Rita Brdar-Szabó

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Jezikoslovlje 12.2 (2011): 283-312     309     Rita Brdar-Szabó Loránd-Eötvös-Universität Budapest   Dessislava Stoeva-Holm. 2010. Verbmetonymie und ihre Leistung im Benennungsprozess. Tübingen: Narr, 230 pp.  Die vorliegende Veröffentlichung stellt den Versuch dar, die Forschungstraditi-onen der kognitiven Semantik und der Pragmatik systematisch aufeinander zu beziehen, um diese dann am Beispiel der Untersuchung der Verbmetonymie in der deutschen Gegenwartssprache zu einem integrativen Ansatz zu verbinden.      Das Buch gliedert sich in ein ohne Nummerierung aufgenommenes Einlei-tungskapitel, in fünf thematische Schwerpunkte, die mit römischen Ziffern ver-sehen sind,1 sowie in ein ebenfalls ohne Nummerierung eingefügtes resümieren-des Kapitel, das sich “Zusammenfassung” nennt. Abgerundet wird die Arbeit durch ein “Literaturverzeichnis” mit insgesamt 134 Titeln, die in erster Linie die aktuelle Forschung im Bereich der kognitiven Linguistik und der Pragmatik re-präsentieren.  In der “Einleitung” wird die Metonymie als erstes definiert und von der Me-tapher abgegrenzt. Ausgangspunkt ist die berühmte Arbeitsdefinition von Radden und Kövecses (1999: 21): “Metonymy is a cognitive process in which one conceptual entity, the vehicle, provides mental access to another conceptual entity, the target, within the same idealized cognitive model.” Dreh- und Angel-punkt der von Stoeva-Holm vertretenen Metonymie-Konzeption ist der von Pan-ther und Thornburg2 vorgelegte Ansatz, in dem detailliert gezeigt wird, dass pragmatische Inferenzen “meistens (oder gar grundsätzlich) metonymisch” (S. 13) sind. Weitere Teilkapitel der “Einleitung” sind der Festlegung der Aufgaben und Zielsetzungen der Arbeit sowie der Klärung der Untersuchungsmethode und der Bestimmung des Gegenstandes der empirischen Analyse gewidmet. Unter-suchungsgegenstand der Monographie ist nicht Metonymie im allgemeinen, sondern die Verbmetonymie bzw. die Verb(al)phrasenmetonymie, wobei die beiden Ausdrücke synonym verwendet werden. Anvisiertes Ziel ist “die Be-schreibung der Verbmetonymie als eine Art semantische Derivation und ihrer Rolle als kraftvoller Mechanismus zur Bildung von Ausdrucksmitteln und neuer                                                  1 Innerhalb der einzelnen thematischen Schwerpunkte wird die Gliederung in Kapitel durch arabische Ziffern markiert.  2 Stoeva-Holm beruft sich hier vor allem auf Panther und Thornburg (1998) sowie auf Panther und Thornburg, Hrsgg. (2003).    310 Prikazi knjiga  Book reviews - Rezensionen   Verbbedeutungen in der Sprache und in Äußerungen.” (S. 14) Zentral ist dabei die Frage nach der “Systemhaftigkeit der polysemen Verben” (S. 15) sowie nach der “Genesis einer Reihe von sekundären, jedoch nicht metaphorischen Bedeu-tungen [...].” (S. 15) Aufschlussreich wäre hier der Vergleich mit Apresjans Konzept der regulären Polysemie.3 Konkret geht es in der Monographie um die Beantwortung der folgenden Fragen: “Was geschieht, wenn ein Aspekt der Handlung zur Benennung der Gesamthandlung benutzt wird? Wie und warum geschieht eine Metonymisierung der Verbbedeutung?” Exemplifiziert wird die metonymische Hervorhebung durch die Gegenüberstellung von “an der Gitarre zupfen” und “auf der Gitarre spielen.” Das Quellenmaterial der Analyse wurde diversen einsprachigen Wörterbüchern entnommen. In einem zweiten Schritt wurde die Verbliste durch Korpusrecherchen anhand des “Digitalen Wörter-buchs der Deutschen Sprache” ergänzt.   Der erste thematische Schwerpunkt (Teil I) behandelt den semantischen Pro-zess und die Entstehung von Verbmetonymien. Das Phänomen wird aus linguis-tischer, philosophischer und z.T. auch aus semiotischer Perspektive betrachtet. Die Philosophie der Handlung bekommt dabei eine besonders wichtige Rolle, zumal die Autorin davon überzeugt ist, dass die Natur der Handlung zuerst ver-standen und herausgearbeitet werden muss, um den Weg zur Erklärung ihrer Benennungen zu ebnen.  Der nächste thematische Schwerpunkt (Teil II) setzt sich mit semiotischen Aspekten sowie mit der kognitiven Basis metonymischer Benennungen ausei-nander und beschreibt detailliert die “Derivationsschritte bei der metonymischen Benennung” (S. 62ff.) und den “Semmechanismus der Verbmetonymie” (S. 64ff.), um dann schließlich der Frage nachzugehen, welche Ursachen und Fakto-ren die Verwendung von Verbmetonymien steuern können.  Der dritte thematische Schwerpunkt fokussiert auf “Typen und Modelle der metonymischen Benennung” (Teil III, S. 82ff.), wobei als Ausgangspunkt eine Typologie der Teil-Ganzheit-Beziehungen vorgeschlagen wird. Es werden zwei grundlegende Beziehungen angesetzt: 1. Komponente der Handlung für Gesamthandlung und 2. ganzheitliche Erscheinung der Handlung für Gesamt-handlung.  Teil IV behandelt die pragmatischen Aspekte von Verbmetonymien. Es wird ein Modell zur Interpretation der metonymischen Bedeutung von Äußerungen entwickelt. Die zweite Hälfte dieses thematischen Schwerpunktes widmet sich der Analyse von Zusammenhängen zwischen Verbmetonymie und Sprechakten.                                                   3 Vgl. Apresjan (1974). Jezikoslovlje 12.2 (2011): 283-312     311    Der letzte thematische Schwerpunkt (Teil V) analysiert die kontextuelle Ein-bettung von Verbmetonymien. Es wird ein Vorschlag zur Interpretation von me-tonymischen Äußerungen unterbreitet, wobei diverse Schlussfolgerungsprozesse angesetzt werden, die alle Aspekte der übertragenen Bedeutung mitberücksich-tigen. Die stärkste motivierende Kraft bei der Verwendung von Verbalmetony-mien ist nach Stoeva-Holm “die Intention des Emittenten, dem Rezipienten eine seiner Bewertungen der vollzogenen Handlung zu suggerieren.” (S. 16) Bewer-tung (“evaluation”) wird in Anlehnung an Hunston und Thompson (2000: 25) wie folgt definiert:   For us [...], evaluation is the broad cover term for the expression of the speaker or writer’s attitude or stance towards, viewpoint on, or feelings about the entities or propositions that he or she is talking about. That attitude may relate to certainty or ob-ligation or desirability or any of a number of other sets of values.  Die Struktur von Bewertungen wird von Stoeva-Holm ausführlich thematisiert, um dann eine Skala der pragmatischen Bewertung aufzustellen. Die Stufenbil-dung bezieht sich auf eine Skala, deren Mitte der Prototyp für die betreffende Handlung ist. Mit diesem werden dann die auf der Skala links oder rechts ein-geordneten Handlungen verglichen. Im Zentrum der Skala sind diejenigen Ver-ben anzutreffen, die als direkte Benennungen für Handlungen gelten kön-nen.Verben, die eine besondere Art (vor allem eine besondere Intensität) der Durchführung der Handlung bezeichnen, sind links oder rechts vom Prototyp einzuordnen. Das letzte Teilkapitel untersucht die Zusammenhänge zwischen Verbmetonymien und diversen Kontexttypen. Im resümierenden Kapitel werden die wichtigsten Thesen und Ergebnisse der Arbeit festgehalten, wobei auch 20 “Schlussfolgerungen zur Beziehung von Metonymie und Sprachsystem” formu-liert werden.       Im Folgenden sollen einige aus meiner Sicht problematische Punkte aufge-zählt werden: Abgrenzung und Identifizierung der Metonymie, Metonymie und Synonymie bzw. Metonymie und Hyperonymie wären nach dem skalaren Mo-dell der pragmatischen Bewertung gleichzusetzen, Unterschied zwischen lexika-lisierten Metonymien und okkasionellen Metonymien werden verwischt, Prob-leme aus der Perspektive der intra- und interlingualen Variation, sprach- und kulturspezifische Abweichungen wären unvorstellbar. Die Grenze zwischen Mo-tiviertheit und Voraussagbarkeit wird nicht wahrgenommen. Der kognitive An-satz betont jedoch bekanntlich den Unterschied zwischen Voraussagbarkeit und Motiviertheit (vgl. u.a. Goldberg 1995: 69).   Es ergibt sich außerdem ein weiteres Problem bei der semantischen Dekom-position: Daten stammen nicht aus dem Sprachgebrauch, zumindest diese Kom-ponente des Ansatzes kann nicht als gebrauchsbasiert angesehen werden: eine  312 Prikazi knjiga  Book reviews - Rezensionen   hypothetische Ebene, die unterhalb der Ebene des Sprachgebrauchs angesetzt wird. Die kognitive Linguistik, aber auch die Pragmatik, beide operieren mit Da-ten aus dem realen Sprachgebrauch: so sind etwa Skripts oder Szenarien sowie ihre Komponenten relevant für eine kognitiv-linguistische Analyse, nicht jedoch die Ebene, die unterhalb der Lexem-Ebene postuliert wird.  Insgesamt kann die Monographie als Einladung zu einem intellektuellen Abenteuer angesehen werden. Die oben vorgebrachten kritischen Anmerkungen sollen den Wert des Buches keineswegs schmälern. Mögen zwar methodische Schwächen und prinzipielle Probleme im Zusammenhang mit der semantischen Dekomposition dazu führen, dass manche Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Arbeit hinterfragt werden könnten, so überwiegen doch eindeutig die positi-ven Aspekte. Der von Stoeva-Holm vorgelegte innovative Ansatz kann der Metonymieforschung zweifelsohne interessante Anregungen und Denkanstöße vermitteln. Die empirische Überprüfung der Hypothesen kann des Weiteren für die Anwendung korpuslinguistischer und sprachvergleichender Methoden Inspi-ration und Herausforderung zugleich sein. Alles in allem ist das Buch gerade als Katalysator für die Forschung eine unbedingt zu empfehlende Lektüre.          Literatur Apresjan, Jurij D. (1974). Regular polysemy. Linguistics (142)12: 5–32. Goldberg, Adele E. (1995). Constructions: A Construction Grammar Approach to Argument Structure. Chicago – London, The University of Chicago Press Hunston, Susan, Geoff Thompson (2000). Evaluation: An introduction. Hunston, Susan, Geoff Thompson, eds., Evaulation in Text: Authorial Stance and the Construction of Dis-course. Oxford: Oxford University Press, 1–27. Panther, Klaus-Uwe, Linda Thornburg (1998). A cognitive approach to inferencing in conver-sation. Journal of Pragmatics 30: 755–769. Panther, Klaus-Uwe, Linda L. Thornburg, eds. (2003). Metonymy and Pragmatic Inferencing (Pragmatics and Beyond. New Series 113). Amsterdam – New York: John Benjamins. Radden, Günter, Zoltán Kövecses (1999). Towards a theory of metonymy. Panther, Klaus-Uwe, Günter Radden, eds., Metonymy in Language and Thought. (Human Cognitive Proc-essing 4). Amsterdam – Philadelphia: John Benjamins, 17–59.  

Dessislava Stoeva-Holm. 2010. Verbmetonymie und ihre Leistung im Benennungsprozess. Tübingen: Narr, 230 pp.

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