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Der Waldviertler Graumohn

Abstract

Diese Untersuchung fand im geographisch eigenen Kontext statt. Die Methode der „Anthropology at Home“ eröffnete mir dabei aber nicht nur Eigenes sondern auch Fremdes. Ganz im Gegensatz dazu wurden mir Lebensstile vermittelt, die ich nicht mein Eigen nennen kann. Dennoch habe ich über das Teilen von Ideen, zum Beispiel über den Zugang zur biologischen Landwirtschaft, manchmal in einen Dialog eintreten könne, der mich zum „Verwandten“ machte. Eingangs gibt die Arbeit einen Einblick in Region Waldviertel und in die materielle Kultur. Die materielle Kultur, hier auch als materielle Umwelt bezeichnet, hat Bedeutungen für die InterviewpartnerInnen. Sie ist gekennzeichnet durch das Wechselspiel zwischen materiellen Kräften und sozialen Beziehungen. Die sozialen Beziehungen gehen aus dem Umgang mit den Dingen hervor. Dinge sind eingebunden in sozialen Interaktionen. Sie stehen hier im Gegensatz zur traditionellen Herangehensweise der Anthropologie, die materielle Kultur als Zeichen und Symbole auffasst. Soziale Handlungen bedingen in dieser Ethnographie mehrere Dinge. Aus ihnen gehen geplante Kreationen, wie die Retraditionalisierung des Mohnanbaus hervor. Diese entstand durch die Gründung des Vereins für Sonderkulturen. Trotz des Bruches mit dem Mohnanbau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird der Mohnanbau in seiner Tradition als kontinuierlich betrachtet und gleichzeitig dabei völlig neu interpretiert. Die Produktion des Mohns als materielle Kraft führt zu sozialen Beziehungen und Handlungen. Im Mohndorf Armschlag zum Beispiel gibt es eine Reihe an Festtagen, bei denen die MohnproduzentInnen soziale Beziehungen jährlich erneuern und in eine Art Kommunikation mit ihren KonsumentInnen eingehen. Als Kommunikationsmedium dient auch die Landschaft. Neben den blühenden Mohnfeldern gibt es eigens angelegte Mohngärten und Wandertage. Diese Kommunikationsmedien zeigen, wie die Landschaft genutzt wird um die „Botschaft“ des Mohns zu verbreiten und sich zu repräsentieren. Ein weiterer Aspekt, der in Verbindung mit sozialen Handlungen steht, ist die Identitätsbildung, die hier als Prozess dargestellt wird. In der Kultur- und Sozialanthropologie wird, in der momentan gän-gigen Betrachtung, eher davon ausgegangen, dass Identitäten durch Abgrenzungen entstehen. Das geschieht durch Eigen- und Fremdzuschreibungen über bestimmte Kategorien. Handlungen gehen aber drüber hinaus. Sie können auch Einstellungen vermitteln und stellen in dieser Arbeit Lebensstile dar, die zum Beispiel über Ansichten mit Bezug zur biologischen Landwirtschaft einhergehen. Neben den Auswirkungen von materiellen Kräften auf soziale Beziehungen legt die Arbeit als zweiten Schwerpunkt ein Augenmerk auf den Produktionsprozess des Mohns. Es zeigt sich, dass der Mohnanbau von Energien der Umwelt und des Menschen geprägt ist. Der Zyklus des Mohnanbaus ist bestimmt durch die Planung der Fruchtfolge, den Anbau und die Ernte. Er ist mit unterschiedlichen Philosophien verknüpft. Bei der Düngung und Nährstoffproblematik gibt es unterschiedliche Zugangsweisen in der landwirt-schaftlichen Ausrichtung, die sich auch über den Umgang mit dem Boden definieren. Auch die Ernte ist mit Einstellungen verknüpft. Man hilft sich nicht nur gegenseitig in der Familie, sondern auch überbetrieblich. Die traditionelle Erntetechnik wird hoch gehalten und nur in Ausnahmefällen werden Mähdrescher eingesetzt. Das heißt, dass das Ernten in der Gemeinschaft nicht nur aus der Not heraus geschieht sondern eine bewusste Entscheidung und, vor allem im biologischen Landbau, mit einer Lebenseinstellung verbunden ist. Generell ist über das Wissen des dreiteiligen Anbauprozesses zu sagen, dass konventionell arbeitende BäuerInnen in der Regel auf agrarwissenschaftliche Erkenntnisse und biologisch arbeitende BäuerInnen viel auf eigenes Erfahrungswissen zurückgreifen. Schlussendlich zeigt die Arbeit, dass der weitere Weg des Mohns in Form von Verarbeitungstechni-ken und Vermarktungsstrategien vor allem auf Eigenlösungen der jeweiligen LandwirtInnen beruht. Die Praxis zeigt, dass das oft mit einem Mehraufwand verbunden ist aber auch Mehrwert hervorbringt. Es wird aber durchwegs klar, dass sich der Waldviertler Graumohn als Produkt auf den direktvermarkteten bäuerlichen Märkten in der Stadt und auf dem Land behaupten kann. Damit sind dem Waldviertler Graumohn gute Aussichten und ein besonderer Stellenwert innerhalb der agrarisch-österreichischen Produktpalette gesichert

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