Im Rahmen einer Zweitanalyse einer repräsentativen Umfrage unter Pflegenden im Kanton Bern konnten Zusammenhänge zwischen verschiedenen Determinanten der Arbeitssituation und der Pflegequalität in Spitälern untersucht werden. Die gewonnen empirischen Erkenntnisse bekräftigen einerseits die bereits anhand internationaler Studien belegten Einsichten, dass für eine qualitativ gute Pflege eine ausreichende Personalbelegung notwendig ist. Andererseits lädt die ebenfalls nachweisbare grosse Bedeutung eines wahrgenommenen Konfliktes zwischen Arbeitsrealität und Überzeugung zu einer weiterführenden Interpretation der gefundenen Resultate ein.
Vor dem Hintergrund der Anomietheorie von Robert K. Merton können die Ergebnisse so gedeutet werden, dass Pflegende unter einer Spannung zwischen den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und ihren Zielen stehen und Wege suchen, diese Spannung zu verringern. Möglichkeiten dazu bieten sich ihnen beispielsweise in der von rund zwei Dritteln der Pflegenden gewählten Teilzeitarbeit oder in einer Förderung der eigenen Professionalität. Solche Reaktionen führen aber, wie dies mit Giddens Strukturationstheorie postuliert werden kann, zu nicht intendierten Nebenfolgen. Konkret können sich durch Teilzeitarbeit und Professionalisierung im Sinne solcher Nebenfolgen der Arbeitsaufwand und die Erwartungen der Pflegenden erhöhen. Dadurch entsteht die Gefahr eines Teufelskreises zwischen steigenden Erwartungen und Personalmangel. Diese wird von Tendenzen und Entwicklungen im Rahmen einer so genannten Gesundheitsgesellschaft weiter akzentuiert. So wird der Erwartungsdruck an Pflegende auch von PatientInnenseite grösser und im Rahmen demographischer Veränderungen ist mit einer weiteren Zunahme des gesamtgesellschaftlichen Pflegeaufwandes zu rechnen.
Angesichts der grossen Bedeutung des Pflegebereichs innerhalb der Gesundheitsversorgung verdient die Arbeitssituation der Pflegenden auch im Hinblick auf die Sicherstellung einer guten Betreuungsqualität gerade in Zeiten des Wandels Beachtung.