Die Chloroplasten haben als Folge ihrer Entwicklung vom ehemals frei lebenden Cyanobakterium hin zum biosynthetischen Zellorganell einer eukaryotischen Zelle die Fähigkeit verloren, alle zum Leben beziehungsweise zum Überleben benötigten Proteine selbstständig zu synthetisieren. Die postendosymbiontische Evolution des Proto-Chloroplasten war geprägt von einem massiven Gentransfer in den Zellkern, so dass mehr als 90 % des Proteoms heutiger Chlorplasten kernkodiert und dadurch auch die Regulation der Chloroplastenfunktionen größtenteils auf den Zellkern übergegangen ist. Die Entwicklung eines vollständig funktionellen Chloroplasten ist somit abhängig von der koordinierten Expression von kernkodierten und plastomkodierten Genen als Antwort auf sowohl entwicklungsspezifische als auch umgebungsbedingte Signale. Die Regulation der Transkription dieser Gene ist eine effektive Methode, um Einfluss auf die Funktionen des Chloroplasten zu nehmen. Die Transkriptionsregulation einer Reihe von Genen des Kerns, insbesondere des zu annähernd gleichen Teilen im Kern und Plastom kodierten photosynthetischen Apparates, ist abhängig von der Präsenz funktioneller Plastiden in der Zelle und beinhaltet retrograde Signale, die vom Chloroplasten zum Zellkern gerichtet sind. In dieser Arbeit wurde durch einen Makroarray die differentielle Expression von 3292 nukleären Genen, die größtenteils Proteine des Plastiden kodieren und fast das vollständige kernkodierte Transkriptom des Chloroplasten darstellen, unter 101 verschiedenen Bedingungen untersucht. Eine gemeinsame Schnittmenge von 1616 konstitutiv exprimierten Genen zeigte nur drei übergeordnete Hauptklassen der transkriptionellen Antwort. Die meisten der getesteten Stimuli resultieren in entweder vorherrschend induzierte Transkription oder aber vorherrschend reprimierte Transkription der meisten und überwiegend jeweils identischen Gene dieses Teils des plastidären Transkriptoms. Anscheinend existiert ein integrativer Hauptschalter, der das nukleäre Transkriptom des Chloroplasten als ein Ganzes reguliert. Anhand ihres Expressionsverhaltens ließen sich die 1616 Gene in 25 voneinander separierte, ko-exprimierte Gruppen (Regulons) einteilen. Ausgenommen der Regulons SOM 4-1 und SOM 5-1 sind alle anderen Regulons heterogen und beinhalten Gene, die Proteine unterschiedlicher subzellulärer Lokalisationen und verschiedener bioche-mischer Funktionen kodieren. Das lässt darauf schließen, dass die verschiedenen Zellorganellen und/oder verschiedenste Stoffwechselwege der Zelle zumindest auf der Ebene der Transkription im Zellkern koordiniert sind. Die Ausnahme sind die Gene des Kerngenoms, die die Untereinheiten des Photosynthese-Apparates oder aber Proteine, die beteiligt sind an der Transkriptions- und Translationsmaschinerie der plastomkodierten Gene (insbesondere Ribosomen-Untereinheiten) (Regulon SOM 4-1 und Regulon SOM 5-1) kodieren. Die Ko-Expression dieser Gene deutet darauf hin, dass ein bisher unbekannter Mechanismus, möglicherweise über die nukleäre Kontrolle der Ribosomen-Abundanz im Cloroplasten, die Genexpression gerade des Teils des Proteoms koordiniert, der noch immer sowohl im Kern als auch im Plastom kodiert ist. Die Ergebnisse aus den Expressionsanalysen unterstützen zudem die Vermutung, dass die retrograden Signale vom Organell zum Zellkern an der Regulation der nukleären Transkription maßgeblich beteiligt sind. Die Ko-Regulation der Gene der Photosynthese und der ribosomalen Proteine des Chloroplasten entzieht sich der oben dargestellten generellen Expressionsregulation von nukleären Chloroplastengenen, die kontrolliert wird durch einen kürzlich beschriebenen transkriptionellen Hauptschalter. Durch den Vergleich zu anderen Chloroplasten-funktionen zeigt diese Beobachtung die Existenz eines speziellen Modus der transkriptionellen Regulation der Photosynthese an. Aus der evolutionären Sicht deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass die funktionelle Integration des Proto-Chloroplasten in die eukaryotische Wirtszelle mit der Etablierung von verschiedenen Ebenen der nukleären Kontrolle der Transkription einherging