Chronische Lebererkrankungen, unabhängig von ihrer Ätiologie, münden in der Leberfibrose. Die Leberfibrose ist gekennzeichnet durch einen unkontrollierten Vernarbungsprozess, der mit einer deutlichen Akkumulation von extrazellulärer Matrix im interstitiellen Raum verbunden ist. Hepatische Sternzellen (HSC) stellen dabei den zentralen Zelltyp in der Deposition extrazellulärer Matrix dar, indem sie nach Aktivierung eine myofibroblastische Transdifferenzierung durchlaufen. Neben den Eigenschaften als Myofibroblast wurden in der Vergangenheit auch neuronale Marker für diese Zellen beschrieben. MicroRNAs spielen eine Rolle in diversen Zellprozessen, wie Entwicklung, Differenzierung und Apoptose. Diese kleinen, einzelsträngigen RNA-Moleküle haben die Funktion, Gene posttranskriptionell zu regulieren. Für die primär in neuronalen Geweben vorkommenden microRNAs
miR-9, miR-125b und miR-128 ist eine Beteiligung in der neuronalen Differenzierung bekannt. Innerhalb der vorliegenden Arbeit wurde die Bedeutung neuronaler miRNAs während der myofibroblastischen Transdifferenzierung von HSC untersucht. Dafür wurde zunächst die Isolierung primärer HSC etabliert, da dieses Zellsystem die in vivo ablaufenden Vorgänge während der Differenzierung auch in vitro widerspiegelt. Durch Real-Time-PCR-Quantifizierung konnte nachgewiesen werden, dass die Expression der neuronalen microRNAs miR-9, miR-125b und miR-128 während der in vitro-Transdifferenzierung primärer HSC hochreguliert wurde. Um vertiefend eine Bedeutung dieser microRNAs in HSC zu untersuchen, wurden verschiedene Ansätze zur Bestimmung der Zieltranskripte angegangen. Durch in silico-Analysen mit Hilfe von Datenbanken zeigten sich für miR-9, miR-125b und miR-128 Übereinstimmungen beim Vergleich ihrer potenziellen Ziel-mRNAs. Dabei konnten für das Transkript Lin28 in dessen 3`-untranslatierten Region (UTR) für miR-9, miR-125b, und miR-128 mögliche Bindungsstellen gefunden werden. Deshalb wurden die potenziellen Bindungssequenzen der einzelnen miRNAs sowohl als Wildtyp als auch als Mutante an das 3`-Ende eines Luziferase-Reporters flankierend kloniert und nach Co-Transfektion mit der miRNA in Reporterassays eingesetzt. Diese zeigten eine Interaktion der neuronalen miRNAs mit der 3`-UTR der Lin28 mRNA. Während der myofibroblastischen Differenzierung nahm die Expression von Lin28 stark ab. Dieser inverse Exressionsverlauf von Lin28 zu den neuronalen miRNAs spricht ebenfalls für einen direkten Einfluss von miR-9, miR-125b und miR-128 auf die Lin28 Expression. Zusätzlich zu Lin28 zeigte die Datenbankrecherche Klf4, einen weiteren Pluripotenzfaktor, als potenzielles Zieltranskript für miR-128. Die spezifische Interaktion von miR-128 mit der 3`-UTR von Klf4 konnte ebenfalls erfolgreich über einen Reporterassay dargestellt werden.
In zwei weiteren Ansätzen zur Identifizierung möglicher Zieltranskripte in vitro wurde sowohl ein Hybridisierungs-Microarray als auch erstmals die Methode der Ago2-Immunopräzipitation eingesetzt. In den miR-128 behandelten HSC zeigten sich vor allem in der Microarray-Analyse viele Mitglieder der CC- und CXC-Chemokinfamilie als neue, nicht in den Datenbanken vorkommende Ziel-mRNAs für miR-128. Mit Hilfe der Ago2-Immunopräzipitation konnte eine direkte Interaktion der microRNA mit ihrem Zieltranskript im RNA induced silencing complex (RISC) in HSC analysiert werden. Die im RISC von den neuronalen miRNAs gebundenen Transkripte wurden primär durch Klonierung der cDNA mit direkter Sequenzierung und des Weiteren in einer umfangreichen Analyse durch Next Generation Sequencing identifiziert. In diesen Ansätzen wurden für miR-9, miR-125b, aber vor allem für die miR-128 erneut die Mitglieder der Chemokinfamilie als Bindungspartner der neuronalen miRNAs gefunden. Das in der Leberfibrose prädominante Chemokin Ccl2, das bereits durch die Expressionsprofilanalyse nach Überexpression von miR-128 durch eine verringerte Expression aufgefallen war, wurde auf seine direkte Interaktion mit
miR-128 durch Reporterassays überprüft. Dabei konnte Ccl2 als Ziel-mRNA für
diese neuronale microRNA bestätigt werden. In der myofibroblastischen Transdifferenzierung von HSC ist Ccl2 gegenläufig zur miR-128 Induktion reprimiert. Mit Hilfe des Next Generation Sequencing wurde in Übereinstimmung zu den in silico-Daten zusätzlich Notch1 als Zieltranskript für die neuronalen microRNAs identifiziert. In jüngster Vergangenheit wurde Notch1 als ein wesentlicher Faktor, der die myofibroblastische Transdifferenzierung von HSC hemmt, diskutiert. In der vorgestellten Arbeit wurde für die drei neuronalen microRNAs eine spezifische Interaktion mit der 3`-UTR von Notch1 dargelegt. Mit der Hochregulierung von miR-9, miR-125b und miR-128 während der Transdifferenzierung von HSC konnte umgekehrt eine Herunterregulierung von Notch1 auf Transkript- und Proteinebene veranschaulicht werden. Daher hat die hier gezeigte Interaktionsachse von neuronalen miRNAs und Notch1 eine besonders hohe Bedeutung für den Initiierungsmechanismus der myofibroblastischen Transdifferenzierung