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"Glück" in der Utopie

Abstract

Können Menschen in Utopien, in denen alle Missstände der realen Gesellschaft abgeschafft sind, als „glücklich“ angesehen werden? Dieser Frage wird anhand zweier utopischer Romane nachgegangen, die beide für das Genre repräsentativ sind. Thomas Morus’ „Utopia“ gab dieser Literaturgattung, die bis auf Platons „Politeia“ zurückverfolgt werden kann, den Namen. Jewgenji Samjatins „Wir“ verlieh ihr die Eigenschaften, die sie zur „schwarzen Utopie“ machten. Ehe obige Frage beantwortet wird, werden die Studien Martin Seels, vor allem sein „Versuch über die Form des Glücks“ nach den Kriterien abgesucht, die für die Entscheidung obiger Frage brauchbar sind. Dabei kommt zuletzt auch Martha. C. Nussbaums „Der aristotelische Sozialdemokratismus“ zu Wort, wobei die Voraussetzungen oder Grundbedingungen für Glück, die von Martin Seel als relative Sicherheit, relative Gesundheit und relative Freiheit bestimmt wurden, mit Nussbaums Liste von den grundlegenden menschlichen Fähigkeiten, die es im Staat und seitens des Staates zu kultivieren gilt, verglichen werden. Die Differenz von happiness und luck führt zur Unterscheidung des Glücks in ihrem episodischen und in ihrem übergreifenden Charakter. Zwar wollen alle Menschen, wie schon Platon und Aristoteles feststellten, glücklich sein, aber die konkreten Vorstellungen vom Glück sind für verschiedene Individuen unterschiedlich, unterliegen auch einem Wandel in der Zeit und sind zumeist kulturell verschieden. Die Vorstellung eines „guten Lebens“ legt jede Generation neu fest. Vom Glück als gutem Leben wird als gelingendem, langem Leben gesprochen. Reines Glück ohne Erfahrung des Unglücks kann nicht gespürt werden. Der Mensch hat die Fähigkeit zu handeln, um den Wechselfällen des Lebens zu begegnen. Auch wenn nicht alles Erstrebte erreicht wird, kann von einem gelungenen, glücklichen Leben auszugehen sein. Eine Beurteilung, ob ein Leben ein gelungenes war, kann erst am Ende des Lebens stattfinden. Entscheidend für die Bestimmung von Glück ist nicht ihr Inhalt, da dieser, wie oben gesagt, unter den Menschen und in den verschiedenen Kulturen und Zeiten stark variiert, sondern der Umgang, das Wie des Verhaltens zu sich, zu den anderen Menschen, zur Umwelt und zur Natur. Das heißt, es kann nur um einen formalen Begriff des Glücks gehen. Die von Seel genannten Vorraussetzungen relative Sicherheit, Gesundheit und Freiheit werden näher untersucht. Ebenso werden der Unterschied von Wünschen und Wollen und deren Bezug zueinander und die Bedeutung des Lebenskonzeptes sowie Freiheit, Selbstbestimmung und Weltoffenheit diskutiert. Ein gelingendes Leben kann als ein gutes Leben bezeichnet werden, wenn sich in seinem Verlauf wesentliche Wünsche erfüllen, und als glücklich, wenn es mit erfüllten Augenblicken angereichert ist. Zuletzt werden Seels vier Dimensionen Arbeit, Interaktion, Spiel und Betrachtung, die für so ein Leben konstitutiv sind, vorgestellt. Soweit Teil 1 der Arbeit. In Teil 2 werden, nach einem kurzen Blick auf Wort und Begriff der Utopie, anhand der drei Grundvoraussetzungen und der vier Dimensionen Seels die beiden eingangs genannten Utopien vorgestellt. Danach wird gefragt, ob die Menschen in diesen fiktiven Welten glücklich sein könnten. Utopien sind Imaginationen von perfekten Gesellschaftsformen und entspringen der Kritik an den vorgefunden Verhältnissen. Thomas Morus Utopie beschäftigt sich mit den sozialen Missständen seiner Zeit und entwickelt ein Staatswesen, welches, auf Vernunft und Tugend gegründet, allen ein gelungenes Leben bieten soll. Gedacht ist das Gemeinwesen als nicht von egoistischen, nur den Eigennutzen suchenden Individuen aufgebaut, sondern von tugendhaften Gemeinschaftswesen. Der Staat regelt die Herstellung der Güter und deren Verteilung. Es gibt keinen Bereich, der nicht staatlicher Kontrolle und Planung unterliegt. Die kollektive Vernunft ist der einzige Maßstab für die Form des Zusammenlebens und hat Vorrang gegenüber den Gefühlen, Sehnsüchten und Wünschen des Einzelnen. Es fehlen, wie in vielen Utopien, wesentliche Teile zur Abdeckung der Vielfalt menschlicher Bedürfnisse. In Samjatins „schwarzer“ Utopie geht es um die Abschaffung des Individuums, das in eine Nummer verwandelt wird. Durch die Beherrschung der Natur mit Hilfe von Technik und Mathematik wird hier der Versuch aufgezeigt, den Menschen zu einem kontrollierbaren Teil dieser Technik zu machen. Der „neue Mensch“ soll, um das Getriebe der Staatsmaschinerie nicht zu stören, ohne Phantasie sein. Da sich diese auch durch die strengste Regulierung nicht abschaffen lässt, wird sie zuletzt herausoperiert. Auf negative Weise legt der Autor ein Bekenntnis zum Menschsein, zur Menschenwürde und zu den Menschenrechten ab. Eine zusammenfassende Betrachtung beider Utopien beschließt die Arbeit

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