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Zwischen Ver-hüllung und Ent-hüllung

Abstract

Ihren Ursprung fand vorliegende Arbeit in der Aussage Michel Foucaults, Sexualität habe im 18. Jahrhunderts eine diskursive Explosion erfahren. Es galt zu untersuchen, inwiefern diese Entwicklung auch in der Literatur festzustellen sei. Im ersten Teil der Diplomarbeit werden sozialgeschichtliche Umstände beleuchtet, Sexualität etwa im medizinischen Kontext untersucht. Dabei geht es vor allem um die Beschreibung einer sich entfaltenden Form der bürgerlichen Sexualität: Ein erstarkendes Bürgertum, das sich von der Aristokratie und dem einfachen Volk abzugrenzen versucht, entwickelt sein eigenes Konzept der Liebe und der Sexualität. Vor allem dient dieser erste Teil der Arbeit auch der Präsentation zweier ideengeschichtlicher Entwürfe, die als gegensätzliche Pole die Darstellung von Sexualität beeinflussen werden: Einerseits der französische Materialismus, der einer libertinären Lebensphilosophie Vorschub leistet, andererseits die Bewegung der Empfindsamkeit, die durch ihren Freundschaftskult eine Desexualisierung zur Folge hat. Vor dem Hintergrund dieses Spannungsfeldes soll im zweiten Teil die Analyse von literarischen Werken erfolgen: Als Untersuchungsgegenstand werden primär bürgerliche Romane aus Frankreich, England und Deutschland herangezogen. Dabei wird auf zwei Ebenen gearbeitet: Erstens wird die sprachliche Darstellung betrachtet. Wie bereits der Titel vorliegender Diplomarbeit verrät, wird die Darstellbarkeit analysiert. Es wird die Frage gestellt, bis zu welchem Grad sich eine Benennung des Geschlechtlichen mit dem Begriff der Tugendhaftigkeit als vereinbar erweist. Auf zweiter Ebene werden bürgerliche Motive untersucht, besonders in Hinblick auf deren Repräsentation eines genuin bürgerlichen Sexualkonzepts. Das Ergebnis der Textanalysen ist schließlich die Bestätigung der Ansicht Foucaults: Sexualität scheint im Roman des 18. Jahrhunderts allgegenwärtig. Die Wiedergabe einer entsexualisierten Welt erweist sich als unmöglich, da selbst die Tugendhaftigkeit ihre Unschuld verloren hat (Richardson, Gellert). Das Wissen um die Sexualität ist bereits zu sehr ausgebildet, als dass eine tugendhafte Reinheit unhinterfragt bleiben kann. Dieses Wissen spiegelt sich auch auf lexikaler Ebene: Das 18. Jahrhundert ist das Jahrhundert des double entendre. Autoren wie Laurence Sterne, Denis Diderot oder Henry Fielding arbeiten mit Doppeldeutigkeiten und dehnen somit den bürgerlichen Moralkodex der Wohlanständigkeit. Eine dichotome Gegenüberstellung von sexuell impliziter und sexuell expliziter Darstellung erweist sich als irrelevant: Während der pornographische Roman eines John Cleland durch seine exzessive Metaphorik den Blick verstellt, verweisen die Romane Wielands oder auch Richardsons durch geschickte Aussparungen auf einen sexuellen Sachverhalt und spielen mit der Macht der Einbildungskraft. Dadurch sind sie wohl nicht unschuldiger als der sexuell explizite Roman

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