Ein Beitrag zum Verständnis des Bremsenquietschens beim Fahrtrichtungswechsel

Abstract

Bremsenquietschen stellt ein typisches Beispiel für reiberregte Schwingungen dar, welches Thema vieler vergangener und aktueller Forschungsarbeiten ist. Dabei stellen erfahrungsgemäß Bremsgeräusche beim Fahrtrichtungswechsel mit langsamen Geschwindigkeiten und mit wenig Bremsdruck eine besonders kritische Situation dar, die gleichzeitig vom Kunden subjektiv mehr wahrgenommen wird. In dieser Arbeit wird der Fahrtrichtungswechsel simulativ und messtechnisch an einer Festsattelbremse mit flacher Belaganlage untersucht, mit dem Ziel mehr Verständnis für das erhöhte Auftreten des Quietschens in diesem Lastfall zu schaffen. Der Stand der Technik für die Simulation von Bremsenquietschen ist die Berechnung der Stabilität aus der Ruhelage. Dazu werden die Bewegungsgleichung linearisiert und die Realteile der Eigenwerte bestimmt. Dies kann numerisch sehr effizient gelöst werden, hat aber den Nachteil, dass weder Grenzzyklusamplituden berechnet werden können, noch eine Aussage über das Verhalten des Systems bei Störungen getroffen werden kann. Minimalmodelle aus der Literatur zeigen, dass stabile Grenzzyklen jenseits des Stabilitätsbereiches der Ruhelage existieren können. Um die Größe dieses Fehlers zu bestimmen, wird in dieser Arbeit ein realitätsnahes Modell einer Bremse mit der Finiten-Elemente-Methode (FEM) aufgebaut. Dabei zeigt sich, dass das aufgebaute System allein durch eine zu grobe Diskretisierung der Bremsscheibe in der Art gestört werden kann, dass die Lösung um die Ruhelage ungültig wird. Die messtechnische Untersuchung des Fahrtrichtungswechsels mit dem Fokus auf die Belagdynamik, zeigt eine große Variation der möglichen Kontaktzustände des Bremsbelages, insbesondere mit der Belaganlagefläche des Sattels. Während des Fahrtrichtungswechsels können sich die Position und Größe der Kontaktflächen stark verändern und außerdem kann die ungleiche Druckverteilung der Beläge zu großen Unterschieden des Schwingverhaltens von innerem zu äußerem Belag führen. Implementiert in das FE-Modell zeigen diese Beobachtungen eine Verschlechterung des Stabilitätsbereiches der Ruhelage, wie es auch im Fahrzeug bekannt ist. Dies kann direkt in die industriell angewandte Methodik implementiert werden. Darüber hinaus kann die Belagbewegung beim Fahrtrichtungswechsel als Störung des Systems interpretiert werden. Transiente Untersuchungen weisen darauf hin, dass die starke Änderung des Normaldruckes bei einer solchen Bewegung das System in besonderer Weise stört, sodass hier vermehrt subkritische Bifurkationen auftreten, die durch eine lineare Untersuchung des Systems nicht gefunden werden können. Am Beispiel der Verschiebung der Scheibeneigenfrequenzen lässt sich zeigen, dass die Tendenzen der linearen Untersuchung bei einer solchen Störung falsch sein können. Die Notwendigkeit einer guten Modellvalidierung, inklusive der Belagbewegung, zeigt eine weitere Schwingform, die ebenfalls bei 2 kHz auftritt. Hierbei sind die Beläge in besonderer Form konditioniert. Die Anpassung des FE-Modells auf die neuen Randbedingungen weisen auf eine deutliche Verschlechterung des Stabilitätsgebietes hin. Durch die der Belaganlagefläche zugewandten, tangentialen Bewegung muss neu über die Rolle der Nichtlinearitäten am Belaganschlag und die Kontaktmodellierung zwischen Bremskolben und Rückenplatte diskutiert werden. Dazu bietet diese Arbeit eine Grundlage. Durch die große Sensitivität des Systems auf Schwankungen der Parameter und auf Störungen der Ruhelage stellt sich allgemein die Frage, welche Rolle die Geräuschsimulation im Rahmen der Entwicklung eines Bremssystems spielen kann. Der digitale Prüfstand, auf dem auch Freigabetests gemacht werden können, ist hierbei in absehbarer Zeit nicht vorstellbar. Das Verständnis der Phänomene, das in der Simulation durch die Diskussion der Randbedingungen und Modellannahmen geschaffen wird, kann jedoch in den unterschiedlichsten Phasen der Entwicklung nützlich sein. Auf Basis von validierten Modellen können somit Hardwareschleifen durch Toleranzschwankungen und Derivate abgefangen werden

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