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Unheilvolle Begabung

Abstract

In der vorliegenden Arbeit werden Künstlerfiguren in Gert Jonkes Prosaband Schule der Geläufigkeit untersucht. In der Gestaltung dieser Figuren und im Verhältnis zu ihrem Werk sowie ihrem künstlerischen Selbstverständnis werden Parallelen zu Künstlerviten der romantischen Literatur und im Besonderen zu Wilhelm Heinrich Wackenroders Figur des Komponisten Joseph Berglinger aufgezeigt. Im ersten Kapitel werden Künstlerprototypen, die Gert Jonke in den zwei Erzählungen die gegenwart der erinnerung und gradus ad parnassum entwirft, in detaillierter Textarbeit analysiert. Im Mittelpunkt steht dabei die Hauptfigur des Komponisten Fritz Burgmüller, der in beiden Erzählungen auch als Erzähler fungiert. Seine Außenseiterposition wird durch seine Zerrissenheit zwischen empfindsamer Innenwelt und realer Außenwelt begründet und macht ihn zum aporetischen Künstler. In der Gesellschaft, die ihn während der Handlung beim Gartenfest umgibt, findet er keine Akzeptanz für seine ästhetischen Positionen. Er scheitert am Versuch, neue Werke zu schaffen. Die Schöpfungen seiner Einbildungskraft äußeren sich in Halluzinationen und Phantasiewelten, die er auf die Festgesellschaft projiziert, die Produktion eines Kunstwerks bleibt Burgmüller allerdings versagt. Sein Schicksal als Künstler ohne Werk lässt ihn sein Talent als „unheilvolle Begabung“ erleben. Burgmüller als Modell des modernen, scheiternden Künstlers stehen sein Bruder, der eine bürgerliche Existenz führt, und drei Künstlerkollegen, die weitere Konflikte zwischen Kunst und realer Alltagswelt vorführen, gegenüber. Das zweite Kapitel zieht enge Parallelen zwischen Joseph Berglinger und Fritz Burgmüller um darzustellen, in welcher Weise sich Jonkes Hauptfigur als romantischer Künstler zeigt. Jonkes Interpretation der romantischen Musikästhetik tritt in diesem Teil der Arbeit deutlich hervor. Im dritten Kapitel steht die außergewöhnliche, sphärische Naturmusik, die in die gegenwart der erinnerung erklingt, im Zentrum. Es soll gezeigt werden, wie sie das Ideal einer absoluten und immateriellen Musik, wie sie die romantische Musikanschauung propagierte, verkörpert. Wirklichkeit und Wahrnehmung sind zwei Parameter, die Gert Jonke in seinen Erzählungen in Frage stellt. Das Spiel mit diesen zwei Größen und ihren Grenzen führt er in der Konzeption des Gartenfests als inszenierte Wiederholung und in Verdopplungseffekten durch Gemälde und Fotos vor, die die Wirklichkeit als Illusion entlarven. Das abschließende Kapitel zeigt, wie Jonke Wirklichkeit durch Fiktion unterwandert und Realität durch Abbilder ablöst. Konventionelle Realitätsentwürfe werden damit ebenso hinterfragt wie Gewissheit durch Erinnerung, Geschichte und Zeit

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