research

Gestaltungsaspekte multimodaler Interaktion im Fahrzeug. Ein Beitrag aus ingenieurpsychologischer Perspektive

Abstract

Die vorliegende Arbeit befasst sich aus ingenieurpsychologischer Perspektive mit dem Themenbereich multimodale Mensch-Maschine-Interaktion. Die Ziele der Arbeit bestehen darin, sowohl durch einen umfassenden theoretischen Rahmen als auch mit Hilfe experimentalpsychologischer Methoden dem Forschungsbedarf bei der Gestaltung multimodaler Schnittstellen für tertiäre Aufgaben im Kraftfahrzeug nachzukommen sowie in Form von Gestaltungsempfehlungen das Fundament zur Konstruktion eines multimodalen Bordsystems zu legen. In der Erörterung der theoretischen Grundlagen werden über den Anwendungsfall der Fahrzeugführung hinaus die relevanten technologischen und humanwissenschaftlichen Einflussfaktoren dargelegt. Der experimentelle Teil der Arbeit besteht aus einer Serie von acht Experimenten. In den Untersuchungen zeigte sich, dass die Integration von haptischem und auditivem Feedback für eine Touchpad-basierte Steuerung des Bordsystems zu einer Verbesserung der Interaktionsqualität und der Fahrsicherheit durch Entlastung des visuellen Kanals beitragen kann (Experimente 1-2). Darüber hinaus erwies sich dieses multimodale Touchpad als sinnvolle Alternative gegenüber einem herkömmlichen Dreh-Drücksteller. Für die Gestaltung akustischer Systemausgaben wurde ermittelt, dass lange sprachliche Ausgaben mit kognitiven Vorgängen interferieren können. Deshalb müssen Sprachausgaben für ein solches System kurz gehalten bzw. durch nicht-sprachliche akustische Ausgaben ersetzt werden (Experiment 3). Die gestalterischen Randbedingungen dafür werden diskutiert. Die Spracheingabe des geplanten menübasierten multimodalen Systems soll auf dem Say What You See Eingabeprinzip beruhen, bei dem sich das Vokabular für die Sprachbedienung aus der Beschriftung von Menüpunkten oder Steuerelementen auf dem Bildschirm ergibt. Kognitionspsychologische Überlegungen legen nahe, dass die Eingabegeschwindigkeit durch multimodales Talk-Ahead verbessert werden kann. In einem weiteren Experiment konnte gezeigt werden, dass multimodales Talk-Ahead die benötigte Aufgabenbearbeitungszeit und die visuelle Ablenkung bei Say What You See reduziert (Experiment 4). Durch die Festlegung auf Say What You See als Eingabestrategie ergibt sich die grundlegende Frage, inwiefern durch einen Verzicht auf bildhafte Darstellungen und die hohe Textdichte auf der Anzeigeeinheit die visuelle Orientierung auf dem Bildschirm erschwert würde. Eine Reihe von vier Experimenten lieferte dazu aufschlussreiche Ergebnisse. Der bekannte Befund, dass Icons im Gegensatz zu Text bei zufälliger Anordnung zu deutlich geringeren Suchzeiten führen, konnte repliziert werden (Experiment 5). Diese Situation ist zu erwarten, wenn Nutzer auf dem Display eines ihnen nicht bekannten Systems nach bestimmten Funktionen suchen, deren Darstellung sie kennen (z.B. Standardsymbole). Der Vorteil für Icons blieb auch bestehen, wenn der Anzeigeort eines Elements konstant und damit erlernbar war (Experiment 6). Sobald jedoch die Nutzer eines Systems zusätzliches Wissen über die inhaltliche Organisation der Elemente auf dem Display besitzen, verschwindet der Vorteil. Icons und textuell beschriftete Elemente führen dann zu nahezu identischen Suchzeiten (Experiment 7). In einem weiteren Experiment sollte als Worst Case Schätzung ermittelt werden, inwiefern der Vorteil von Icons bei zufälliger Anordnung für typische Blickdauern im Fahrzeug eine Bedeutung hat. Es zeigte sich, dass die Fehlerrate im kritischen Bereich einer Blickdauer von 200 bis 800 ms auf das Display bei Icons nur etwa halb so groß ist (Experiment 8). Abschließend wird ein Prozessmodell zur Entwicklung und Evaluation multimodaler Schnittstellen vorgestellt und exemplarisch aufgezeigt, wie durch das darin vorgeschlagene systematische Vorgehen die beschriebenen experimentellen Ergebnisse zur Realisierung eines multimodalen Prototyps genutzt werden können. Durch die Verbindung von ingenieurpsychologischen Grundlagen mit der Diskussion technologischer Randbedingungen und experimentell gewonnener Verhaltensdaten schlägt die vorliegende Arbeit eine Brücke zwischen Technologie und Psychologie. Diese übergreifende Sichtweise trägt dazu bei, ein besseres Verständnis des komplexen Themenfelds multimodale Mensch-Maschine-Interaktion zu entwickeln

    Similar works