Der aktive Transport von cytoplasmatischen
Substraten in den Nucleus wird von Transportrezeptoren vermittelt,
welche auch Importine genannt werden. Unter ihnen ist der
Kernimportrezeptor Importinβ (Impβ) der wohl vielseitigste: Impβ
ist sowohl als einzelner Rezeptor aktiv, als auch im Verbund mit
anderen Rezeptoren oder Adaptern. Beispiele für letztere sind der
Kernimport von Substraten mit klassischem Kernlokalisationssignal
(cNLS-Substrate) gemeinsam mit dem Adapterprotein Importinα (Impα),
der Kernimport von H1 Linker Histonen mithilfe des Co-Rezeptors
Importin7 (Imp7) und der Kernimport spleißosomaler Untereinheiten,
der U snRNPs, im Verbund mit Snurportin1 (SPN1). Diese
außergewöhnliche Variabilität von Impβ stand im Mittelpunkt der
vorliegenden Arbeit und ihre Ursachen sollten thermodynamisch und
strukturell ergründet werden, mit besonderer Fokussierung auf den
H1-Kernimport und den Kernimports von U snRNPs. Beim Kernimport von
H1 Linker Histonen binden zwar sowohl Impβ als auch Imp7 an das
Substrat, jedoch nur als Heterodimer können sie die Translokation
von H1 durch die Kernpore bewältigen. In dieser Arbeit konnte die
H1-Bindungsstelle von Imp7 ermittelt werden, welche zwei saure
Bereiche nahe dem C-Terminus umfaßt, die als mögliche Schleifen
identifiziert wurden. Die thermodynamische Analyse der Bildung des
H1-Importkomplexes aus Impβ, Imp7 und H1 und seiner Dissoziation
durch RanGTP mittels isothermer Titrationskalorimetrie (ITC)
zeigte, daß beide Prozesse allosterisch reguliert sind. Dabei
konnte dargelegt werden, daß die Bildung des Impβ/Imp7-Heterodimers
in vitro enthalpiegetrieben ist, wohingegen die nachfolgende
H1-Bindung an das Heterodimer entropiegetrieben ist. Der
erforderliche Entropiegewinn wird dabei durch die Freisetzung von
Salzionen von der H1-Oberfläche durch die komplementär zu H1
geladene, gemeinsame Oberfläche von Impβ und Imp7 bereitgestellt.
Hieraus ist ersichtlich, daß die Energiebarriere bei der H1-Bindung
durch den Einsatz eines Rezeptordimers überwunden wird. Außerdem
konnte nachgewiesen werden, daß der H1-Bindung eine allosterische
Aktivierung von Imp7 durch Impβ vorausgeht, bei welcher die
Impβ-Bindungsdomäne von Imp7 eine Schlüsselrolle spielt. Im
Kernimport von U snRNPs dagegen bedient sich Impβ nicht eines
Co-Rezeptors, sondern eines Adapters für das Substrat, nämlich
SPN1. Im Gegensatz zu allen anderen bislang untersuchten
Impβ-abhängigen Kernimportprozessen bedarf der Impβ/SPN1/U
snRNP-Importkomplex für die Freisetzung vom nuclear basket nach dem
Import jedoch nicht des Schalterproteins RanGTP. Die hier
vorgestellte Kristallstruktur von Impβ_127-876 im Komplex mit der
Impβ-Bindungs-Domäne von SPN1 (IBBSPN1, AS 1-65) offenbart eine
weit geöffnete Konformation von Impβ, wie sie einzigartig unter den
funktionellen Impβ/Substrat-Komplexen ist. Überraschenderweise
gleicht sie vielmehr der Konformation von Impβ/RanGTP. Da die
Bindung von RanGTP an Impβ üblicherweise die Freisetzung von
Importkomplexen vom nuclear basket auslöst, kann die
Schlußfolgerung gezogen werden, daß die freie Dissoziation von
Impβ/SPN1 vom nuclear basket durch die Mimikry des
RanGTP-gebundenen Zustands ermöglicht wird. Mittels ITC konnte
überdies eine Korrelation zwischen der offenen Konformation von
Impβ im Komplex mit IBBSPN1 und seiner hohen Molekülentropie belegt
werden. Dies steht im Gegensatz zur geschlossenen und daher
entropiearmen Konformation von Impβ im Komplex mit Impα. Die hier
vorgestellten Ergebnisse verdeutlichen also die zentrale Rolle von
molekularen Modulationen im Impβ-abhängigen Kernimport und geben
neue Einblicke in Strategien, die Energiebarrieren im Kernimport zu
überwinden