Das pflanzliche Zytoskelett besteht aus zwei verschiedenen Arten von Proteinpolymeren: Aktinfilamente und Mikrotubuli. Sie tragen zur zelleigenen Richtung (Zellachse, Zellpolarität) von Pflanzenzellen bei, welche die Morphogenese bis hin zur organismischen Ebene bestimmt. Motoren sind eine Art von Proteinen, die an das Zytoskelett binden und die Energie aus der ATP-Hydrolyse verwenden können, um z.B. Vesikel entlang des Zytoskeletts in eine gewisse Richtung zu bewegen und zu transportieren. Während Myosine Motoren sind, die entlang von Aktinfilamenten laufen, bewegen sich Kinesine und Dyneine entlang von Mikrotubuli. Konventionelle Kinesine bewegen sich in Richtung des Plus-Endes der Mikrotubuli, während Dyneine sich in Richtung des Minus-Endes bewegen. Eine der auffälligsten Besonderheiten der pflanzlichen Motorproteine ist jedoch das Fehlen von in Richtung Minus-Ende laufenden zytoplasmatischen Dyneinmotoren in den meisten Gymnospermen und in allen Angiospermen. Im Gegensatz dazu wurde eine spezifische Klasse von in Richtung Minus-Ende laufenden Kinesinen in Landpflanzen entdeckt, die im Allgemeinen als Klasse-XIV-Kinesine bezeichnet werden. So liegt es nahe, dass einige der Funktionen von Dyneinen von Kinesinen der Klasse- XIV übernommen wurden.
In dieser Doktorarbeit wurde die subzelluläre Funktion eines als OsDLK bezeichneten Klasse-XIV-Kinesins untersucht. Die heterozygoten Reismutanten zeigten eine Verzögerung in der Koleoptilenstreckung im Vergleich zu den Keimlingen des Wildtyps. Die homozygoten Mutanten konnten dieses verzögerte Wachstum auch während mehrerer Generationen nicht aufholen. Später zeigte dlk ein relativ hohes Transkriptionsniveau während der ersten 4 Tage nach der Keimung, was auf eine wichtige Rolle von OsDLK während des frühen Stadiums der Reiskeimung hindeutet.
Um einen Einblick in die subzelluläre Funktionen zu erhalten, wurde OsDLK, welches mit einem fluoreszierenden Reporter fusioniert wurde, in BY-2 Tabakzellen (Nicotiana tabacum) überexprimiert. Wir zeigten durch ein In-vitro-sliding Assay, dass es die Fähigkeit hat, an Mikrotubuli zu binden und sich in Richtung Minus-Ende zu bewegen.
Die Überexpression dieser GFP-Fusion stimulierte die Zellproliferation und verzögerte den Übergang in die Zellexpansion. Durch die Synchronisierung des Zellzyklus konnten wir zeigen, dass der Übergang in die Metaphase in der Überexpressionslinie verzögert wurde, während die späteren Phasen deutlich beschleunigt wurden.
Die Lokalisierung von OsDLK während des Zellzyklus ergab, dass das Fusionsprotein neu verteilt wurde und mit den zellwandnahen Bereichen der Mikrotubuli (kortikale Mikrotubuli, Phragmoplast) kolokalisierte. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass OsDLK in zwei Populationen in der Interphase auftritt: Eine Subpopulation war mit den kortikalen Mikrotubuli verbunden, was bereits bei anderen Klasse-XIV-Kinesinen beobachtet wurde, die andere Population wurde im Zellkern lokalisiert. Die Verteilung des Proteins auf den Zellkern konnte durch Kältestress oder durch Hemmung des Kernexports durch den Hemmstoff Leptomycin B (200 nM) spezifisch stimuliert werden. Diese Anhäufung von OsDLK im Kern war reversibel. Da dieses Kinesin in der Lage war, sich zwischen zwei Orten in einer bestimmten Weise hin- und herzubewegen, nannten wir dieses besondere Kinesin OsDLK, was für Dual Localisation Kinesin steht