thesis

Sum figuli lusus ... Die römischen Terrakottamasken in den Nordwestprovinzen. Herkunft, Herstellung, Verbreitung, Funktion

Abstract

Gegenstand meiner Dissertation sind die römischen Terrakottamasken in den Nordwestprovinzen. Sie wurden bisher in der archäologischen Forschung nie ausführlich behandelt, obwohl es sich um eine auffallende und seit langem wahrgenommene Objektgruppe handelt. Möglicherweise entzogen sie sich einer eingehenden Betrachtung, weil sie nicht den traditionellen Charakteren der römischen Theateraufführungen entsprechen. Auch wenn die Masken eine römische Gattung sind, zeigt ihre Gestaltung in den Nordwestprovinzen jedoch deutliche regionale Varianten. Aus dem großen Fundus an etablierten Maskentypen wurde zum einen nur eine bestimmte Auswahl übernommen, vor allem aber wurden auch neue, eigene Formen entwickelt, die sich klar von den konventionellen Typen absetzen. Die Terrakottamasken beziehen sich auf Schauspiele und deren Ausstattung schlechthin, wobei wichtige Charaktere dem lokalen Geschmack angepaßt wurden. Insgesamt konnten für das ausgewählte Gebiet, das die Provinzen Britannia, Germania inferior und Germania superior sowie die Gallia Belgica umfaßt, Fragmente von rund 450 Masken zusammengestellt werden. Herstellungstechnik, Produktionszentren und deren Absatzmärkte, Typologie, Herkunft und Vorbilder der Masken sowie vor allem ihre Funktion und Bedeutung bilden weitere Schwerpunkte der Untersuchung. In der Regel sind die Terrakottamasken in Gipsformen hergestellt worden, vor dem Brand wurden sie überarbeitet und bemalt. Ihre Fertigung in Matrizen stellte spezielle Anforderungen an die Handwerker wie an das Material. Durch Funde in Werkstattkontext, die Verwendung charakteristischer Tonsorten sowie anhand der verschiedenen Serien konnten fünf Produktionsorte erwiesen werden. Unter ihnen stellen Köln und Trier zwei überregional bedeutsame Herstellungszentren dar. Die Masken kommen in der betrachteten Region im ausgehenden 1. Jh. n. Chr. auf, ihre Blütezeit erleben sie im 2. Jh. n. Chr. Im 3. Jh. n. Chr. ist ihre Produktion nur noch in Trier nachzuweisen. Überraschenderweise hat sich herausgestellt, daß der größte Teil der Masken weder den konventionellen Gattungen des römischen Theaters zugewiesen werden kann, noch mit dionysischen Gestalten in Verbindung zu bringen ist, wie es in anderen Regionen des Römischen Reiches häufig der Fall ist. Nur wenige Fragmente nehmen auf Charaktere der Neuen Komödie oder der Tragödie Bezug. Hingegen läßt sich eine deutliche Dominanz kahlköpfiger, bartloser männlicher Masken mit karikierten Gesichtszügen feststellen, die Charakteristika von Possenmasken aufweisen. Die Umformung der etablierten römischen Masken in eigene Typen zeigt sich sowohl in ihrer speziellen Ausprägung � eine besonders auffällige Eigenart sind die großen gebleckten Zähne - wie im Verhältnis der Großgruppen zueinander. Im Gegensatz zur gängigen Forschungsmeinung, die in den Terrakottamasken ein Requisit des Schauspielerkostüms erkennt, ist als zentrales Ergebnis der Untersuchung der Nachweis gelungen, daß es sich bei den annähernd lebensgroßen Masken nicht um Schauspielermasken gehandelt hat, die man vor dem Gesicht tragen konnte. Sie sind vielmehr ähnlich den oscilla in Stützenstellungen von Gebäuden aufgehängt worden und waren somit ein Bestandteil der Hausausstattung. Dies belegen technische Details, ihre unterschiedliche Größe und vor allem ihre Proportionen, die mit denen eines menschlichen Gesichtes nicht zur Deckung zu bringen sind. Ihre Funktion als Dekorelement der Hausausstattung ergibt sich in erster Linie aus den Fundkontexten, die anhand mehrere villae rusticae sowie der Mannschaftsbaracken der classis Germanica auf der Alteburg bei Köln ausführlich vorgelegt und erörtert werden. Fast immer sind die Terrakottamasken in einer Umgebung angetroffen worden, die ein hohes Maß an Romanisierung erkennen läßt. Ihre Fundorte in aufwendigen, in der Bauweise wie in der Ausstattung stark römisch geprägten Häusern lassen den Schluß zu, daß sie wichtige Aussagen besitzen, um einen spezifisch römischen Habitus zu zeigen. Die Demonstration der kulturellen Sphäre war gerade in den Provinzen ein wesentlicher Aspekt der Selbstdarstellung im Spannungsfeld zwischen einheimischen und römischen Bevölkerungselementen. Zahlreiche Maskenfunde in Limeskastellen erweisen das Militär � wie zu erwarten � als einen wichtigen Träger der römischen Kultur in den Nordwestprovinzen. Die mit den Masken verknüpften Aussagen muten zwiespältig an, da über die Verwendung dieser Chiffre einerseits die Zugehörigkeit zum römischen Kulturkreis zum Ausdruck gebracht werden sollte, die Masken andererseits aber eine starke lokale Ausprägung aufweisen � vermutlich spiegelt sich jedoch gerade in dieser Widersprüchlichkeit der Romanisierungsprozeß der Region wider

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