In jüngerer Zeit hat sich ein verstärktes Interesse an den historischen und technischen Details von Carnaps Philosophie der Logik und Mathematik entwickelt. Meine Dissertation knüpft an diese Entwicklung an und untersucht dessen frühe und formative Beiträge aus den späten 1920er Jahren zu einer Theorie der formalen Semantik. Carnaps zu Lebzeiten unveröffentlichtes Manuskript Untersuchungen zur allgemeinen Axiomatik (Carnap 2000) beinhaltet ein Reihe von erstmals formal entwickelten Definitionen der Begriffe ‚Modell’, ‚Modellerweiterung’, und ‚logischer Folgerung’. Die vorliegende Dissertation entwickelt eine logische und philosophische Analyse dieser semantischen Begriffsbildungen. Darüber hinaus wird Carnaps frühe Semantik in ihrem historisch-intellektuellen Entwicklungskontext diskutiert. Der Fokus der Arbeit liegt in der Thematisierung einiger interpretatorischer Fragen zu dessen implizit gehaltenen Annahmen bezüglich der Variabilität des Diskursuniversums von Modellen sowie zur Interpretation seiner typen-theoretischen logischen Sprache. Mit Bezug auf eine Reihe von historischen Dokumenten aus Carnaps Nachlass, insbesondere zu dem geplanten zweiten Teil der Untersuchungen wird erstens gezeigt, dass dessen Verständnis von Modellen in wesentlichen Punkten heterodox gegenüber dem modernen Begriffsverständnis ist. Zweitens, dass Carnap von einer ‚nonstandard’ Interpretation der logischen Hintergrundtheorie für seine Axiomatik ausgeht. Die Konsequenzen dieser semantischen Annahmen für dessen Konzeptualisierung von metatheoretischen Begriffen werden näher diskutiert. Das erste Kapitel entwickelt eine kritische Analyse von Carnaps Versuch, die axiomatische Definition von Klassen von mathematischen Strukturen mittels des Begriffs von ‚Explizitbegriffen’ formal zu rekonstruieren. Im zweiten Kapitel werden die Implikationen von Carnaps frühem Modellbegriff für seine Theorie von Extremalaxiomen näher beleuchtet. Das letzte Kapitel bildet eine Diskussion der konkreten historischen Einflüsse, insbesondere durch den Mengentheoretiker Abraham Fraenkel, auf Carnaps formale Theorie von Minimalaxiomen.In recent years one was able to witness an intensified interest in the technical and historical details of Carnap’s philosophy of logic and mathematics. In my thesis I will take up this line and focus on his early, formative contributions to a theory of semantics around 1928. Carnap’s unpublished manuscript Untersuchungen zur allgemeinen Axiomatik (Carnap 2000) includes some of the first formal definitions of the genuinely semantic concepts of a model, model extensions, and logical consequence. In the dissertation, I provide a detailed conceptual analysis of their technical details and contextualize Carnap’s results in their historic and intellectual environment. Certain interpretative issues related to his tacit assumptions concerning the domain of a model and the semantics of type theory will be addressed. By referring to unpublished material from Carnap’s Nachlass I will present archival evidence as well as more systematic arguments to the view that Carnap holds a heterodox conception of models and a nonstandard semantics for his type-theoretic logic.
Given these semantic background assumptions, their impact on Carnap’s conceptualization of certain aspects of the metatheory of axiomatic theories will be evaluated. The first chapter critically discusses Carnap’s attempt to explicate one of the crucial semantic innovations of formal axiomatics, i.e. the definition of classes of structures, via his notion of ‘Explizitbegriffe’. The second chapter analyses the impact of Carnap’s early theory of model for his theory of extremal axioms. The final chapter reviews the mathematical influences, most importantly by the set theoretician Abraham Fraenkel on Carnap’s specific formalization of minimal axioms
