research

Dante und der Ursprung des literarischen Kanons

Abstract

Leitende Hypothese meiner Untersuchung ist, daß die Kanonisierung der „Commedia“, die in einer komplexen Situation am Ursprung des neuzeitlichen Literaturbegriffs entstand, nicht einfach als aemulatio literarischer Vorbilder erfolgen konnte, sondern sich auch auf andere, nichtliterarische Begründungen stützen mußte. Die Schwellenposition des Werkes läßt sich gerade an den heterogenen und widersprüchlichen Strategien seiner Kanonisierung ablesen, die es als sakralen, philosophischen, wissenschaftlichen, moralisch-didaktischen oder politischen Text zu legitimieren versuchen. Als Ausgangspunkt wähle ich Harold Blooms Interpretation […] in „The Western Canon“ […]. Ich möchte zeigen, daß Blooms Interpretation der „Commedia“ als "misreading" von Vorbildautoren selbst ein "misreading" darstellt, weil er die „Commedia“ zu einem rein literarischen Text verkürzt. Andererseits ermöglicht Blooms Einseitigkeit es aber auch, entgegengesetzte Tendenzen der Dante-Forschung einzuschränken, welche die „Commedia“ allzu glatt in die theologische Tradition einordnen. [Ich] möchte […] diese These insbesondere am Beispiel der berühmten Passage über Odysseus' letzte Fahrt aus dem 26. Gesang des Inferno plausibel machen, indem ich Blooms Interpretation der Odysseusfigur mit entsprechenden Ausführungen der ersten Kommentatoren der „Commedia“ aus dem 14. Jahrhundert vergleiche. Nach dieser Beispielanalyse gehe ich auf Dantes eigene Strategien ein, die „Commedia“ als Werk von kanonischer Geltung zu inszenieren

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