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Die Barockisierung des St. Pöltner Domes

Abstract

Die Barockisierung des St. Pöltner Domes, der ehemaligen Stiftskirche des 1785 aufgehobenen Augustiner-Chorherrenstifts, erfolgte in mehreren Etappen. Ziel dieser Arbeit war es, durch Analyse der Baumaßnahmen und Quellen im Spiegel ihrer Auswirkungen auf Raumwirkung, Raumstruktur und Raumfunktion die Fragen nach Art, Intention und Funktion der „Umwidmung“ des mittelalterlichen in einen barocken Kirchenraum beantworten zu können. Dazu war es notwendig, das jeweilige historische Umfeld der einzelnen Barockisierungsetappen in die Überlegungen einzubeziehen. Der Außenbau blieb durch die gesamte Barockzeit von den Barockisierungen weitgehend ausgenommen. Diese Sichtbarerhaltung der weit zurückreichenden Geschichte des Stifts an den Fassaden diente der Legitimation des eigenen katholischen Glaubens gegenüber der zeitweise weitgehend protestantischen Bevölkerung St. Pöltens. Lediglich der Südturm wurde wiederholt durch zeitgemäßes Vokabular modernisiert. Ihm kam nicht nur eine Wahrzeichenfunktion als Erkennungsmerkmal der Stadt zu, sondern er erhielt im Zuge seiner letzten Umgestaltung um 1693 zusätzlich Denkmalfunktion. Er steht nicht nur als Zeichen des Triumphs über die Türken, in seiner Weiheurkunde wird auf das Zehnjahresjubiläum des Sieges über die Türken Bezug genommen, sondern, wie durch die Miteinbeziehung der wechselvollen Geschichte zwischen Stadt und Stift erläutert werden konnte, auch als Denkmal der Überwindung des Protestantismus innerhalb der Stadtbevölkerung und als Mittel der Machtdemonstration gegenüber der Stadtobrigkeit. Die Umgestaltung des Innenraums erfolgte in zwei Etappen. Die Barockisierung des 17. Jahrhunderts betraf vor allem die Raumstruktur und Raumfunktion. Trotz weitgehender Beibehaltung des mittelalterlichen Erscheinungsbildes wurde der Innenraum durch die Abschnürung der Seitenschiffschöre und den Wegfall des Lettners den barocken Anforderungen entsprechend adaptiert. Die Trennung in Mönchs- und Laienbereich wurde aufgegeben, der gesamte Innenraum wurde auf den Hochaltar als neues und alleiniges liturgische Zentrum ausgerichtet. Die mittelalterliche individualisierte und polizentrische Raumaufteilung wurde zugunsten einer kollektiven und einheitlichen Raumnutzung aufgegeben. Wie durch die Miteinbeziehung der Geschichte und Funktion der Frauenkirche am Freithof, die in den Augen der Bevölkerung lange als die eigentliche Pfarrkirche angesehen wurde, gezeigt werden konnte, diente die Transferierung des Marienpatrozinium vom ehemaligen Lettner- auf den Hochaltar dazu, die Pfarrkirchenfunktion der Stiftskirche zu unterstreichen. Die Barockisierung des 18. Jahrhunderts betraf in erster Linie die Form. Die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse, der Protestantismus war weitgehend überwunden und die Konflikte mit der Stadt beigelegt, machten die Beibehaltung des mittelalterlichen Erscheinungsbildes als Mittel zur Legitimation des eigenen Glaubens überflüssig. Somit konnten im Innenraum erstmals alle mittelalterlichen Formen vollständig überkleidet werden. Die Umwandlung des Kirchenraums in einen barocken „Farbraum“ erfolgte nahezu ausschließlich mithilfe der ausstattenden Künste. Die Vereinheitlichung und Zentralisierung, die bereits im 17. Jahrhundert angelegt worden war, wurde weitergeführt und verstärkt. Zusätzlich wurden die Seitenschiffe dem Barock entsprechend rhythmisiert und in Seitenkapellen uminterpretiert. Im barocken Innenraum sind alle Ausstattungselemente gattungsübergreifend zu einem harmonischen Gesamtbild miteinander in Beziehung gesetzt. Diese Einheit und Geschlossenheit dient, wie aus den Quellen hervorgeht, dazu, eine gebührende Andacht zu gewährleisten. Dem Bildprogramm kommt durch seinen lehrhaften und ermahnenden Charakter die Funktion einer Bilderpredigt zu. Die feierliche und prachtvolle Gesamtausstattung des 18. Jahrhunderts dient zudem dazu, die Emotionen der Gläubigen zu berühren. Gleichzeitig ist sie sichtbarer Ausdruck des Glaubensbekenntnisses des Auftraggebers und dient der Lobpreisung Gottes

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