgebungenwird durch eine
Vielzahl von Fehlerquellen begrenzt. Diese Genauigkeitsgrenzen
derParameterschätzung werden anhand zahlreicher Simulationen und Messungen
analysiert. Fehlerquellenim gesamten Verarbeitungsablauf werden untersucht.
Dazu gehören die Einschränkungendurch das Messsystem, systematische Fehler
bei der Kalibrierung praktischer Antennenarrays sowieUnzulänglichkeiten des
Funkkanalmodells des hochauflösenden Parameterschätzers. Darüber
hinauswerden die Auswirkungen der Parametrierung bzw. Ableitung geometrisch
basierter Kanalmodelleauf der Grundlage von Parameterschätzergebnissen mit
begrenzter Genauigkeit aufgezeigt.Mit Messungen in typischen
Ausbreitungsumgebungen kann der Funkkanal immer nur in Abhängigkeitder
Messantennen beschrieben werden. Als Ziel wird jedoch eine
antennenunabhängige Beschreibungdes Funkkanals angestrebt. Daher ist es
notwendig, die Sende- und Empfangswinkel derspekularen Ausbreitungspfade
mittels hochauflösender Parameterschätzverfahren zu bestimmen.Der
gradientenbasierte Maximum Likelihood (ML) Parameterschätzer RIMAX, auf dem
diese Arbeitaufbaut, verwendet ein Datenmodell, das den Funkkanal und das
Messsystem inklusive derAntennenarrays beschreibt. Im Gegensatz zu anderen
ML-Parameterschätzern wird ein Funkanalmodellangewendet, welches spekulare
Reflektionen und verteilte diffuse Streuungen berücksichtigt.Für die
Modellierung des Messsystems wird ein effizientes und exaktes Modell der
gemessenenpolarimetrischen Richtcharakteristika benötigt. Das hier
vorgeschlagene Modell, die so genannteEffective Aperture Distribution
Function (EADF), beschreibt die Antennenrichtcharakteristikaanalytisch und
basiert im Wesentlichen auf der zweidimensionalen (2D)
Fouriertransformation derperiodischen Richtcharakteristika. Im Gegensatz zu
anderen Verfahren können auf der Grundlageder EADF die
Antennencharakteristika und ihre Ableitungen mit geringem Aufwand und
hoherGenauigkeit berechnet werden. Für eine exakte Messung der
Richtcharakteristika eines Antennenarrayswird ein vollpolarimetrisches
2D-Kalibrierverfahren vorgeschlagen. Mit diesem Verfahrenwird der komplette
Messaufbau kalibriert. Dazu gehören der MIMO Channel-Sounder, die
dualpolarisierte Referenzhornantenne und alle Hochfrequenzkomponenten außer
dem zu untersuchendenAntennenarray. Im Zusammenhang mit der
Arraykalibrierung wird ein gradientenbasierterML-Parameterschätzer
entwickelt, mit dem eine bei der Kalibriermessung auftretende
Phasenabweichungkorrigiert wird.
DesWeiteren wird ein leistungsstarkes Verfahren zur Bewertung praktischer
Antennenarrays auf derBasis der EADFs gemessener Richtcharakteristika
vorgeschlagen. Die Cram´er-Rao-Schranken derWinkelparameter in Abhängigkeit
des Signal-Rausch-Verhältnisses werden mit dem EADF-Modellanalytisch
berechnet. Der Vorteil des EADF-Modells besteht darin, dass die
Richtcharakteristikaeines realen Antennenarrays unter Einbeziehung aller
störenden Einflussgrößen beschrieben werden.Das vorgeschlagene
Bewertungsverfahren wird anhand von Messungen im Antennenmessraum
verifiziert.Das Modell des Messsystems inklusive der Antennenarrays,
welches für die Parameterschätzungverwendet wird, kann das reale System nur
begrenzt beschreiben. Es wurden Schätzergebnisse vonzahlreichen Messungen
analysiert. Hierbei musste festgestellt werden, dass Fehler bei der
Modellierungzu teilweise unglaubwürdigen Schätzergebnissen führen. Genauer
untersucht werden Fehlerin Bezug auf die Antennenarrays und das Messsystem.
Erstere werden hervorgerufen durchsystematische Fehler bei der
Arraykalibrierung und durch die Verwendung unvollständiger
Datenmodelle(z.B. Nichtberücksichtigung der polarimetrischen Eigenschaften
der Antennen). Letztereentstehen einerseits durch Phasenrauschen und
andererseits durch ungeeignete Kalibrierung. Eswird nachgewiesen, dass die
Verwendung ungenauer Modelle zur Schätzung von Artefakten führt.Diese
Schätzfehler äußern sich in Abweichungen und/oder in einer künstlichen
Aufspreizung derWinkelschätzungen der spekularen Anteile. Es werden
geeignete Methoden vorgeschlagen, um dieAuswirkungen von Modellfehlern
weitestgehend zu vermeiden bzw. zu korrigieren. Betont werdenmuss jedoch,
dass einige Fehler unvermeidbar sind.
Die Auswirkungen aller unvermeidbaren Fehler auf die Experimentelle
Kanalcharakterisierung inkomplexen Ausbreitungsumgebungen werden im letzten
Teil dieser Arbeit dargestellt. Es wird gezeigt,unter welchen Bedingungen
die geschätzten spekularen Anteile sowie die geschätzten verteiltendiffusen
Streuanteile glaubwürdig und physikalisch relevant sind. Die Untersuchungen
basierenauf ”realistischen“ Simulationen des Funkkanals (Ray-Tracing) und
auf Messungen. Diese Synthesegarantiert Glaubwürdigkeit und
Aussagefähigkeit der in der Arbeit gewonnenen Ergebnisse.Die Resultate
dieser Dissertation sind speziell für Wissenschaftler auf dem Gebiet der
Parameterschätzungsowie Funkkanalmodellierung von Interesse und können wie
folgt zusammengefasstwerden:
• die Entwicklung eines Modells zur exakten und effizienten Beschreibung
der Richtcharakteristikavon Antennenarrays,• ein Verfahren zur Bewertung
praktischer Antennenarrays,• die Sensibilisierung für Modellfehler und
deren Auswirkungen auf die Parameterschätzergebnisseund• die Bestimmung der
Grenzen Experimenteller Kanalcharakterisierung unter Berücksichtigungaller
unvermeidbarer Fehlerquellen