Molecular genetic analysis of single nucleotide polymorphisms of immunogenetic receptors and interleukins in historic populations

Abstract

Die Immungenetische Variabilität des Menschen steht im Zentrum des Forschungsinteresses der medizinischen Grundlagenforschung. Eine Vielzahl an Polymorphismen wurde identifiziert, die einen Einfluß auf das Erkrankungs- und Sterberisiko bei verschiedenen Erkrankungen wie auch auf den Erfolg von Therapien haben. Für ein besseres Verständnis der Relevanz der heutigen Variabilität ist die Erhellung des evolutionären Kontextes unerläßlich. Besondere Bedeutung kommt dabei der jüngeren Geschichte der Menschheit mit ihrer dramatischen Expansion der Bevölkerungsgröße innerhalb der letzten Jahrhunderte zu. Dieser ging eine Phase der Bevölkerungsrückgang aufgrund der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Epidemien voraus. Das Feld der aDNA-Analytik ermöglicht über die Untersuchung genetischer Archive den direkten Zugriff auf Daten der Variabilität historischer Populationen. Für die modernen Forschungszweige ergeben sich damit wertvolle Informationen zur Aufklärung von Selektionsereignissen, die die immungenetische Ausstattung europäischer Individuen geformt haben.In der vorliegenden Studie wurden daher die Allelfrequenzen von single nucleotide polymorphisms (SNP) der Interleukine IL6, IL10 und IL4 sowie der Rezeptoren IL4Ra, TLR2 und TLR4 untersucht. Ihre immungenetische Relevanz ist für moderne Bevölkerungen bereits durch Assoziationsstudien belegt. Zentraler Gegenstand der Studie war die Untersuchung eines historischen epidemiologischen Skelettkollektivs aus einem Massengrab der Pestepidemie des Schwarzen Todes im mittelalterlichen Lübeck. Dieses wird verglichen mit einer zeitstellungsnahen und ortsgleichen Serie als nicht-epidemiologischer Kontrolle. Eine ältere Kontrolle, und damit präepidemisch, ist der bronzezeitliche Fundkomplex der Lichtensteinhöhle bei Dorste (Harz), die moderne Bevölkerung wird als postepidemische Kontrolle herangezogen. Die Studie umfaßt damit einen Zeitrahmen von 3000 Jahren Infektionsgeschichte, von der Bronzezeit bis zur Moderne. Erwartet wurde der Nachweis einer Selektion der proinflammatorischen Allele in Zeiten bedeutender epidemischer Ereignisse, wie z. B. des Schwarzen Todes . Damit sollte eine Zunahme der Frequenz der proinflammatorischen Allele bis zur Moderne einhergehen.Aus den Ergebnissen gehen geringe Abweichungen der Allelfrequenzen zwischen damals und heute hervor. Obwohl Trends beobachtbar sind, bestehen nur zwischen einzelnen historischen und der modernen Bevölkerung signifikante Abweichungen. Auffallend ist die hohe Frequenz der antiinflammatorischen Allele der Marker IL6, IL10 und IL4Ra in allen Zeitstellungen. Sie wird als Hinweis auf eine Bedeutung antiinflammatorischer Eigenschaften in historischen Bevölkerungen gewertet. In der Pestserie unterscheiden sich die Verteilungen der Allele des TLR4 D299G und des IL10 G-1087A von der der modernen Bevölkerung. Eine Selektion durch die Pestepidemie wird diskutiert. Die Frequenz des minor alleles 753Q des TLR2 ist in beiden mittelalterlichen Serien höher als in der modernen Bevölkerung. Eine Selektion durch die Pest ist daher unwahrscheinlich, jedoch ist anzunehmen, daß eine Selek- tion mit Reduktion der Allelfrequenz des minor alleles zwischen Mittelalter und Neuzeit stattfand. Der SNP G-2849A des Markers IL10 zeigt eine signifikante Abweichung aller historischen Stichproben zur modernen Bevölkerung. Das heute seltenere proinflammatorische Allel überwiegt in den historischen Serien. Kontinuierliche Veränderungen der Frequenzen zu Gunsten proinflammatorischer Allele über alle Serien wurden nicht beobachtet.Der Einfluß der Epidemiologie der letzten 3000 Jahre, insbesondere der Pest, ist damit geringer als erwartet. Zu überdenken ist damit die Bedeutung der Infektionsgeschichte für die rezente Variabilität. Unklar bleibt aber auch die Eignung rezenter industrieller Bevölkerungen als postepidemische Kontrolle. Abzuklären ist der Einfluß der modernen Medizin und Ernährung. Die Untersuchung einer frühneuzeitlichen Population als postepidemischer Kontrolle bietet sich hier an.Diese Studie zeigt die Möglichkeiten eines Screenings historischer Populationen über mehrere Marker. Dabei kam die Methode der single-base-extension-Reaktion (SBE), auch Minisequencing oder SNaPshot genannt, zum Einsatz, die eine simultane Analyse aller Marker ermöglichte. Sie wurde mit der Analyse von STR des genetischen Fingerabdrucks kombiniert, die den direkten Nachweis der Authentizität der Ergebnisse erlaubt

    Similar works

    Full text

    thumbnail-image