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Die böhmischen Ausgleichsversuche 1871 und 1890

Abstract

Das Thema der vorliegenden Diplomarbeit sind die böhmischen Ausgleichsversuche in den Jahren 1871 und 1890, welche in der böhmischen Geschichte des 19. Jahrhunderts eine zentrale Rolle spielen. Einen ersten Einblick in die Arbeit liefert die Einleitung. Seit der österreichisch-ungarische Ausgleich im Jahr 1867 zustande gekommen war, kämpften die Tschechen verstärkt für die Realisierung ihrer eigenen staatsrechtlich-föderalistischen Pläne, welche sie im Sinne des "böhmischen Staatsrechtes" entwickelt hatten. Die Frage worum es sich beim "böhmischen Staatsrecht" handelt und wie es Deut-sche und Tschechen vor allem in Böhmen rezipierten, ist Inhalt des zweiten Kapitels. Die zunehmende Nationalisierung und Radikalisierung der tschechischen Bevölkerung prägten die Ereignisse der kommenden Jahre. Um die angespannte Situation in Böhmen zu entschärfen entschied der Kaiser 1869 Ausgleichsverhandlungen einzuleiten. Das dritte Kapitel setzt sich mit den ersten Verständigungsversuchen zwischen 1868 und 1871 aus-einander. Diese führten zwar zu keinen unmittelbaren Resultaten, bilden jedoch den not-wendigen Rahmen um die folgenden Ausgleichsversuche besser einordnen zu können. Das vierte Kapitel setzt sich mit den Ausgleichsverhandlungen 1871, während der Re-gierungszeit des Grafen Karl Hohenwart, auseinander. Bis zum Ende der Monarchie han-delte es sich hierbei um den einzigen Versuch die "böhmische Frage" in ihrer Gesamtheit, d.h. das Verhältnis des Königreich Böhmens zum Gesamtstaat und das Verhältnis der in Böhmen lebenden Nationalitäten zueinander, zu lösen. In Gespräche zwischen Vertretern der Alttschechen, des böhmischen Feudaladels und der Regierung einigte man sich auf die Formulierung der so genannten "Fundamentalartikel". Der Dualismus zu Ungarn wurde von der Neuregelung nicht berührt, Cisleithanien jedoch föderalistisch, in einer Art böh-misch-österreichischem Subdualismus, umgestaltet. Zum Schutz der böhmischen Nationa-litäten vor gegenseitiger Übervorteilung arbeitete man ein Nationalitätenschutzgesetz aus. Auch wenn der Plan die westliche Reichshälfte umzustrukturieren Erfolg versprechend war, regte sich bei Deutsch-Liberalen und Ungarn erheblicher Widerstand. In letzter Se-kunde versagte der Kaiser die Sanktion der Ausgleichsgesetze und enttäuschte die Tsche-chen durch seinen unerwarteten Meinungswandel zutiefst. Auf das föderalistisch-konservative Intermezzo unter Hohenwart, folgte eine Rückkehr zur deutschliberalen Politik, welche die Tschechen dazu zwang, ihre Hoffnung auf einen staatsrechtlichen Ausgleich aufzugeben. Das fünfte Kapitel geht kurz auf politische, wirt-schaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen zwischen 1871 und 1879 in der westlichen Reichshälfte ein, welche große Rückwirkungen auf die "böhmische Frage" hatten. Auch das "Emmersdorfer Memorandum", als Ergebnis privater Sondierungsgespräche zwischen den Vertretern der Nationalitäten, findet hier Erwähnung. Die Ernennung des konservativen Grafen Eduard Taaffe bedeutete den Beginn einer neuen Ära in Cisleithanien, denn es gelang ihm die Tschechen nach vielen Jahren in der passiven Resistenz, als Regierungspartei in den Reichsrat zurückzuholen. Alttschechen und Feudaladel legten sämtliche staatsrechtliche Forderungen ad acta und begnügten sich mit nationalen Konzessionen, etwa in Form von Sprachenverordnungen, welche dem politi-schen Radikalismus in den 1880er Jahren einheizten. Das sechste Kapitel behandelt detail-liert die Ausgleichskonferenzen zwischen Vertretern der Deutschen, Tschechen und der Regierung im Jahr 1890. Es galt die Hegemonie der Deutschen zu brechen und die Macht-verhältnisse in Böhmen an die nationalen Verhältnisse anzupassen. Gleichzeitig sollte den beiden Nationalitäten im Bereich der Verwaltung und im Schulwesen nationale Autonomie zugestanden und sprachlich einheitliche Verwaltungsgebiete geschaffen werden. Im Unter-schied zu 1871 blieb das Verhältnis Böhmens zum Gesamtstaat gänzlich unberührt. Als Ergebnis der Ausgleichsverhandlungen präsentierten die Verhandlungsteilnehmer die "Wiener Punktationen", deren Inhalt man rasch auf legislativem und exekutivem Weg Gel-tung verschaffen wollte. Die Umsetzung der Ausgleichsvereinbarungen scheiterte diesmal nicht am Widerstand von außen, sondern an der unversöhnlichen Oppositionshaltung der aufstrebenden Jungtschechen, welche das tschechische Volk hinter sich versammelt hatten. Das siebente Kapitel gibt einen kurzen Ausblick auf die Lösungsversuche des böhmi-schen Nationalitätenstreits in den Jahrzehnten bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges.This thesis deals with the negotiations between the Austro-Hungarian government and the Bohemian nationalities to settle a Bohemian Compromise in 1871 and 1890. The first chapter gives a short introduction. The Compromise with Hungary in 1867 raised the Czech's hopes to be granted more autonomy within the Empire as well. Now they fought for the recognition of the "Bohe-mian state rights" whose content is explained in the second chapter. Due to the increasing nationalization and radicalization of the Bohemian population in the following years, the emperor was soon willing to enter into negotiations over a Bohe-mian Compromise. The third chapter deals with the first mediation attempts between 1868 and 1870. The forth chapter elaborates on negotiating a Compromise in the year 1871, which was supposed to solve the "Bohemian Question" entirely. The conservative minister-president count Karl Hohenwart, the Old Czech Party and the conservative great landowners of Bo-hemia agreed on the "Fundamental articles", which planned the federal reorganization of Cisleithania and the recognition of the historical privileges of Bohemia. A specific nation-ality law was supposed to secure national peace between Czechs and Germans. Even though this general settlement could have eased the national conflicts in Bohemia and Aus-tria, especially German Liberals and Hungarians offered resistance due to their fear of be-ing disadvantaged. At the last minute the emperor withdrew from the agreement and dis-missed Hohenwart. This bitter disappointment experienced by the Czechs made a perma-nent impression on them. In order to calm down the German opponents of the Compromise, the emperor decided to return to German-liberal politics. Therefore it was unimaginable that the government would take the initiative to arrange further negotiations. In 1878 German-Liberals and Czechs eventually tried themselves to come to an understanding. The fifth chapter deals especially with the political, social and economical development in Cisleithania, which had a great impact on the "Bohemian Question". Due to domestic political problems German-Liberalism lost power and the emperor ap-pointed count Eduard Taaffe to be minister-president. Taaffe, who was conservative and neutral, formed a coalition ministry in which the aristocratic and middle-class Czechs col-laborated with the conservative Germans. In return for the Language Ordinance in 1880 the Czechs attended parliamentary sessions in the Reichsrat again. National conflicts in Bo-hemia increased throughout the following years, especially because the Germans were not willing to accept the growing Czech influence in Bohemia. In 1890 the emperor urged Taaffe to arrange peace negotiations between Czech and German representatives, which are discussed in detail in the sixth chapter. The negotiation partners agreed on the "Wiener Punktationen", which was a protocol of eleven points. As soon as possible each point was supposed to be put into action either by a law or an ordinance. It was important to guaran-tee Czechs and Germans political influence proportional to their population. Therefore national sections were established in the provincial Agricultural Board, the provincial School Board, and in the Bohemian parliament. Furthermore the negotiation partners agreed on the national demarcation of the court districts. In difference to 1871, the Com-promise of 1890 did not have the purpose to recognize the historical rights of Bohemia, which outraged the radical Young Czech Party. They opposed all agreements settled, stirred the population up against the Compromise and finally managed to prevent the par-liament form passing the necessary laws. The seventh chapter shortly outlines the further political development in Bohemia until World War I

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