research

Einleitung: Wien und der Wiener Kreis

Abstract

Im Jahr 1929 trat in Wien eine Gruppe von Wissenschaftlern und Philoso­phen erstmals an die Öffentlichkeit, die in der Philosophie des 20. Jahrhun­derts tiefe Spuren hinterlassen sollte. Die kleine Schrift Wissenschaftliche Weltauffassung – der Wiener Kreis formulierte programmatisch, um welche Erneuerung in Wissenschaft und Philosophie es der Gruppe ging. Die Me­thode der logischen Analyse der Sprache, die vom Kreis entwickelt worden war, würde, so erklärte die Schrift, die intellektuelle Welt revolutionieren. Mit ihrer Hilfe könnten nicht nur die Grundlagen der Wissenschaften durchleuchtet werden. Auch dort, wo theoretische Behauptungen dafür her­halten müssen, weltanschauliche oder politische Entscheidungen zu begrün­den, könne diese Methode angewandt und zum Instrument gesellschaftlicher Aufklärung werden. Viele der öffentlich vertretenen Behauptungen seien nämlich doppeldeutig und nicht überprüfbar. Sie vernebeln das Denken und Fühlen der Menschen und tragen so zum Erstarken von antimodernen und gegenaufklärerischen Tendenzen bei. Genau ihnen wollte der Wiener Kreis Einhalt gebieten. Er nahm sich daher vor, den "Geist der wissenschaftlichen Forschung" zu durchdenken und aufzuzeigen, worin eine "wissenschaftliche Weltauffassung" besteht, deren Verbreitung zum Aufbau einer modernen Gesellschaft beitragen würde. "Sauberkeit und Klarheit werden angestrebt, dunkle Fernen und unergründliche Tiefen abgelehnt. In der Wissenschaft gibt es keine ‚Tiefen"; überall ist Oberfläche: Alles Erlebte bildet ein kom­pliziertes, nicht immer überschaubares, oft nur im einzelnen fassbares Netz." Der schmale Band stellt Arbeitsgebiete, Mitglieder, Bücher und Zeitschrif­ten vor, betont ebenso die Kollektivarbeit wie das Ziel einer neuen Einheit der Wissenschaften und die Nähe zu verwandten kulturellen Bestrebungen. Der Verein Ernst Mach, der ein Jahr zuvor, 1928, gegründet worden war, suchte diese Ziele durch eine rege Vortragstätigkeit in die Tat umzusetzen

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