Seit über einem Jahrhundert wird die spezifische Immuntherapie (SIT), auch Hypo- oder Desensibilisierung genannt, zur Behandlung von Soforttypallergien eingesetzt. Bei diesem Allergietyp kommt es durch wiederholten Allergenkontakt zur Quervernetzung der auf der Oberfläche von basophilen und eosinophilen Granulozyten oder Mastzellen gebundenen IgE-Antikörper mit konsekutiver Zellaktivierung und Freisetzung von Histamin bzw. weiterer proinflammatorischer Mediatoren, die letztendlich zu den typischen allergischen Symptomen führen. Insbesondere bei der Insektengiftallergie kann es im Rahmen von Stichreaktionen zu lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen kommen.
Die SIT stellt nach wie vor die einzige, kausale Behandlungsform dar, die in der Lage ist, den natürlichen Krankheitsverlauf von Soforttypallergikern positiv zu beeinflussen. In zahlreichen klinischen Studien wurde die kurative Wirksamkeit belegt. Die der SIT zugrunde liegenden immunologischen Mechanismen sind seit Jahrzehnten Gegenstand der Forschung. Während die Veränderungen, die zur Induktion der Allergentoleranz führen, bereits besser erforscht sind, sind die Mechanismen, die der Aufrechterhaltung der Toleranz auch nach Abschluss der SIT dienen, noch weitestgehend ungeklärt. Zwar ist gezeigt, dass bei ca. 90-95% der Insektengiftallergiker während der SIT eine Toleranz erreicht wird, allerdings ist auch bekannt, dass ca. 15% die erworbene Toleranz innerhalb weniger Jahre nach Beendigung der SIT wieder verlieren. Bislang gibt es allerdings keine Laborparameter, welche eine weiterhin bestehende Toleranz bzw. einen drohenden Toleranzverlust, der mit wiederkehrenden lebensgefährlichen Anaphylaxien einhergehen kann, zuverlässig voraussagt.
Mit dieser „diagnostischen Lücke“ beschäftigt sich die vorliegende Studie. Es wurden Patienten, die eine SIT mit Bienen- oder Wespengift bereits vor 4-13 Jahren abgeschlossen haben, bezüglich verschiedener zellulärer und humoraler Immunparameter untersucht. Die Patienten wurden, je nach Zeitraum, der seit Beendigung der SIT vergangen war, in Gruppen eingeteilt. Vergleichend wurde diesen Kohorten eine Kontrollpopulation bestehend aus gesunden Probanden ohne Manifestation einer IgE-vermittelten Allergie gegenübergestellt.
Die Analysen unterschiedlicher T-Zellpopulationen zeigten bezüglich der allergenspezifischen T-Zellfrequenzen für T-Helfer (Th)2-, Th1- und Typ-1-regulatorischen T (Tr1)-Zellen zwar signifikante Abweichungen in Hinblick auf das Kontrollkollektiv, jedoch bei den Th1- und Tr1-Zellen nicht im Vergleich der einzelnen Patientengruppen nach abgeschlossener SIT untereinander. Für die allergenspezifischen Th2-Zellen hingegen zeigte sich eine (bei einer Subpopulation auch signifikante) Zunahme der allergenspezifischen Th2-Zellen, je länger die SIT zurücklag. Die Frequenz unspezifischer Foxp3+ regulatorischer T-Zellen, ermittelt durch das Expressionsmuster der Oberflächenmarker CD4, CD25 und CD127, zeigte hingegen weder innerhalb der Patientengruppen noch gegenüber dem Kontrollkollektiv Abweichungen.
Um die humorale Immunantwort nach Abschluss der SIT zu charakterisieren, wurden für die einzelnen Patientengruppen die Serumkonzentrationen der allergenspezifischen IgE-, IgG- und IgG4-Antikörper und ebenso die quantitativen Verhältnisse der unterschiedlichen Antikörperklassen zueinander ermittelt. Hier zeigten sich wiederum signifikante Unterschiede im Vergleich zum Kontrollkollektiv, jedoch konnten keine signifikanten Abweichungen der Patientengruppen untereinander festgestellt werden. In einer Subgruppenanalyse konnten bezüglich der beschriebenen Parameter zudem keine Unterschiede zwischen den Patienten ermittelt werden, die mehrere Jahre nach Beendigung der SIT mit einer (erneuten) allergischen Reaktion auf einen Feldstich reagierten, und denen mit ausbleibender Stichreaktion (die also nach wie vor tolerant waren).
Die im Rahmen dieser Arbeit erhobenen Daten zeigen somit, dass die Aufrechterhaltung von Allergentoleranz bzw. der Toleranzverlust nach SIT nicht nur von den in dieser Studie quantitativ bestimmten, immunologischen Parametern abhängt, sondern maßgeblich auch von anderen, qualitativen Faktoren abzuhängen scheint, wie bspw. der allergenblockierenden Aktivität des Serums