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Marktplatz der Niedlichkeit

Abstract

Marketing-Character, als Logo, Werbeikone und als Kommunikationsmitte sind in Japan aus der Alltagswelt nicht mehr wegzudenken, und funktionieren dabei bei allen Altersgruppen gleichermaßen. Character lassen sich hier ebenso für Polizei, Feuerwehr, militärische Einrichtungen und die jeweiligen Präfekturen finden, und an diesem allgegenwärtigen Marktplatz der Niedlichkeit, werden manche von diesen Figuren schließlich sogar zum eigentlichen Produkt, und damit zur "mobilen" Marke ohne materielle Referenz. In letzter Zeit finden sich diese niedlichen Figuren nun vermehrt auch in der westlichen Welt, nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass gerade in den vergangenen Jahren die japanische Kultur sich allgemein zu einem Produkt entwickelt hat, welches global konsumiert wird und dabei auch gewissermaßen den Einfluss der Disney und Hollywood-Ästhetik ablöst. Während Japan lange Zeit die "hardware" für eine globale Freizeitgestaltung geliefert hat, ist es jetzt die japanische "software" – und damit verbundene Imaginationen, Sehnsüchte und ästhetische Bewertungsmassstäbe – welche sich international als Standard definiert haben. Jene niedlichen Characterfiguren selbst, haben hier insofern nicht zuletzt auch Bereiche der Wahrnehmung und Kommunikation neu definiert. Diese Arbeit will folglich ergründen, ob diese japanischen Einflüsse – in Form einer niedlichen Ästhetik von Charactern – nach einem "cute millenium" nicht nur zu oberflächlichen Trends, sondern zugleich zu Bestandteilen der westlichen Kulturen selbst werden können. In diesem Zusammenhang werden als Grundlage für die weitere Auseinandersetzung auch die relevanten japanischen wie westlichen Diskurse in Kultur, Konsum und Werbung dar- und gegenübergestellt. Denn dabei soll als zentrale Frage dieser Arbeit einerseits hinterfragt werden, welche kulturellen, gesellschaftlichen und damit auch subjektiven Voraussetzungen für den Umstand gegeben sein müssen, dass wir im Alltag mit diesen infantilen Erscheinungsformen in Form von Charactern interagieren, und andererseits, wie dieser Umstand die Gesellschaft selbst wiederum beeinflusst. Infolge dessen, werden dafür im besonderen die Vorrausetzungen für den Erfolg von Marketing-Charactern im "Kingdom of Character" Japan dargestellt, und dabei u.a. gezeigt wie Historie und Religion auf den Umgang bzw. auf die Codierung und Interpretation von "fiktiven" Characterfiguren bis heute nachwirken. Gerade durch da manche Theoretiker den Erfolg von Charactern wie "Hello Kitty" auf die Ähnlichkeiten einer spirituellen Verbindung zu Buddhastatuen zurückführen und damit Character (-Produkte) als Substitut für die abhanden gekommene Spiritualität deuten. Andererseits wird dabei auch die Wirkungsweise dieser Character aufgezeigt werden. Denn dessen Einsatzbereiche und Verwertungen findet sich bei weitem nicht nur in der reinen Produkt- und Unternehmenskommunikation – wie das Logo im Bereich der Warenästhetik und der Werbung – sondern u.a. ebenso in der "Verniedlichung" des Bedrohlichen, der "Verpersönlichung" von unpersönlichen Dienstleistungen, oder der Kommunikation des "Unaussprechlichen". Vielmehr noch werden durch jene vertrauensschaffenden "Agenten", Marken und Images mit emotionalen und Persönlichkeits-unterstützenden Begrifflichkeiten, Sehnsüchten und Erinnerungen verknüpft. Denn auf den verschiedensten Medien (Produkten) offerieren sie eine ideale Projektionsfläche, um individuelle Bedürfnisse und Sehnsüchte zu reflektieren. Ebenso wird dabei auch aufgezeigt werden, wie diese dabei weiters in der Lage sind Interaktivität, Kommunikation und Kameradschaft innerhalb einer Konsumentengruppe zu unterstützen. Die gesellschaftlichen Anforderungen veranlassen die Menschen nun vermehrt dazu nach Rückzugsräumen zu suchen, und genau jene werden durch Characterprodukte jeglicher Art geöffnet. Dieser Umstand soll hier auch am Beispiel des Phänomens von sogenannten "healing"-Produkten dargestellt werden. Denn dieses "healing" – speziell durch den "beruhigenden" Konsum von Character-Produkten ¬– scheint durch eine Referenzierung auf eine kollektiv idealisierte Version nostalgischer Kindheitserinnerung in der japanischen Gesellschaft durchaus erfolgreich. Es wird damit schließlich gezeigt werden, wie die Allgegenwärtigkeit von niedlichen Charactern und Characterprodukten im öffentlichen wie auch im privaten Bereich, insofern auch als Japans Antwort auf die industrialisierte Massenkonsum-ökonomie zu verstehen ist, in der alles schneller, unpersönlicher und unspiritueller wurde. Character evozieren hierbei nicht nur eine Wiederherstellung eines pre-sozialen bzw. kindlich-emotionalen Zustands, sondern tragen vielmehr noch zu einer "wieder"-Verzauberung der Alltagswelt bei bzw. damit wie Anthropologin Allison es benennt, zu einer "Heilung der Kinder der Postmoderne"

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