Kardiale Modulation der Schreckreaktion bei hoher gegenüber niedriger Symptombelastung: afferente Signalübermittlung auf der Hirn-Körper-Achse beein usst frühe Stimulus-Verarbeitung bei hoher Symptombelastung
Somatische Belastungsstörungen (SBS) sind oftmals durch andauernde medizinisch-
unerklärte Symptome gekennzeichnet, deren Entstehung größtenteils
ungeklärt ist. Diese Studie hatte zum Ziel, die empirisch bislang unbeantwortete
Frage zu klären, ob Symptomentstehung auf veränderte Signalübermittlung
auf der Hirn-Körper-Achse zurückzuführen ist. Zunächst wurden 486
Personen aus der Allgemeinbevölkerung anhand des SOMS-2 in Personen
mit hoher Symptombelastung (HSB; unterstes Perzentil) und niedriger Symptombelastung
(NSB; oberstes Perzentil) unterteilt. Personen mit HSB stellen
eine besondere Risikogruppe für SBS dar. 28 HSB- und 31 NSB-Personen
durchliefen ein Paradigma der kardialen Modulation der Schreckreaktion
(CMS), ein Verfahren, das kardio-afferente Signalübermittlung prä-attentiv
abbilden kann. Ihnen wurden je zehn akustische Schreckreize (105 dB) in
sechs Zeitpunkten nach der kardialen R-Zacke (0, 100, 200, 300, 400, 500
ms) präsentiert. Als Indikator für die Schreckreaktion wurden die N1- und
P2-Amplitude der auditorisch-evozierten Potenziale über Cz gemessen, da
der Effekt der Hirn-Körper-Signalübermittlung im Kortex abgebildet werden
sollte. Es zeigten sich geringere N1-Amplituden auf die Schreckreize,
die während der systolischen Phase (200, 300 ms) im Vergleich zur diastolischen
Phase (0 ms) präsentiert wurden (p=.0002), was für das Vorliegen eines
CMS-Effekts spricht. Die HSB-Gruppe zeigte höhere P2-Amplituden als die
NSB-Gruppe. Es zeigte sich außerdem, dass der CMS-Effekt bezüglich der
N1-Komponente in der HSB-Gruppe geringer ist (p=.035), jedoch bezüglich
der P2-Komponente stärker ist als in der NSB-Gruppe (p=.031). Afferente
Signalübermittlung auf der Hirn-Körper-Achse könnte bei Personen mit HSB
bereits frühe, automatischeWahrnehmungsprozesse verändern, die durch späte,
aufmerksamkeits-gesteuerte Prozesse kompensiert werden. Diese prä-attentive
Beeinflussung der Stimulus-Verarbeitung könnte ein Mechanismus der Symptomentstehung
bei Personen mit HSB und SBS sein