Punktmutationen in der mitochondrialen DNA (mtDNA) führen zur Bildung defekter
Proteine und folglich zu Atmungskettendefekten, welche verschiedenste Erkrankungen im
Menschen verursachen. Bisher wurde angenommen, dass mutierte Proteine nicht in die
Atmungskettenkomplexe eingebaut werden können und durch mitochondriale Qualitäts-
kontrollproteasen abgebaut werden. Um die Mechanismen des selektiven Proteinabbaus
und der mitochondrialen Stressantwort detaillierter zu verstehen, wurde eine Cybridzell-
linie mit einer G6930A Punktmutation in der Cytochrom-c-Oxidase Untereinheit 1 des
Komplex IV untersucht. Durch die Mutation entsteht ein Stopp-Codon und folglich ein
um 30 % verkürztes Protein, welches jedoch in nicht nachweisbarer Menge vorliegt. In
G6930A Cybridzellen liegen neben dem Komplex IV-Defekt auch verminderte Aktivitä-
ten und Mengen der Atmungskettenkomplexe I, II und III vor.
Um die nukleäre Antwort auf den mitochondrialen Stress zu analysieren, wurde eine
Genexpressionsanalyse (mRNA-Array) durchgeführt und eine reduzierte Genexpression
vieler nukleär kodierter Atmungskettenuntereinheiten festgestellt. Eine kompensatori-
sche Hochregulation der mitochondrialen Biogenese konnte somit ausgeschlossen wer-
den. Zusätzlich waren die mRNA- und Proteinmengen der mitochondrialen Qualitäts-
kontrollproteasen AFG3L2 und YME1L1 hochreguliert. Um die Rolle und den Effekt
der Protease AFG3L2 im Abbau von Atmungskettenuntereinheiten zu untersuchen, wur-
den Pulse Chase Experimente nach transienter Transfektion von AFG3L2-Varianten und
transientem AFG3L2-Knockdown durchgeführt. Während die Überexpression der Wild-
typform von AFG3L2 in einem erhöhten Abbau von Atmungskettenuntereinheiten re-
sultierte, führte sowohl die Überexpression der dominant negativen AFG3L2-Variante
(AFG3L2E408Q ) als auch der Knockdown zu einer gesteigerten Stabilität. Die äußerst
wichtige Rolle von AFG3L2 im Abbau von Atmungskettenuntereinheiten konnte auf die-
se Weise demonstriert werden. Darüber hinaus wurde das verkürzte COX1 Protein, sowie
andere Atmungskettenuntereinheiten der Komplexe I, IV und V mit Hilfe von Pulldown-
Experimenten als Substrate von AFG3L2 identifiziert.
Die in dieser Arbeit erhaltenen Ergebnisse lassen auf einen gegenseitigen Austausch
von Informationen zwischen Mitochondrien und Nukleus schließen, um die Anreicherung
von fehlgefalteten und nicht-assemblierten Atmungskettenuntereinheiten und einen da-
mit verbundenen negativen Effekt in den Mitochondrien zu verhindern. Dieses Ziel wird
zum einen durch die herunterregulierte Genexpression von kernkodierten mitochondrialen
Atmungskettenuntereinheiten und zum anderen durch die Hochregulation der mitochon-
drialen Qualitätskontrollproteasen erreicht